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Matthias Gross, Rüdiger Mautz "Renewable Energies"

© Matthias Gross, Rüdiger Mautz "Renewable Energies"

Erneuerbare Energien: Gesellschaftliches Realexperiment mit offenem Ausgang

Das 2014 erschienene Buch „Renewable Energies“ von Matthias Groß und Rüdiger Mautz ist jetzt als Paperback erhältlich. In der Studie wird das Thema erneuerbare Energien aus soziologischer Perspektive untersucht, um wechselseitige Abhängigkeiten zwischen neuen Formen der Energieerzeugung und -versorgung sowie sozialen Veränderungs-Prozessen herauszuarbeiten.

Den Energiewandel hin zu erneuerbaren Energien wird dabei als gesellschaftliches Experiment mit offenem Ende betrachtet. Angesichts dieses experimentellen Transformationsprozesses geht es besonders um die Frage, wie die Gesellschaft mit Ungewissheit und Nicht-Wissen sowie den nicht-intendierten Folgen des Handelns umzugehen weiß.

Erneuerbare Energien sind in aller Munde. Sie gelten als eine der wichtigsten technischen Lösungen im Kampf gegen die weltweite Klimaerwärmung, ja als Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu einer „Dekarbonisierung“ der globalen Energiesysteme. Sie gelten damit als Hoffnungsträger bei der Eindämmung drohender Umweltrisiken. Für ihre Studie „Renewable Energies“ wählen Matthias Groß und Rüdiger Mautz einen genuin soziologischen Zugang zum Thema „erneuerbare Energien“, um sowohl Interdependenzen zwischen neuen Formen der Energieerzeugung und -versorgung als auch soziale Veränderungsprozesse herausarbeiten und theoretisch genauer beschreiben zu können.

Anhand einer kurzen Theoriegeschichte wird zunächst dargestellt, dass sich bereits soziologische Klassiker mit den energetischen Grundlagen von Gesellschaften befasst und das Zusammenspiel von technologischem und sozialem Wandel untersucht haben. Max Webers Reflexionen zur Rolle der Energieversorgung beim Aufstieg der kapitalistischen Wirtschaftsweise sind ein Beispiel dafür. Zeitgenössische Theorien soziotechnischen Wandels knüpfen an diese Überlegungen an und zeigen sowohl die transformativen Kräfte globalen Energiewandels („global energy shift“) als auch die sozioökonomisch stabilisierende Funktion gewachsener Energieinfrastrukturen auf.

Ausgehend von neueren Theorieansätzen begreifen die Autoren den Energiewandel hin zu erneuerbaren Energien als ein gesellschaftliches Realexperiment mit offenem Ausgang, bei dem es nicht nur um die zukünftigen infrastrukturellen Grundlagen der globalen Energieversorgung geht. Angesichts des experimentellen Charakters eines solchen Transformationsprozesses geht es vielmehr um die Frage, wie die Gesellschaft mit Ungewissheit und Nicht-Wissen, mit überraschenden Ereignisketten sowie den nicht-intendierten Folgen des Handelns umgehen wird. Dies trifft sicherlich auch auf Transformationsprozesse in anderen gesellschaftlichen Bereichen zu, scheint sich aber im Fall der erneuerbaren Energien wie unter einem Brennglas zu bündeln.

In der Studie wird dieses Faktum mit Blick auf verschiedene erneuerbare Energietechniken insbesondere an folgenden Beispielen aufgezeigt: Der Nutzung von Windenergie, der Photovoltaik sowie der Geothermie, der einzigen „unterirdischen“ erneuerbaren Energie, bei der Probleme des Nicht-Wissens und der gesellschaftlichen Risikowahrnehmung in besonderer Weise deutlich werden.

Die Studie widmet sich auch unterschiedlichen Problemfeldern des Realexperiments „Energiewende“:

  • dem Problem der politischen Regulierung sowie der Entwicklung neuer Formen der energie- und umweltpolitischen Governance angesichts einer sowohl technischen als auch gesellschaftlichen Dezentralisierung der Energieversorgung durch erneuerbare Energien (einschließlich aktiver Bürgerbeteiligung an der Energiewende in zahlreichen Ländern);
  • dem Problem des Umgangs mit neuen gesellschaftlichen Konfliktfeldern, wie z. B. lokalen/regionalen Nutzungs- sowie Risikokonflikten angesichts der dispersen Verbreitung erneuerbarer Energieanlagen auch in der Nähe von Wohngebieten;
  • dem Problem des systemischen Charakters der Energieinfrastruktur, das die Systemintegration sämtlicher soziotechnischer Komponenten einer auf erneuerbaren Energien beruhenden Energieversorgung erfordert und für das unterschiedliche – und zum Teil konkurrierende – Lösungen experimentell erprobt werden.

Matthias Groß und Rüdiger Mautz kommen zu dem Ergebnis, dass der gegenwärtige Energiewechsel hin zu erneuerbaren Energien, sofern er gesellschaftlich an den Zielen „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“ ausgerichtet sein soll, sich in einem zentralen Punkt von bisherigen Formen des energietechnischen Wandels zu unterscheiden hätte: Im Fall der erneuerbaren Energien geht es nicht darum, den bisher genutzten fossilen und atomaren Energien lediglich ein neues Set an Energiequellen hinzuzufügen. Vielmehr handelt es sich hier um einen Prozess soziotechnischer Transformation, bei der sich Innovation (der Durchbruch der Erneuerbaren) mit „Exnovation“ verbinden müsste: dem endgültigen Ausstieg aus technologisch veralteten und zudem nicht-nachhaltigen Formen der Energienutzung.

Weitere Informationen zum Buch

Quelle

Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) 2015

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