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Carl Hanser Verlag

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Der Euro

Der Euro: Von der Friedensidee zum Streitfall. Zu einer umfassenden Studie von Hans-Werner Sinn. Von Rupert Neudeck

Das ist ein Buch von überraschend großer intellektueller Redlichkeit. Das ist jemand, der zugibt, dass er sich auch mal geirrt hat. Im Kreise von Politikern und Großjournalisten ist das ja eine große Seltenheit. Das Buch macht aufmerksam auf die Warnungen vor dem Euro zur Zeit der Beratungen über den Maastrichter Vertrag. Dazu gehörte der damalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer und auch Ralf Dahrendorf, der ja nun eine Autorität in Deutschland und Großbritannien war. Sinn zitiert Dahrendorf: „Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.“

Es gab, wie der Autor erwähnt, auch einen öffentlichen Aufruf von 155 deutschen Ökonomen 1998 gegen die verfrühte Einführung des Euro. „Die wissenschaftliche Redlichkeit gebietet es, zuzugestehen, dass diese Skeptiker, zu denen der Verfasser dieses Buches damals leider nicht zählte, Recht behielten“. Der Autor versucht den Vorstellungen des wohl mächtigsten Promotors der Europäischen Einigung und des Euro, Helmut Kohl gerecht zu werden. Es gab als Vorstufe der Euro Einigung zwischen Kohl und Francois Mitterand den berühmten Delorsplan. Dieser sah 1989 drei Stufen für den Aufbau der Wirtschafts-und Währungsunion vor. Die erste Stufe sollte alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten beseitigen, die zweite Stufe sollte der Konsolidierung der Staatshaushalte der Teilnehmer dienen, „um so die Voraussetzungen für eine stabile gemeinsame Währung zu schaffen“.

Doch damals gab es die sog. „Krönungstheorie“ der Bundesbank, nach der Europa erst ein viel größeres Maß an Integration hätte erreicht haben müssen, um sich die Krone der gemeinsamen Währung aufzusetzen. Auch Kohl war damals noch nicht überzeugt. Wörtlich: „Die politische Union ist das unerlässliche Gegenstück zur Wirtschafts- und Währungsunion. Die jüngere Geschichte …lehrt uns, dass die Vorstellung, man könne eine Wirtschafts- und Währungsunion ohne politische Union auf Dauer erhalten, abwegig ist“. Davon ist der Kanzler der Einheit dann aber schwer abgerückt.

Das Buch ist die deutsche Übersetzung des schon vorher 2014 bei Oxford herausgekommenen englischen Original: „The Euro Trap. On Bursting Bubbles, Budgets and Beliefs“. Es sind neben einer klaren Einführung neun wuchtige Kapitel. Das erste gilt der Entstehung des Euro: Wunsch und Wirklichkeit. Der Ökonom und Autor macht immer wieder darauf aufmerksam, dass der Euro als mehr gemeint war denn als gemeinsame Währung. Mit dem Euro verknüpfte man nicht nur ökonomische Ziele, er war eine politische Entscheidung. Es war die grundsätzliche Absichtserklärung im Jahr 1990 zwischen Kohl und Mitterand, „die Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten in eine originär politische Union zu transformieren“. Der Autor zitiert den damaligen französischen Ministerpräsident Pierre Beregovoy: „Ja, ich glaube an Europa, weil ich mir den Frieden leidenschaftlich wünsche. Frieden auf diesem Kontinent“.  

Das zweite große Kapitel gilt der Scheinblüte in der Peripherie, den verpaßten Gelegenheiten von Italien und anderen Partnern. Das dritte Kapitel benennt die „andere Seite der Medaille“, die Eurogewinner und die Euroverlierer, die Phänomene der Massenarbeitslosigkeit und die deutsche Agenda 2010. Das vierte Kapitel geht auf die „Wettbewerbsfalle“ ein, ist auch ein Kolleg des Ökonomen, gerichtet an die neuen Volkswirtschaften, die dem EU-Verbund beigetreten sind, als da sind Irland und das Baltikum. Das fünfte Kapitel benennt den „weißen Ritter“, der mit dem Crash auf Europa zukam und die Hilfe mit der Druckerpresse beanspruchte. Das sechste Kapitel beschreibt noch einmal komprimiert, was der Autor schon 2012 in einem weiteren Buch („Die Target Falle“) abgehandelt hat: Die Target Salden oder der Schatten der europäischen Zahlungsbilanzkrise. Target ist ein schwer verdauliches Akronym: „Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer System“. Das siebte Kapitel widmet sich der aktuellen Bestandsaufnahme und ist das spannendste in dem dicken Buch: Von Leistungsbilanzdefiziten, Kapitalflucht und Target Salden in den Euroländern.

Die sieben Stufen der Rettungsarchitektur beschreibt der Autor in seinem achten Kapitel, das er überschreibt: „Im Rettungswahn“. Das Letzte Kapitel dient der nochmaligen Überprüfung der bisherigen Sprünge und der Konsolidierung der wichtigen Leistungen der Europäischen UNION, die auch für den Autor keine wirkliche Alternative hat. Er erwähnt den bedauerlichen Rückfall in vorgestrige und anachronistische nationalistische Wahnvorstellungen, die in althergebrachten Parteien eine dumpfe Auferstehung feiern.

Man muss sich als Leser die Rosinen herauspicken, es ist so dicht gefüllt mit detailgenauer Analyse und Berichterstattung, dass man einzelne überraschende Ergebnisse des Autors herauspicken muss. So ist er der Meinung, dass das größere Problem denn Griechenland noch Spanien werden wird für die Eurozone. Im 4. Kapitel stellt er lapidar fest: Spanien könnte sich zum größten Problem der Eurozone entwickeln. Spanien habe die bei weitem größte externe Schuld in absoluten Werten und neben Griechenland die höchste Arbeitslosenquote in der Eurozone. Das Land ragt wegen seiner schieren Größe (46 Millionen Einwohner) und wegen der enormen Höhe der notwendigen Abwertungen heraus. Bei dem Bauboom lockten der Lohnanstieg und die Zahl der offenen Stellen die Migranten an. In den Jahren 1999 bis 2008, als der Boom mit der Lehmann Krise an ein plötzliches Ende kam, kamen brutto sechs Millionen Einwanderer aus dem Ausland nach Spanien. Davon waren 2,3 Mio. aus den EU-Ländern, allein 770.000 aus Rumänien. Der Rest stammte aus Nordafrika und Lateinamerika. Spaniens Wirtschaftsleistung wuchs zwischen 1995 und 2007 real um 56 Prozent, während die deutsche Wirtschaft nur um 21 Prozent zulegte.

Zwischendurch eröffnet der Ökonom Sinn auch Andeutungen in Anthropologie: Was die Menschen alles tun und lassen. So heißt es im zweiten Kapitel: Menschen (!) neigen nun einmal bei Investitionsentscheidungen dazu, „einen einmal wahrgenommenen Trend gedanklich beliebig weit in die Zukunft zu verlängern und schießen dabei über das Ziel hinaus“. Wie stark die psychosozialen Fundamente in der Einschätzung sind, zeigt die Frage, die sich der Autor stellt, ob das Desaster das Platzen der Blase in West- und Südeuropa ein „Markt oder Staatsversagen“ sei? Wenn bestimmte Renditeerwartungen nach oben schießen, dann lassen Investoren ihre Vorsicht beiseite und unterschätzen „systematisch Risiken“.

Berauscht vom Spekulationswahn, stecken sie sich gegenseitig mit ihrem Optimismus an, „der in Wahrheit nur der Irrglaube des ewigen Wachstums ist“. Sie treiben Vermögenspreise in die Höhe, bis die Blase platzt. Erst dann ganz plötzlich verändere sich ihre Markteinschätzung. Anthropologe Sinn: „Herdenverhalten und animalische Instinkte (‚animal spirits‘) beflügeln irrationale Erwartungen, und irrationale Angst materialisiert sich in Panik“. Sehr spannend zu erfahren, wie der Ökonom die Blasen und das Platzen derselben neu justiert. In der Geschichte der Neuzeit habe es schließlich viele Kreditblasen überall auf der Welt gegeben:  „Blasen sind im Prinzip sozialpsychologische Phänomene“. Es mangelt ihm auch nicht bestimmte Defizite in unserem Demokratie-Gemeinwesen und an der Statur der Politiker Kritik festzumachen.

Die Politiker haben ihren Anteil an den Krisenereignissen. So würden sie selbst die Erwartungen der Kapitalmärkte verzerren, in dem sie „Euphorie und exzessiven Optimismus in der Phase der Blasenbildung verbreiteten und damit geradezu zu Fehlinvestitionen ermunterten.“ So bei der Formulierung der Lissabon-Agenda 2010, als die Politiker sich verstiegen, dass diese Agenda „Europa zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt“ machen würde. Das war damals schon unvorsichtig.

Das fundamentale Problem der Demokratie hat auch kaum jemand so scharfsinnig herausgearbeitet wie der Autor. Eine Regierung unterschriebe Vereinbarungen und halte sich meist anstandshalber auch noch selbst  daran. „Doch ihre Nachfolger scheren sich nicht mehr darum und bedienen die aktuellen Interessen ihrer Wähler, anstatt die Lasten für nachkommenden Generationen oder für die Gläubiger zu berücksichtigen, die einem zunehmenden Risiko ausgesetzt sind“. Solange nämlich man darauf hoffen konnte und kann, dass der Schutz des Eurosystems die Refinanzierungskosten der Regierungen künstlich nach unten drücke, sei die Verschuldung immer ein angenehmer Weg, „das Staatsbudget zu füllen und den Problemen der Gegenwart auszuweichen“.

Ein unglaublich hartes und zutreffendes Urteil, an dem noch lange nicht in unseren Staaten gearbeitet wird. Ein großer Fehler war, dass man zwar Regeln für die Auflösung insolventer Banken vorbereitete, aber nicht den Austritt von Staaten vorhersah und entsprechend regulierte. Man erfährt über dieses Buch, dass Silvio Berlusconi in seinem kranken Land, das als Problemfall auch gleich hinter Spanien kommt, hinter dem Rücken der EU-Kommission den Austritt Italiens aus der Eurozone betrieb. Und zwar in der Zeit, als das Verarbeitende Gewerbe in Italien da niederging. Fiat erwarb den US-Autohersteller Chrysler und verlegte den Firmenhauptsitz von Turin nach Amsterdam. Eine verheerende Entscheidung für Italien.

Immer bemüht sich der Autor trotz der Fachstringenz der Ausführungen den Leser mal einzubeziehen mit einer klugen Frage: Der Leser, schreibt er, wird sich fragen, ob es tatsächlich möglich ist, dass die nationalen Notenbanken des Euroraums so viel Geld drucken und dann an die heimische Wirtschaft und den Staat verleihen können, wie Sie wollen? Der Leser wird noch weiterfragen, ob es denn keine Kontingente gebe, durch die die Geldschöpfung von der Größe der Länder abhängt, nach dem Prinzip „Kleines Land, kleine Notenpresse“ und umgekehrt. Der Autor antwortet freimütig: Ja, sie dürfen es… „Eine Kontingentierung der Geldschöpfung nach der Größe der Volkswirtschaft eines Landes gibt es nach den Statuten der EZB oder den europäischen Verträgen nicht“.

Die EZB spielte, wie das Buch fein literarisch beschreibt, den weißen Ritter, als der die EZB auftaucht, die erst Refinanzierungskredite auf drei, dann im Oktober 2008 auf sechs Monate verdoppelte und insgesamt 265 Milliarden Euro mit dieser Laufzeit zur Verfügung stellte. Immer wieder hat die Fachsprache dann Akronyme: LTRO: Longer Term Refinancing Operation, Am 21. Dezember 2011 begann das Eurosystem Refinanzierungskredite mit bis zu dreijähriger Laufzeit zur Verfügung zu stellen. Dabei wurden bis 29.02.2012  1.019 Mrd Euro verliehen. Präsident der EZB Mario Draghi nannte sein Programm in Anlehnung an die Festungsbrechenden Mörser des 1. Weltkriegs die „Dicke Bertha“. Englisch sprach er von der „big bazooka“. Eine weitere Abkürzung, die der Laie nicht so schnell begreift sind ABS-Papiere, die der US-Milliardär Warren Buffett metaphorisch als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnete. Eine harmlosere Metapher besteht auf Würsten, mit denen diese Papiere gemeinsam haben, dass man nicht so genau wissen möchte, was in ihnen enthalten ist. Die Fleischreste, so der Autor, die man durch den ABS Wolf drehte, waren manchmal nicht mehr genießbar. So wurde in einem spanischen ABS-Papier eine Kreditforderung gegen den Fußballverein Real Madrid verwertet auf Grund eines Kredits, der dem Ankauf des Spielers Christiano Ronaldo diente.

Die Regierungen Griechenlands bekommen ein fachlich desaströses Urteil, noch auf dem Höhepunkt der Krise wurden die Gehälter der Staatsbeamten in Griechenland um 19 Prozent erhöht, das muss man sich mal vorstellen. Die Frage, warum und wie es Irland geschafft hat, geht wieder auf ein völkerpsychologisches Argument zurück. Irland hatte ganz anders als das arrogante Griechenland einen großen Exportsektor, die Industrieproduktion machte einen Sprung um 40 Prozent Steigerung. Unter den Gründen wägt Sinn auch ab, dass es sich bei Irland um ein angelsächsisches Modell handle, dessen Staatsräson vorsah, flexiblere Arbeitsmärkte und Lohnkürzungen durchzusetzen. Die irischen Beschäftigen mussten ab 2009 starke Lohneinbußen hinnehmen. Auch nach dem kräftigen Anstieg im Jahr 2014 lag die irische Lohnsumme immer noch um 4 Prozent unter dem Niveau von 2007. Sicher, auch Irland habe reichlich Geld gedruckt. Aber dieses Geld wurde vornehmlich zur Kompensation einer Kapitalflucht benötigt. „So wurde Irland gezwungen, den Gürtel weiter enger zu schnallen“. Das Baltikum und besonders Lettland gerieten auch in eine Krise nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Lettland schluckte die bittere Pille einer realen Abwertung freiwillig. Der damalige Ministerpräsident und heutige EU-Kommissar Vladis Dombrovskis sagte etwas später, wie sehr die Letten in den Euroraum hineinwollten. Und deshalb habe er die Sozialpartner von der Notwendigkeit von Lohnsenkungen überzeugen können: „Wenn man in den Euro hineinwill, tut man alles. Wenn man schon drin ist, kann man offenbar tun, was man will.“

Das Buch hat gewiss Redundanzen und auch Wiederholungen, die aber im Duktus der Berichterstattung nicht auffallen, auch nie nur Doubletten sind. Von Zeit zu Zeit gibt der Autor ein Vergleichsbild aus dem alltäglichen Leben, um die Schieflage des Systems in dem Euroraum und in der Kompetenz der EZB aufscheinen zu lassen. In dem dramatischen Kapitel über die Target Salden sagt der Autor plötzlich: „Es ist wie bei einer Privatperson“. Wenn man nämlich kein Einkommen hat und sein verzinsliches Sach- und Finanzvermögen nicht hergeben will, könne man seinen Konsumstandard noch eine Weile aufrechterhalten, solange die flüssigen Mittel reichen. Aber das Geld ist dann irgendwann weg, und man müsse etwas tun, um die Zahlungsbilanz zu verbessern. Z.B. mehr arbeiten, sich einen Kredit besorgen oder einen Teil seines Besitzes verkaufen. Dann kommt der sensationelle Satz: „Es ist für ein Individuum nicht ratsam, das Problem zu lösen, in dem es das fehlende Geld im Keller nachdruckt, denn dafür wird man mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft“. Und dann die Nutzanwendung: „Bei den Eurostaaten stellt sich der Sachverhalt etwas anders dar“. Er kann den Leser auch erleichtern durch Entmythologisierung. Nachdem der Autor zum zweiten Mal in dem Buch die schwierige Auflösung des Akronyms Target gegeben hat (…Express Transfer System), sagt er: diese Auflösung sollte man sofort am besten vergessen, nachdem man ihn gehört hat, weil er kaum etwas zum Verständnis beitrage.

Am Ende ist man eher durch die irenische Schlussvolte des Autors überrascht, der natürlich auf Grund der harten Urteile, die er über die Geld- und Währungsmanipulationen der EZB über 500 Seiten gegeben hat. Immer ist das real existierende Eurosystem haarscharf daran, eine Transferunion im Wortsinn zu werden. Und die EZB hat natürlich durch die freiwillige Übernahme von soviel ELA Krediten an die Notenbanken von Griechenland, aber auch Irland und Portugal getan, dass man vergessen möchte, dass das Eurosystem für etwaige Verluste aufkommen muss, „gesetzt den Fall, dass es sich überlebt“. Nicht vorgesehen und gefürchtet ist der Austritt eines Landes.

Der Weg zum Staatenbund ist verbaut, wie der Autor schreibt. Es bestehe in Europa leider außerhalb von Deutschland nicht die geringste Bereitschaft, einen solchen Bundestaat zu gründen. Das gemeinsame Rechtssystem und die gemeinsame Armee werden nicht kommen, solange Europa nicht von äußeren Feinden bedroht ist. Im Kapitel über das Prozedere des Austritts gibt der Autor der Sturheit von Finanzminister Schäuble Recht. Schäuble hatte den in Brüssel anwesenden Finanzministern eine mindestens fünfjährige Unterbrechung der Vollmitgliedschaft Griechenlands empfohlen, falls es zu einem Schuldenschnitt komme, weil ein Schuldenschnitt für Eurostaaten mit dem Beistandsverbot des Maastricht Vertrages nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Der Autor geht auf die technischen Probleme ein, die sich zweifellos damit ergeben würden.

Er verweist auch darauf, dass der griechische Finanzminister Varoufakis auf die Pläne einer Arbeitsgruppe für den Austritt Griechenlands verweisen könnte. Er wollte die griechische Zentralbank kapern, der Kontrolle der EZB entziehen und der griechischen Regierung unterstellen, um sie damit für eine Parallelwährung zu nutzen. Letztlich – so Hans-Werner Sinn – gehe es um die Frage, ob das Eurosystem den schwächeren Mitgliedsländern in Südeuropa die Garantie für die Angleichung ihres Lebensstandards gibt… oder ob es die Währungsunion mit selbstverantwortlich handelnden Euroländern bleibt, wie sie der Maastricht Vertrag vorsieht. Das Austrittsland könnte bei eigenem Wunsch auch weiter assoziiertes Mitglied bleiben im Rahmen des schon existierenden EWSII Systems, das der Nachfolger von EWSI war, des Festkurssystems.

Die Mitgliedschaft im Euro könne nicht das Recht beinhalten, durch Transfers gestützt zu werden, wenn man nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Unter diesem Aspekt hält das Buch die Entscheidung für ein drittes Hilfspaket von 86 Milliarden Euro für schwer verständlich, Pro Privathaushalt habe Griechenland zuvor schon 81.000 Euro bekommen. Ziehe man von den neuen Hilfen den Betrag ab, der für die Bedienung aller Kredite gedacht sei, komme man auf eine Gesamthilfe von 89.000 Euro pro Haushalt. Oder noch einmal anders: Griechenland habe bisher 344 Milliarden Euro Kredite erhalten, das sei das 37fache der Marshall-Plan-Hilfen, die die Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg bekommen habe. Diejenigen, die unter dieser Rettungspolitik am meisten leiden werden, sind die europäischen Steuerzahler. Es bleibt zu befürchten, dass Ihnen das gesamte Risiko der Rettungsaktionen aufgebürdet wird trotz des Versprechens von Helmut Kohl, dass der Maastricht Vertrag die deutschen Steuerzahler vor Haftungsverpflichtungen gegen andere Euroländer schützt.

Am Schluss lässt man sich noch gerne das Zutrauen gefallen, das der Autor im Unterschied zu vielen Ökonomen, die das System nicht verstanden haben, dem Leser zuschreibt: „Dennoch sollte es jedem aufmerksamen Leser möglich sein, den Ausführungen dieses Buches zu folgen und nach der Lektüre die Mechanismen zu durchschauen und politisch einzuordnen“.

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Quelle

Rupert Neudeck 2015Grünhelme 2015

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