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Ein gefährliches Buch: Schatzinseln

Wie Steueroasen die Demokratie untergraben.

Eigentlich muss dieses Buch verboten werden, so brandgefährlich ist es  (oder auch so befreiend). Denn es setzt an zum Kampf um eine Welt, in der die Spekulanten und Finanz-Jongleure nicht mehr die Möglichkeit haben, auszuweichen auf Inseln wie die Bahamas, die Cayman Inseln oder auch die Schweiz oder die City in London.

Das Buch ist aber auch nicht vom Himmel gefallen, es setzt an dem an, was vernünftige Reformer des Finanz-Spekulationschaos auf der Welt schon spätestens seit dem zweiten Weltkrieg sich geschworen hatten.

John Maynard Keynes sagte in der Zeit nach dem Wallstreet Crash 1929: „Heute haben wir uns in einen riesigen Wirrwarr verstrickt, haben gefehlt in der Herrschaft über eine feinfühlige Maschine, deren Arbeitsweise wir nicht verstehen“. Das Finanzsystem – so das Buch sei heute noch gefährlicher und seine Stellung beherrschender als damals. Denn Anpassungen der Bankenregulierung innerhalb einzelner Länder reichen nicht. Jede Reform muss der neuen, globalisierten Realität gerecht werden. Und wer da etwas ausrichten will, muss das Offshore-System verstehen – und gleich abschaffen.

Der Autor ist 1966 in Malawi geboren und lebt in Zürich, ist Mitglied des Tax Justice Network. Er beschreibt die internationale Handels und Finanzwelt als eine, in der Tricks und massive Verbrechen an der Tagesordnung sind. Deshalb fordert das Buch zu einem „Kulturwandel“ auf. Oder zu einer Rückkehr zu den alten guten Werten wie Vertrauen und Zuverlässigkeit, Pflicht im Sinne des Gemeinwohls und Ehrlichkeit, zu den Werten, die Helmut Schmidt immer wieder hochhält.

„Wenn Experten, Journalisten und Politiker sich bei Leuten anbiedern, die durch einen Missbrauch des Systems reich werden, sich vor Steuern und Regulierung drücken und alle anderen dazu zwingen, die dadurch verursachten Risiken und Steuern zu schultern, dann haben wir uns gründlich verlaufen.“ Es sollten deshalb die Regierungen Richtlinien ausarbeiten, die festzurren, was bei der internationalen Besteuerung als verantwortungsvolles und was als unverantwortliches Verhalten gilt, mit besonderer Berücksichtigung des Offshore Missbrauchs.

Wir müssen wieder einen neuen Begriff von Korruption fassen. Das bedeutet, wir müssen uns klar werden. Manche Leute sagen, Bestechung sei ein gutes Mittel, um bürokratische Hindernisse zu umgehen. Ohne Schmiergeld bleibt der Container im Hafen. Aber das ist nicht wahr. Bestechung nützt vielleicht dem, der zahlt, aber es schadet dem System als Ganzem.

Im Kapitel „Das Gegenteil von Offshore“ widmet sich das Buch in einem sensationell interessanten Kapitel um den Kampf von John Maynard Keynes gegen das US-Finanzkapital Keynes hatte erkannt gegen Kriegsende: Die USA wollten, dass die Briten den Faschismus besiegten und griffen mit massiver militärischer Hilfe den Briten unter die Arme. Gleichzeitig setzten die USA darauf, dass Großbritannien und sein Weltreich ein für alle Mal entmachtet würden. Die USA, so bemerkte Keynes, taten alles, um sicherzustellen, dass die Briten möglichst nahe am Bankrott waren. Keynes hatte den Kampf aufgenommen, aber er konnte ihn nicht gewinnen: „Wann immer Keynes mit seinem US-Gegenüber Harry Dexter White uneins war, zog er in der Regel den Kürzeren, weil die USA mächtiger waren. Und in fast jedem Fall war Keynes im Recht“.

Keynes war der geniale Mitverhandler bei dem Verhandlungsmarathon, der die internationale Finanzarchitektur für Jahrzehnte prägen sollte in Bretton Woods 1944. Das Ziel, so sagte es Morgenthau, Partner von Keynes,  müsse sein, „die wucherhaften Geldverleiher aus dem internationalen Finanztempel zu vertreiben.“

Keynes war es schon klar, dass es nur weitergeht mit diesem System, wenn der Finanzsektor einer strengen staatlichen Kontrolle unterliegt. Und damals kamen natürlich auch noch als warnende Rotlichter die Kommunisten ins Spiel: Wenn der Sektor nicht kontrolliert würde, dann würde das die Krisen auslösen, die die zerbrechlichen europäischen Volkswirtschaften in die Hände von Kommunisten treiben könnte.

Keynes Antwort war, vor und nach seinem Tode 1946: Der grenzüberschreitende Kapitalverkehr muss kontrolliert werden. Heute haben wir uns vom System Keynes erheblich entfernt: „Geld fließt nicht nur über Landesgrenzen hinweg, sondern wird dazu aktiv ermuntert, durch Offshore-Attraktionen: Geheimhaltung.“ Eine ganze Infrastruktur im Nadelstreifenanzug sei entstanden, die alle ein handfestes Interesse daran haben, die Bewegungen von Kapital zu beschleunigen und die perversen Anreize zu verstärken.

Im Kapitel über die „älteste Steueroase der Welt“ geht er mit der Schweiz ins Gericht. Der Mythos, dass die Schweiz das Bankgeheimnis eingeführt habe, aus Sorge um das Wohlergehen und Kapital deutscher Juden, ist total falsch, wird aber gern gebraucht. Als im Oktober 1996 Estelle Sapir versuchte nach dem Krieg verschiedene Banken aufzusuchen, um ihr Geld abzuheben, von dem Ihr Vater ihr vor dem, Mord berichtet hatte. Ihren Vater hatte sie zum letzten Mal in einem Gefangenlager in Frankreich gesehen, bevor er in ein KZ in Polen kam. Doch vor seinem Tod hatte er seiner Tochter genau erklärt, wo sich sein Vermögen befand.

Die Banken in Frankreich und GB gaben ihr das Geld. Dann ging sie mit einem Einzahlungsschein der Schweizer Kreditanstalt zu dem Institut in der Schweiz. „Ich sah, wie ein junger Mann aus dem Hintergrund hervortrat und mich bat: Zeigen Sie mir den Totenschein Ihres Vaters“. E. Sapir antwortete ihm: „Woher soll ich den Totenschein haben? Ich müsste ja Himmler, Hitler, Eichmann oder Menge finden. Ich fing an zu weinen“. In den Jahren 1946 bis 1957 besuchte sie Filialen der Kreditanstalt und zwanzigmal wurde sie abgewimmelt.

Das Buch macht mit dem globalen Offshore-System bekannt. Besonders dramatisch sind die Schlusskapitel „Die Kapitulation der USA: Wie sich Amerikaner ins offshore Geschäft verliebten“. Dann über das „Abflussrohr der Entwicklung: Wie Steueroasen armen Ländern schaden“. Dann geht es in einem Schlusskapitel in die Offshore Welt der „City of London Corporation“.

Wie stark diese Welt geworden ist, ergibt sich aus den Schutzschirmen, den die Wirtschaftsunternehmen und die Geheimdienste über ihre Offshore Spielplätzen aufgespannt haben. Dem globalen Kapitalismus stand und steht jedenfalls ein neues, verbrecherfreundliches Umfeld zur Verfügung. Der Umfang der verbrecherischen Aktivitäten sei nicht mehr einzuschätzen, „doch Geheimhaltung ermöglicht Gesetzesvorstöße.“

Das Buch brilliert auch durch seinen Stil, durch seine zeitgeschichtlichen Rückverweise: Für das 19. Jahrhundert war es klar: Freihandel schafft Wohlstand und Frieden herbei, er verstärke die ökonomischen Verbindungen zwischen Nationen und erschwert Kriege. So ähnlich wie es der US-Journalist Thomas Friedmann sagt in den 1990er Jahren: keine zwei Länder, in denen die Fastfood Kette Mc Donald’s (Symbol des Freihandels) Restaurants betreibe, hätten je Krieg gegeneinander geführt. Das schreibt der Autor: das änderte sich im März 1999, als die NATO Belgrad Bombardierte. Keynes unterstütze das, aber es sollte zugleich der Kapitalverkehr kontrolliert werden.

Tröstlicherweise findet der Autor immer wieder einzelne Agenten der Offshore-Inseln, die das System durchschauen. Durch Re-invoicing – das ist die Praxis, bei der Handelspartner sich auf den Preis eines Geschäfts einigen, dann aber offiziell einen anderen Preis angeben, um Geld im Geheimen über Landesgrenzen zu verschieben. Man schätzt, dass zumal aus Entwicklungsländern jedes Jahr 100 Milliarden Dollar abfließen – auf diese Weise. Der Dissident, den der Autor findet, John Christensen, beschreibt, wie die Flut von Geld, die nach Jersey ging, ständig anstieg. Er mokierte sich darüber, aber niemand wollte das hören. Die Abteilungsleiterin sagte ihm, sie wollen über diese Dinge nicht sprechen und „Afrika sei ihr sowieso scheißegal“.

Diese Offshore-Welt werde bevölkert von alten Euro Aristokraten, fanatischen Anhängern der libertären Autorin Ayn Rand, Geheimdienstmitarbeitern, Verbrechern, Abgängern britischer Privatschulen, Lord and Ladies und Bankern. Ihre Schreckgespenster seien Staaten, Gesetze und Steuern. Sie werben für Steuerhinterziehung und tun alles, um das zu bedienen. Das einzige, was Peer Steinbrück bei seinem Ausbruch gegen die Steuer-offshore Oasen falsch gemacht hat, er hat Ouagadougou genannt. Das war ein falscher Ort. Alles andere war richtig.

Quelle

Rupert Neudeck 2011Grünhelme 2011

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