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Die Klimafalle

Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung. Ein Dialog-Buch über den Klimawandel. Von Rupert Neudeck

Ein glaubwürdiges Buch von zwei Autoren, das nicht auf jeder Seite beanspruchen, die Weisheit und Wahrheit mit Löffeln gefressen zu haben. Das Buch beschreibt, wie Menschen verführbar sind, sogar Wissenschaftler. Wissenschaftler verlieren auch ihr Ethos, wenn sie zu Helfern der Zeitgeschichte mutieren. Das Buch ist ein spannender Dialog zwischen dem Naturwissenschaftler Hans von Storch und dem Geisteswissenschaftler Werner Krauß. Die Disputation allein verhindert unnötige Einseitigkeiten und Übertreibungen. Die hat es allerdings seit der Erfindung der Klimakatastrophe in großer Fülle gegeben.

Die Autoren zitieren ihren Kollegen, den „anerkannten Klimaforscher“ Mojib Latif, der sich 2000 im Spiegel zu der Aussage verstieg: „Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren“ werde es „in unseren Breiten“ nicht mehr geben. Er wurde alsbald vom Wetter widerlegt.

Das Buch beschreibt die Erfahrung einer und dann noch Natur-Wissenschaft, die in die Schlagzeilen der Medien gerät. Nun ist es so, dass „die Welt für die Medien nicht oft genug untergehen“ kann. Die Medienagenten, also Journalisten verwandeln hypothetische Aussagen ohne zu zögern in Gewissheiten. Aber auch das gerät nicht zur exklusiven Medienschelte in dem Buch, denn Wissenschaftler können sehr wohl den Verlockungen von Talk Shows mit Millionen Beteiligung und öffentlicher Anerkennung manchmal gar nicht widerstehen.

So wird man in dem Dialog Buch, in dem die beiden Autoren auch in der dritten Person von sich schreiben, behutsam von einer Problematik zur nächsten geführt, alles immer in dem Bemühen, der Wissenschaft das zu lassen, was sie kann und was ihr quid pro quo, ihr eigentliches Materialobjekt ist. Und der Politik die Entscheidungen zu lassen, die allein sie und nicht die Wissenschaft treffen kann.

Das erste Kapitel beschreibt die Klimafalle

Die Autoren halten dafür, dass die Klimakatastrophe uns zupass kam, als uns die Atomkriegsgefahr mit dem Ende des Kalten Krieges als globale Gefahr abhanden kam. Die verschiedenen Schulen der Wissenschaft kämpften um den Nachweis, ob die Klimakatastrophe eben nur menschengemacht sei.

Die zeitaktuelle Aufgipfelung ergab sich 2007 bei der Gewährung des Nobelpreises an den IPCC und Al Gore, den ehemaligen US-Vizepräsidenten. Das beschreiben die Autoren in dem Kapitel, wie das wissenschaftliche Thema in die Krallen von Hollywood gelangt und es ihm dort nicht gut tut. Denn nach Hollywood gibt es den Klimakater.

Das Kapitel über die „Hockeyschlägerdebatte“ versucht an einem wissenschaftlichen Beispiel aufzudröseln, wie die beiden Parteien in den USA sich ihre Wissenschaftler für ihre den Ölkonzernen dienliche Politik hielten. Das Kapitel über die UN-Klimakonferenz von Kopenhagen beschreibt, wie schlecht Politik beraten ist, sich vom Alarmismus leiten zu lassen. Etwa den Alarmismus, mit dem die BILD im Februar 2007 behaupten konnte, es blieben uns noch 13 Jahre, um die Klimakatastrophe abzuwenden.

In den USA ergab sich im Gegenteil zunächst eine positive Stimmung. Der Nachfolger Clintons, George W. Bush hatte im Wahlkampf noch positiv von Kyoto gesprochen, nach seiner Wahl die Unterzeichnung aber abgelehnt. Es kam zu der Katastrophe im Golf von Mexiko zu dem Hurrikan Katrina, der große Teile der Großstadt New Orleans verwüstete. Wer das für ein Zeichen des Klimawandels hielt, war gegen den Irakkrieg und lehnte Steuersenkungen für Reiche ab. Wer aber für den Irakkrieg und Steuersenkungen für Reiche war, sah den menschengemachten Klimawandel als kein ernstes Problem an.

„Für die einen bot der Klimawandel den Anlass, die Ursache anzugehen und die Welt zu retten. Für die anderen symbolisierte er die Bedrohung, eine sozialistische Weltregierung oder Ökodiktatur aufzubauen“.

Der eine Autor des Buches Hans von Storch wurde einmal zum Held der Warner, das nächste Mal zum Held der Skeptiker, ohne sich dagegen wehren zu können. Er machte schlicht nur das, was Klimaforscher machen sollen: Nämlich sich Zahlen und Konzepte kritisch anzusehen.

So erleben wir Zyklen der Weltalarme und ihrer Reduzierung. Der Höhepunkt lag 2006 in dem Stern-Report, der mit großen Fanfaren erschien. Darin wurde plausibel behauptet, eine wirksame Klimaschutzpolitik mit massiver Reduktion von Treibhausgasen sei billiger zu haben als die Kosten für die andernfalls anfallenden Schäden. Ein Jahr später kamen die – interessanterweise nicht Physik-, sondern die Friedens-Nobelpreise für das IPCC und Al Gore. 2009 wendete sich wieder alles. Es ging in Kopenhagen ja auch um Interessen und Klimadiplomatie. Es kam innerhalb der Kaste der Wissenschaftler dann zu einem Skandal, dem sog. „Climategate“.

Ende November 2009 wurden von unbekannten Hackern eine ganze Menge privater e-Mails veröffentlicht, die von einem Server der Climate Research Unit (CRU) stammten. Es wurden auch Fehler im offiziellen IPCC Bericht entdeckt und an die große Glocke gehängt. Kurz, die Kaste der Wissenschaftler war in ihrem Renommee beschädigt. Und hatte einiges zu tun, da wieder herauszukommen. Bis 2013 scheint sie noch nicht wieder zu ihrer alten Form und Facon zurückgefunden zu haben.

Die Autoren beschreiben mit wissenschaftlicher Nüchternheit, dass auch die Szene der Wissenschaftler keine von Heroen ist, sondern von Menschen, die oft sehr menscheln. Sie bemühen sich die Skeptiker ins Boot zu holen, einmal mit dem Buch selbst, dann auch mit der Beschreibung einer sehr reich ausgefalteten Blogosphäre, der die Autoren mit der Website „Klimazwiebel“ auch noch eine zusätzliche Quelle gaben.

Die Erwärmung des Erdklimas ist gegenwärtig langsamer als sie 1990 erwartet wurde. Das müsse aber kein Alarmzeichen sein, denn 13 Jahre sind als Beobachtung zu kurz, um damit gleich das Klimaproblem abzusagen. Das unterscheidend Spezifische von Wissenschaft bestehe auch darin, „einen Dialog zwischen Warnern und Skeptikern zu etablieren“.

Und, es gibt die klare wertvolle Erkenntnis: Die Klimawissenschaften können nicht Politik machen noch ersetzen. Sie können die „politischen Dimensionen und Konsequenzen in entscheidenden Fällen nicht beantworten“.- Und: Wissenschaftliche Beweise kommen auch nicht „gegen Ideologien an, egal wie fundiert sie sein mögen“. Die Wissenschaft darf sich eben nicht in „Geiselhaft der Politik“ begeben.

Sie notieren die Bemühungen der Kollegen vom „Breakthrough Institute aus Kalifornien, den Klimawandel als Chance zu begreifen, die Forschung nach neuen Technologien anzukurbeln. Oder das Hartwell Papier, in dem prominente Wissenschaftler die Würde aller Menschen hochhalten: Erst sollten alle Menschen ein Recht auf den Zugang zu billiger Energie haben. Gerade in der 3. Welt sind Millionen Haushalte noch lange nicht an ein Energienetz angeschlossen. Grundvoraussetzung jeder Klimapolitik sei, dass die Menschen zumindest einen Level an Lebensqualität erreichen können müssen, um überhaupt zu weiteren Zielen voranzugehen.

Ob die bisherige Klimadebatte zu maskulin geführt wurde, ist ein weiterer Aspekt, bei dem man aufhorcht: Aber die Autoren beschreiben einen heftigen Angriff auf die Autorin Naomi Klein und betonen, dass sich in ihrer Person mit dem Weiblichen und dem Politischen gleich zwei solcher Gefahren für die objektive Wissenschaft vereinten. Männer liefen Gefahr, die Haltung zu verlieren angesichts der Politisierung der Klimafrage. Und dann noch durch eine Frau.

Die Autoren gehen zum Schluss noch mal nach Nordfriesland, wo sie gelernt haben, dass man die Menschen, die Einwohner eines Natur- und Kulturraumes mitnehmen muss. Dort leben selbstbewusste Menschen, die sich zu wehren wissen, wenn ihnen die Wissenschaft Diktate aufoktroyieren will. Die Küstenbevölkerung in Ostfriesland erinnert die Forschung wütend daran, dass auch der Mensch im Ökosystem eine Rolle spielt.

Auf einer Protestveranstaltung wurde ein Plakat hochgehalten, das die gelegentliche Weltabgewandtheit der Wissenschaft treffend aufspießte: „Das Watt ist die Lebensgrundlage der Fischer und keine Spielwiese für Forscher“.

Quelle

Rupert Neudeck 2013Grünhelme 2013

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