Bergpredigt, einfach und radikal
Franz Alts neues Buch ist ein „Interview“ mit Jesus / Alte Botschaft, neu verpackt
Franz Alt bedient sich für sein neues Buch eines Tricks. Er interviewt Jesus am See Genezareth.
Alt übt fundamentale Kritik an Kirchen und Theologen. In vielen Kritikpunkten hat der 79-Jährige recht, zum Beispiel, wenn er sagt, das Christentum sei heute überwiegend ein „Paulustum“.
Das Buch ist Alts Weise, „empört euch, wehrt euch!“ zu rufen. Es beeindruckt, wie Alt im Alter noch immer an eine bessere Welt glaubt. Dass das Gute das Böse überwinden möge, dazu fehlt ihm nicht die Fantasie. Alt hält Menschen für lernfähig, daher hat er Hoffnung. Jesu Leben sei die Mensch gewordene Liebe Gottes.
Der Baden-Badener Ex- Fernsehjournalist stellt wie schon in seinen bisherigen Jesus-Büchern die Lehre Christi sehr radikal und einfach dar kompatibel zu Alts Weltbild.
Zugegeben, es ist eine originelle Idee, Jesus zu interviewen. Dessen Botschaften sind simpel. Zu allen Zeiten fiel es Menschen schwer, sie zu glauben. Ein Weltparlament, das über die Probleme der Welt entscheidet?
Als Realist muss man diesem Jesus (und Alt) sagen: Das wird wohl so schnell nicht kommen. Die Überlegenheit gewaltfreier Politik? Die Erfahrung lehrt etwas anderes. Soll man die Nationen abschaffen? Jesus weicht aus: Das sei besser, „als eure Waffen zu exportieren“. Berechtigten Einwänden setzt Jesus Visionen entgegen, die sich seit jeher an der Realität reiben.
Der Autor benutzt Jesus für seine Ideen. Das macht etwas misstrauisch: Braucht er so einen großen Fürsprecher?
Angela Merkels Flüchtlingspolitik wird bei Alt zur gelebten Bergpredigt. So einfach und radikal kann man Jesu Lehre beschreiben. Die meisten schrecken vor so viel Radikalität zurück. Alt nicht.
Der Autor geht bisweilen manipulativ vor, lässt Jesus sagen: „Wem vertraut ihr mehr — der Sonne unseres Vaters oder der Atomkraft?“ Als ob das die Alternative wäre. Genauso könnte man fragen: Schokolade oder Lebertran? Alt legt diesem Jesus sein ganzes Programm, für das er seit Jahrzehnten wirbt, in den Mund: Ethische Marktwirtschaft, lokale Landwirtschaft für eine Welt, in der niemand mehr hungert.
Dieser Jesus spricht fürs deutsche Publikum und ist natürlich begeisterter Anhänger der Solarenergie, das Thema nimmt breiten Raum in dem Buch ein. Jesus als Sonnenbotschafter — das scheint etwas weit hergeholt, ist Alts gewagte Interpretation. Jesus soll Beispiele für die Energiewende aufzählen, aber er ist kein ausgewiesener Energieexperte, oder was genau qualifiziert ihn dazu in den Evangelien?
Insgesamt ist das Buch geprägt von einem positiven Menschenbild, von tiefer Humanität. Es mahnt zum moralischen Handeln in den Überlebensfragen der Menschheit.
Das Buch ist nicht immer lebensnah, doch wer Jesu Lehre ernst nimmt, stößt mit Alt auf genau die Überlebensfragen — und kommt um Entscheidungen nicht herum. Alt führt Jesu Radikalität vor Augen. Wer damit zum ersten Mal in Berührung kommt, kann etwas von der Faszination spüren.
Der frühere Fernsehjournalist sieht Jesus in erster Linie als ökologischen Wohltäter, Ethik-Lehrer, Botschafter der Liebe und Therapeuten. Damit fokussiert er, man könnte auch sagen, verengt er den Blick. Was beim Lesen zur Ahnung führt: Jesus hat noch mehr zu bieten, als Alt glauben macht.
- Franz Alt „Der Appell von Jesus an die Welt – Liebe und Frieden sind möglich“ | Auch erhältlich als:E-BOOK | Benevento-Verlag 116 Seiten, 10 Euro.
- Dalai Lama (Franz Alt Hrsg.) „Der Appell des Dalai Lama an die Welt – Ethik ist wichtiger als Religion“
- „An Appeal to the World: The Way to Peace in a Time of Division“ – by Dalai Lama (Author), Franz Alt (Editor)
- Franz Alt (Hrsg.), Michail Gorbatschow (Autor) „Kommt endlich zur Vernunft – Nie wieder Krieg!: Ein Appell von Michail Grobatschow an die Welt“