Die Wertschöpfungskette von Schokolade
Massenproduktion bedeutet häufig Ausbeutung und Elend – das gilt nicht nur für Kaffee oder Baumwolle, sondern auch für Kakao.
Seit vielen Jahren sorgt Kakao für negative Schlagzeilen
In den Presseberichten ist häufig von sehr schlechten Lebensbedingungen in den Anbaugebieten von Kakao die Rede, Dokumentarfilme und Studien belegen Kinderarbeit und selbst den Handel mit Kindersklaven, die auf den Plantagen arbeiten müssen. Im Mittelpunkt der Berichte steht Westafrika, von wo Deutschland den größten Teil des wichtigsten Rohstoffes für Schokolade bezieht.
Daher geraten auch die Hersteller der Schokolade in die Kritik. Sie sollen, so die häufig gestellte Forderung, Verantwortung für ihre Zulieferer übernehmen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen garantieren.
Mit der Frage nach der Verantwortung von Unternehmen für die Beseitigung von Missständen sieht sich nicht nur die Kakao- und Schokoladenindustrie konfrontiert. John Ruggie, ein vom Generalsekretär der Vereinten Nationen eingesetzter Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte, sieht an erster Stelle die Regierungen in der Pflicht, die Einhaltung der Menschenrechte in der Wirtschaft durchzusetzen. Geschieht dies nicht, tragen seiner Meinung nach Unternehmen eine Verantwortung für die Zustände in der eigenen Produktion sowie bei den Zulieferern: Ruggie verlangt, dass die Unternehmen unabhängig vom Verhalten der Regierungen die Abschaffung der Kinderarbeit, der Sklaverei und der Zwangsarbeit sowie das Recht auf eine sichere Arbeitsumgebung durchsetzen.
Über die Arbeitsrechte hinaus betont er insbesondere das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, Bildung und soziale Sicherheit. Er verweist außerdem ausdrücklich darauf, dass Unternehmen Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte in einigen Geschäftsbereichen nicht durch gute Taten in anderen Geschäftsbereichen kompensieren können. Ein zentraler Begriff in der Argumentation von Ruggie ist die Sorgfaltspflicht („due diligence“): Er verlangt, dass Unternehmen in ihrer täglichen Geschäftspraxis sicherstellen, dass sie in allen Geschäftsabläufen nationale Gesetze und grundsätzliche Menschenrechte einhalten. Opfern von Menschenrechtsverletzungen soll der Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung erleichtert werden (UN 2008, 2009, 2010, 2011).
Um herauszufinden, wer im Kakaosektor Verantwortung für Missstände übernehmen sollte, muss mehr über die Wertschöpfungskette der Schokolade bekannt sein. Diese führt von den Bauern über die Verarbeiter des Kakaos, die Hersteller der Schokoladenprodukte und die Supermärkte bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten der Schokolade. Bei der Analyse zeigt sich, dass in den verschiedenen Produktionsstufen der Schokolade unterschiedliche Instanzen für die Behebung mitverantwortlich sind.
Letztendlich werden alle Beteiligten der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten müssen, um die Situation der Bauern zu verbessern. Aufgrund ihrer Machtpositionen kommt allerdings den Unternehmen in den Verbraucherländern eine große Verantwortung zu. Dies gilt insbesondere für die in Deutschland operierenden Anbieter, die den weltweit zweitgrößten Schokoladenmarkt versorgen und darüber hinaus noch große Mengen ihrer Erzeugnisse exportieren.
Deutschlands Rolle auf dem Weltmarkt
Die Produktion von Schokolade und Schokoladewaren hat sich in Deutschland zwischen 1975 und 2010 mehr als verdreifacht (BDSI 2011). Die Bundesrepublik ist nach den USA der zweitwichtigste Importeur von Kakao und gehört sowohl beim Verbrauch von reinem Kakao als auch beim Verzehr von kakaohaltigen Süßigkeiten weltweit zu den Spitzenreitern. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Kakao liegt mit 3,8 kg pro Jahr deutlich über dem Durchschnitt Europas (2,1 kg), der Verbrauch von Schokoladenwaren und anderen kakaohaltigen Lebensmitteln liegt bei 11,5 kg. Berücksichtigt man die Importe von bereits vorverarbeiteten Kakaoprodukten, lagen die Gesamtimporte der Bundesrepublik umgerechnet in Kakaobohnen im Jahr 2010 bei 452.000 t, was 12,4 % des Weltmarktes ausmacht (Tabelle 4)…
Preisrutsch auf dem deutschen Markt
Schokolade spielt auf dem deutschen Einzelhandelsmarkt eine besondere Rolle. Zwischen 1950 und 2002 verkaufte der Einzelhandel bei Sonderangeboten Vollmilchschokolade (Gewicht: 100 Gramm) zu einem Preise von unter 1 DM an je Tafel. In diesen 52 Jahren stiegen die Preise in Deutschland laut Statistischem Bundesamt um 322 % – und der Preis je Tafel hätte somit auf mehr als 4 DM steigen müssen. Marktbeobachter erklären den stabilen Preis damit, dass Schokolade ein „Ankerprodukt“ für den Einzelhandel ist: Jeder kennt den Preis einer Tafel und achtet daher sehr genau darauf, was diese bei welchem Anbieter kostet. Sonderangebote von Schokolade locken daher die Kundinnen und Kunden in die Läden, die dann oftmals auch andere Produkte kaufen. Die Preisschwelle von 1 DM wollte daher kein Einzelhändler überschreiten. Erst mit der Einführung des Euro kam es zu Preiserhöhungen (Freiberger 2010)…
Die Studie können Sie downloaden oder über info@suedwind-institut.de bestellen.
Quelle
Südwind Institut 2012