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Die Große Transformation – Ein Comic

Wie erreicht man die Menschen, wenn es um ein komplexes globales Thema geht? Gibt es Alternativen zu einem voluminösen Buch, zur traditionellen Druckmethode? Ja, sagte sich der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) und ließ sich auf das Projekt eines Comic-Buches ein. Was ist davon zu halten? Eine Rezension von Udo E. Simonis

Klima – kriegen wir die Kurve?

Jahrelang bestand meine Erwartung, meine Hoffnung, darin, dass die Gutachten der wissenschaftlichen Beratungsgremien der Bundesregierung für die nationale Umweltsituation (SRU) und den globalen Wandel (WBGU) einmal im Fokus des Semesters an einer unserer Hochschulen stehen würden – um so nicht nur die beteiligten Bundesministerien sondern auch einen Teil der Bildungselite zu erleuchten. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt, diese Hoffnung erfüllten die Hochschulen bisher nicht.

Nun aber entstand eine ganz andere, nicht erwartete Art der Auseinandersetzung: Über das WBGU-Gutachten „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ von 2011 erschien ein englischsprachiges Video-Seminar und nunmehr auch ein Buch mit den Beiratsmitgliedern als Comic-Helden. Neben der notwendigen, aber nicht erfolgten kollektiven akademischen Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema und den realen Herausforderungen der Transformnation zu einer klimaverträglichen, nachhaltigen Gesellschaft nun also eine fiktive, raffinierte bildhafte Auseinandersetzung.

Nicht alle werden das für eine angemessene Form des öffentlichen Diskurses halten. Wie kann man ein umfassendes Gutachten von 444 Textseiten auf 144 Seiten mit Comic-Darstellungen kondensieren wollen?

Wie kann man ein komplexes Thema, das der tiefen intellektuellen Erarbeitung bedarf, auf eine wenn auch große Zahl von stark vereinfachenden Strichzeichnungen reduzieren (wollen)?

Nun, das Urteil hierüber muss man letztlich dem einzelnen Leser/Betrachter überlassen. Dabei geht es zugleich um ein inhaltliches und ein ästhetisches Urteil: Sind die inhaltlichen Fragen hinreichend und gut dargestellt; wie ansprechend und motivierend sind die zeichnerischen Darstellungen selbst? Neben diesen Aspekten dürfte aber ein weiterer und vielleicht entscheidender Aspekt hinzukommen: Wen – und wie viele Menschen – erreicht man heute noch mit dicken, komplexen Büchern, der traditionellen Textmethode? Wen – und wie viele Menschen – erreicht man mit der gewitzten, imaginativen Bildersprache eines Comics?

Das vorliegende Comic-Buch über das WBGU-Gutachten dürfte diesen Realitätstest der potenziellen Klientel gewinnen – nicht nur, indem es mehr Leserinnen und Leser erreicht, sondern auch ganz andere Lesergruppen. Das Thema des Gutachtens könnte ein idealer Testfall für diese Art des Kommunikationswettbewerbs sein: Wenn ein neuer Gesellschaftsvertrag entstehen, wenn eine große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gelingen soll, müssen viel mehr Menschen als bei wissenschaftlichen Gutachten üblich und möglich für die Thematik interessiert werden. Und hierbei könnte die Comic-Methode der traditionellen Druckmethode überlegen sein.

Ich jedenfalls wünsche dem Comic-Buch (und dem WBGU) viel Erfolg – sowohl in der Heranführung neuer Gesellschaftsschichten an die Thematik, als auch beim kritischen Dialog darüber, ob die in diesem Buch skizzierten Episoden gut getroffen sind. Sie stellen die neun Beiratsmitglieder in ihrem jeweiligen wesentlichen Arbeitsfeld vor, mit ihren eigenen Methoden und Schwerpunkten, in grafischer und wörtlicher Darstellung. Die sechs ZeichnerInnen haben sich in sehr unterschiedlicher, aber anregender Art und Weise mit diesen ihren Helden befasst. Die drei Herausgeber haben das Ganze mit einem ausführlichen Glossar ergänzt – und auch dem traditionellen Leser mit Hinweisen auf vertiefende Literatur den anderen, den ergänzenden Zugang zur Thematik von Gesellschaftsvertrag und großer Transformation ermöglicht.

Wenn dieses originäre Comic-Buch im deutschen Sprachraum erfolgreich sein sollte, dann müsste es auch alsbald in der Weltsprache Englisch erscheinen. Schließlich geht es beim Transformationsthema ja um nichts weniger als um die globale Funktionstüchtigkeit und harmonische Entwicklung der menschlichen und der ökologischen Systeme.

Quelle

Udo E. Simonis 2012 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik amWissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Kurator der Deutschen UmweltstiftungJacoby & Stuart 2013

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