In tiefer Sorge
Was jetzt zu tun ist, um die Welt zu retten. Ein Appell – Es muss dringend etwas geschehen, und zwar JETZT. Zum ersten Mal erheben die wichtigsten Vordenkerinnen und Vordenker für Klima, Umwelt und Natur gemeinsam als eine Art »Ältestenrat des Klimaschutzes« ihre Stimme.
Zeit ihres Lebens haben sie sich für unsere Welt eingesetzt, Ideen und Aktionen entwickelt und gegen die
Zerstörung des Ökosystems durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise gekämpft – doch passiert ist
wenig, zu wenig. Die CO2-Emissionen steigen unvermindert weiter, Tag für Tag verschwinden unzählige
Arten von unserem Planeten, es wird nicht etwa mehr, sondern weniger Material als noch vor zehn Jahren
recycelt, und selbst die beschlossenen Ausstiege aus Kohle und Atomenergie werden angesichts des Kriegs.
in der Ukraine wieder infrage gestellt. Wie die beiden Schneiden einer Schere gehen das wachsende
Wissen um die Umweltprobleme und die ungebremste Umweltzerstörung auseinander. Die Frage, wie wir
aus diesem Dilemma wieder herauskommen, ist nach wie vor kaum beantwortet. Haben wir überhaupt
noch eine Chance? Gibt es noch Grund zu Optimismus?
Der Sammelband „In tiefer Sorge“ versammelt nun erstmals die wichtigsten Vordenker:innen für Klima,
Umwelt und Natur gemeinsam als eine Art »Ältestenrat des Klimaschutzes«. Sie geben ihre Antwort auf
die existenzbedrohende Diskrepanz zwischen dem Stand der Erkenntnis und der fehlenden Umsetzung.
Ihre Apelle sind eindringlich: Es besteht Hoffnung – wenn wir jetzt handeln.
Die Beiträge der Wissenschaftler:innen wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, Helga Kromp-Kolb, Christine von Weizsäcker, Christof Schenck, Michael Braungart und Franz Josef Radermacher; Aktivist:innen wie Thilo
Bode, Hannes Jaenicke im Gespräch mit Jakob Blasel (Fridays for Future), Franz Alt, Elisabeth Stern von den Schweizer KlimaSeniorinnen; Vertretern von Naturschutzorganisationen wie Hubert Weiger und
Naturschützern wie Claus-Peter Hutter; Unternehmern wie Dirk Roßmann; Politiker:innen wie Bärbel Höhn, Klaus Töpfer, Alexander van der Bellen und Josef Göppel thematisieren kleine, keineswegs
unbedeutende Ideen und Innovationen bis hin zu großen Lösungsvorschlägen, die das 1,5-Grad-Ziel und die Wiederherstellung des globalen ökologischen Gleichgewichts im Blick haben. Vor allem aber erinnern sie daran, was alles möglich ist. Und was jeder Einzelne tun kann, soll und muss, um das Mögliche zu verwirklichen.
Die Herausgeberin: Kerstin Lücker wurde 1974 geboren und studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Slawistik in Dresden, Brünn (CZ) und Wien. Sie promovierte in Musiktheorie. Als Redakteurin verantwortete sie eine Reihe von Büchern zu Umwelt- und Klimafragen und arbeitete mit Wissenschaftler:innen wie dem Pionier der Ressourcenwende Friedrich Schmidt-Bleek und anderen zusammen.
- „In tiefer Sorge: Was jetzt zu tun ist, um die Welt zu retten“ Ein Appell – Mit Beiträgen von Franz Alt, Thilo Bode, Bärbel Höhn, Hannes Jaenicke, Dirk Roßmann, Christine von Weizsäcker, Ernst Ulrich von Weizsäcker u. a. / LUDWIG Verlag 2022 / Leseprobe
Quelle
LUDWIG Verlag 2022 / Franz Alt 2022
Die Klimakrise ist kein Schicksal | Beitrag von Franz Alt
Während ich diese Zeilen – Anfang März 2022 – schreibe, bedroht Putins Krieg in der Ukraine alle liberalen Demokratien in ihren Grundfesten. Und wenn Sie diese Zeilen lesen, sind noch weit mehr Menschen durch diesen Krieg gestorben und weitere Millionen auf der Flucht. Gleichzeitig sehen wir auch fatale Schwächen der europäischen Energie- und Klimapolitik, deren Folgen nicht mehr nur unsere Lebensgrundlagen bedrohen. So warnte im Januar 2022 auch die Weltgesundheitsorganisation WHO: „Fossile Brennstoffe bringen uns um. Die Klimakrise ist die größte Gesundheitskrise der Menschheit“. Aber aus Krisen müssen keine Katastrophe entstehen. Menschen können lernen, wenn sie es nur wollen. Dafür brauchen wir freilich eine moralische Revolution, neues Denken wie es Michail Gorbatschow schon vor dreißig Jahren gefordert hat und eine „Weltrevolution des Mitgefühls“, wie es heute der Dalai Lama anmahnt.
Schon vor zwanzig Jahren habe ich das Buch Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne geschrieben. Unsere Abhängigkeit von Putins Gas und Öl ist jedem und jeder schon längst bekannt. Unser Erdöl stammt zu rund einem Drittel aus Russland[i], unsere Steinkohle und unser Erdgas mehr als zur Hälfte. Und fast zwei Drittel der Exporte Russlands, meist von Staatsunternehmen, sind fossile Brennstoffe. Wenn wir Putins Kriege und mögliche weitere Kriege in Osteuropa beenden oder verhindern wollen, müssen wir nicht erst in zwanzig Jahren komplett auf erneuerbare Energien umsteigen, sondern jetzt. Nur so kann man Putins Kriegskasse austrocknen. Rasche Klimaneutralität ist ohnehin nötig, um das rechtsverbindliche 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen[ii] einzuhalten, das spätestens 2030 null fossile Brennstoffe nahelegt. Das gilt nicht nur für Strom und Wärme. Wir müssen endlich auch über Mobilität, Mineraldünger, Zement und Kunststoffe reden, die ebenfalls bislang noch weitestgehend auf fossilen Rohstoffen basieren.
In meinem Buch Der Planet ist geplündert, das ich 2022 aus Anlass „50 Jahre Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome) zusammen mit Ernst Ulrich von Weizsäcker zeitgleich mit diesem Artikel schrieb, habe ich das, was wir jetzt noch tun können und müssen, in 18 „Angeboten des Überlebens“ so beschrieben:
Die 18 Angebote des Überlebens
Der Klimawandel und die Klimapolitik werden überall auf der Welt vieles auf den Kopf stellen: In Deutschland die Autoindustrie und die alten Energiekonzerne, in Russland die Gaswirtschaft, in den Golfstaaten die Ölindustrie, in Australien, China und Polen die Kohlewirtschaft, in Frankreich die Atomlobby. Und weltweit die Luftfahrt, die Zement- und Metallindustrie. Der Druck zum Wandel wächst überall. Wer ihn verschläft, verschläft seine eigene Zukunft.
„Die Krise besteht darin, dass das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann.“
Antonio Gramsci
Die deutschen Autobauer, die sich – außer Mercedes – auf der Weltklimakonferenz in Glasgow 2021 noch geweigert haben, sich auf den Abschied vom Verbrenner-Auto ab 2040 einzulassen, werden dazugehören. 33 andere Länder haben sich zum Abschied vom Verbrennungsmotor bis 2040 bekannt. Dabei ist es absehbar, dass der Umstieg auf das E-Auto weit früher kommt. Mercedes hat im Januar 2022 ein E-Auto mit Solardach vorgestellt. Es verbraucht weniger als zehn Kilowattstunden auf 100 Kilometer und soll das effizienteste E-Auto der Welt sein. Meine Frau und ich fahren mit unserem E-Auto und mit Solarstrom vom eigenen Dach aus über dreißig Jahre alten Solarzellen so gut wie umsonst.
Viel mehr als heute denkbar ist, wird künftig elektrifiziert werden. Neben Autos und Heizungen in Zukunft auch Langstreckenflüge mit solar erzeugtem Wasserstoff, die Stahlproduktion, die Zementindustrie und die chemischen Grundstoffe.
Statt weiterer Zukunftsprognosen möchte ich lieber 18 Zukunftsthesen oder, wenn Sie so wollen, 18 Angebote des Überlebens aufstellen nach dem Motto, das Martin Luther King der Menschheit 1963 ins Gedächtnis einbrannte: „I have a dream“:
- Das „Wir“ ist wichtiger als das „Ich“ (Peter Spiegel). Dieses Wir ist freilich mehr als wir Menschen. Wir müssen endlich Abschied nehmen vom Anthropozentrismus. Das Prinzip der Zukunft heißt: Das Leben steht im Mittelpunkt – Menschen, Tiere und Pflanzen. Es geht um die Interdependenz allen Lebens. Denn alles ist mit allem verbunden und voneinander abhängig. Erst das Mitgefühl mit allen Geschöpfen macht uns wirklich zu Menschen. Wir werden lernen müssen, dass auch Insekten irgendwo leben und wohnen müssen. Es geht um Öko-Systeme, nicht um Ego-Systeme.
- Die gesamte Schöpfung basiert auf dem Prinzip von Abhängigkeit und Wechselwirkung: Ohne Insekten gibt es keine Bestäubung und ohne Bestäubung keine Frucht. Und ohne Frucht keine Nahrung und ohne Nahrung kein Leben. In der Tiefe ist alles eins. Das ist das Geheimnis der Schöpfung, die noch lange nicht „fertig“ ist.
- Wir müssen es schaffen, aus der heutigen Bedarfsweckungsgesellschaft eine Bedarfsdeckungsgesellschaft zu organisieren. 2020 sind die globalen Militärausgaben nochmals um 64 Milliarden US-Dollar auf irrwitzige 1981 Billionen US-Dollar gestiegen. Ursache hierfür sind Neid, Angst, Dummheit, übertriebenes Konkurrenzdenken und Machtstreben. Ideologien und Religionen. Politische und wirtschaftliche Systeme beherrschen uns mehr als das, was uns eint. Wenn wir aber erkennen, dass uns mehr eint als trennt, können wir zur Krone der Schöpfung aufsteigen und diese nicht länger zerstören.
- In den letzten drei Jahrhunderten seit der Aufklärung war ein sinnloses Leben in einem planlosen Universum der Freibrief für unsere ressourcenfressenden Gesellschaften. Wir können uns aber aus unserer „transzendenten Obdachlosigkeit“ (Thomas Lambert Schöberl) befreien, indem wir uns auf Religionsstifter und Weisheitslehrer oder auch auf moderne Bewusstseinsforscher wie C. G. Jung oder Stanislav Grof besinnen. Viele Umfragen zeigen, dass Geld und Besitz für die meisten Menschen wichtig sind, aber nur als Basis. Der wichtigste Glücksfaktor ist jedoch die Sinnhaftigkeit. Menschen sind glücklich, wenn sie das Gefühl haben, etwas zu einem sinnhaften Projekt beizutragen.
- Das Engagement für sozial Schwache und für Tiere ist beglückender als Aktiengewinne. Nicht Dollar und nicht Euro, nicht Pfund, nicht Lira und nicht Yuan, sondern einzig die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen ist die Leitwährung der Zukunft.
- Die Volkswirtschaft ist wichtiger als die Betriebswirtschaft.
- Wir brauchen dringend einen Finanzwechsel. Es ist ökonomischer Unsinn, dass die „wertvollsten“ Unternehmen wie Google oder Microsoft die höchsten Gewinne einfahren, aber am wenigsten Steuern bezahlen.
- Es ist unerträglich, dass in Corona-Zeiten, die unendliches Leid über Millionen Menschen gebracht haben, an den Börsen der Champagner floss.
- Es ist skandalös, dass global einige Dutzend Milliardäre über mehr Geld verfügen als die ärmere Hälfte der Menschheit, also 3,9 Milliarden Menschen. Und es ist unsäglich dumm und lächerlich, wenn drei Milliardäre sich einen Wettlauf in den Weltraum liefern und zu gleicher Zeit auf der Erde Millionen Menschen hungern. Die global vorgesehenen 15 Prozent Mindeststeuer sollten auf 25 Prozent erhöht werden. Nach der globalen Mindeststeuer, die erst 2021 beschlossen wurde, sollte auch ein globaler Mindestlohn von einem Dollar pro Stunde für die armen Länder beschlossen werden – der Mindeststundenlohn beträgt heute noch zum Beispiel in Bangladesch 25 Cent. Eine solche „Ein-Dollar-Revolution“ würde die Kaufkraft von hunderten Millionen armer Menschen über die Armutsgrenze heben und die Wirtschaft ihrer Länder stärken.
- Die heutigen Indikatoren des Bruttoinlandsprodukts sind grotesk und pervers: Je mehr Verkehrstote, desto besser fürs BIP. Ein Boom der Sargindustrie ist kein Indikator für mehr Wohlstand.
- Wir brauchen eine Revolution der Arbeit. Nicht Jobs um jeden Preis sind erstrebenswert für die Zukunft der Arbeit, sondern sinnstiftende und selbst bestimmte Jobs. Arbeiten wir, um zu leben oder leben wir, um zu arbeiten? Politiker sind sich nicht zu schade, klimaschädlichen Braunkohletagebau noch immer mit extrem wichtigen Arbeitsplätzen zu rechtfertigen. Dabei ist schon lange unbestreitbar, dass erneuerbare Energien Millionen neue und zukunftsfähige Jobs schaffen, weit mehr, als in der alten Energiewirtschaft verloren gehen. Der globale Umstieg auf erneuerbare Energien wird bis 2050 über 120 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass Deutschland jedes Jahr 400.000 Zuwanderer braucht, um seinen Wohlstand zu halten.
- Der Finanzkapitalismus macht aus Geld noch mehr Geld – ohne jeden Sinn und Verstand. Befriedigendes Einkommen kann aber nur aus sinnhafter Arbeit entstehen. Wir brauchen keine Maximierung der Geldumwälzung, sondern eine Minimierung der Verschwendung und Naturzerstörung.
- Schon eine geringe Finanztransaktionssteuer von vielleicht 0,2 Prozent bringt in Zukunft die Milliarden, die der Staatshaushalt braucht, um Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen besser zu bezahlen. Es ist völlig sinnlos, dass die höchsten Löhne bis zu 200mal höher sind als die niedrigsten.
- Immer größere Einkaufszentren am Stadtrand entleeren unsere Innenstädte, zerstören unsere Umwelt und vernichten Millionen Jobs beim Mittelstand und im Einzelhandel. Schon 1965 beklagte Alexander Mitscherlich in seinem Buch Die Unwirtlichkeit unserer Städte die Trostlosigkeit unserer Innenstädte sowie deren negativen Auswirkungen auf unser Seelenleben und warb stattdessen für ein „Planen für die Freiheit“.
- Bei 20 oder 25 Stunden sinnvoller Erwerbsarbeit pro Woche bleiben jedem Menschen Zeit für kreative Arbeit, für Familie, Partnerschaft und Kinder. Die Routinearbeit erledigen künftig Maschinen, die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz. In vielen Berufen muss man nicht mehr von Montag bis Freitag unendlich viel Zeit im Büro verbringen. Nicht alle, aber viele Jobs kann man gut in zwei oder drei Tagen pro Woche von zu Hause aus erledigen. Kürzere Arbeitszeiten und Home-Office oder eine sinnvolle Kombination von beidem können zur Routine werden. Das bringt weniger Reisezeit, weniger Stress sowie mehr Zeit für Familie und Freunde.
- Wir können von der Weisheit der Natur lernen: Kein Tier und keine Pflanze produziert nicht recycelbare Abfälle oder gar ihren eigenen Untergang. Noch nie hat eine Maus eine Mausefalle gebaut, aber Menschen bauen Atombomben. Die Atombombe ist die größte und gefährlichste Missgeburt unseres materialistischen Zeitalters. Leben meint Wandel, aber nicht Zerstörung. In der biblischen Schöpfungsgeschichte heißt es: „Gott, der Herr, brachte also den Menschen in den Garten Eden. Er übertrug ihm die Aufgabe, den Garten zu hegen und zu pflegen“ (Genesis 2,5). Von Zerstörung ist nicht die Rede. In Zeiten, in denen Wladimir Putin mit einer nuklearen Katastrophe droht, in Deutschland über längere Laufzeiten der noch laufenden drei AKWs zu diskutieren, ist einfach verrückt. Allein die Sonne schickt rund 15.000 Mal mehr Energie als die gesamte Menschheit heute verbraucht. Hinzu kommen die Windenergie, die Wasserkraft, die Bioenergie, die Geothermie sowie die Strömungs- und Wellenenergie der Ozeane. Die Welt ist voller Energie. Wir nutzen nur die falschen Energiequellen. Doch das lässt sich in wenigen Jahren ändern. Wenn sich die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts innerhalb von zehn Jahren vom Pferdefuhrwerk auf das Auto umgestellt hat, dann können wir uns heute im Zeitalter der Digitalisierung auch rasch und komplett auf erneuerbare Energien umstellen.
- Wir sollten die Umweltbilanz von Produkten durch einfache Zeichen oder Worte sichtbar machen: „nachhaltig“, „bio“ oder „öko“. Oder ein Totenkopf auf Schokolade, der signalisiert, dass zu viel Zucker Gift ist. Bei Zigaretten hat die deutliche Aufschrift „Rauchen tötet“ vielen Menschen das Leben gerettet.
- Die Zukunft der Natur und die Natur der Zukunft ist die Zukunft von uns Menschen. Die Erde ist die gemeinsame Heimat aller Lebewesen. „Alle Macht gehört allen Lebewesen“ (Stefano Mancuso). Die bestimmende Aufgabe des 21. Jahrhunderts ist, wieder Frieden mit der Natur zu schließen (UN-Generalsekretär António Guterres). Ohne Frieden mit der Natur wird es keinen Frieden unter Menschen geben.
„Mensch sein heißt Sinn finden“, schrieb Viktor Frankl, nachdem er vier Konzentrationslager überlebt hatte, in denen seine Mutter, sein Vater, sein Bruder, seine Schwägerin und seine Frau umgekommen waren. Gerettet hatte ihn das jüdische Gebet eines Mitgefangenen, das er auf einem Zettel gefunden hatte, der aus einem Gebetbuch herausgerissen war: „Liebe deinen Gott mit Herz und Seele, mit deiner ganzen Kraft.“ Er interpretierte diesen Text als Aufforderung, „Ja zum Leben zu sagen, egal womit es einen konfrontiert“. Frankls Bestseller Trotzdem Ja zum Leben sagen wurde ein Welterfolg und eines der wichtigsten Bücher der Menschheit in Krisenzeiten. Warum? Alle Weisheitslehren wissen, dass der Mensch kein vergänglicher Körper, sondern eine lebendige und unsterbliche Seele ist.
„Mensch sein heißt Sinn finden“. Das Scheitern vieler Menschen auf der Suche nach Sinn nennt Frankl „die Massenneurose der modernen Zeit“. Und: „Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Gefragte, der dem Leben zu antworten – dem Leben zu verantworten hat.“
Die uns allen angeborenen großen geistigen Ressourcen sind unsere Fähigkeit zu lieben, unsere Möglichkeit, nach Sinn zu suchen und unsere Lust nach Beziehungen. Die Stressforschung sagt uns erfreulicherweise auch, dass diese drei geistigen Ressourcen auch noch gesundheitsfördernd sind. Jeder Paartherapeut und jede Therapeutin bestätigt uns, dass unsere Verbundenheit mit anderen Menschen für unsere Gesundheit eine ganz besondere Rolle spielt. Das gilt auch für unsere Lust auf Zukunft. Gute Gene sind ja ganz hilfreich, aber gute Beziehungen sind nach meiner Lebenserfahrung wichtiger.
Der Sinn unseres heutigen Hierseins ist unsere Mithilfe bei den großen Überlebensthemen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Jede und jeder kann ein Pionier des Wandels sein. Wenn wir lernen, den Tod als Übergang in die geistige Welt anzuerkennen, dann verlieren wir die Angst vor dem Tod und ebenso auch viel Angst vor dem Leben und wir werden weniger raffgierig.
Religiöse Menschen wissen, dass wir nicht leben um zu sterben, sondern sterben um zu leben – in der geistigen Welt. Wer seine Angst vor dem Tod überwindet, überwindet auch seine Angst vor dem Leben – und bekommt Lust zu leben und Lust auf Zukunft.
Es liegt primär an uns selbst, ob wir im Leben Jäger sind oder Gejagte. Dabei können Empfehlungen helfen, die der innovative Neudenker Rüdiger Fox in seinem Buch Der 0,1-Prozent-Joker vorschlägt: „SPIELEN! Leute! SPIELEN! Für mehr Kreativität und Kooperation in angstfreien Räumen“.
Geist ist der Urgrund allen Seins. Alles, was in unserer Welt entsteht, ist zuerst geistig. Schöpfung kann nur aus Geist erfolgen. Deshalb sind Achtsamkeit, Meditation, tiefes Gebet, Träume, die Betrachtung innerer Bilder wie Liebe, Freude, Dankbarkeit und ein Innehalten reine innere Quellen, aus denen wir Kraft und Energie schöpfen können. Diese Quellen fließen unerschöpflich, weil sie göttlich sind. Diese in jedem und jeder von uns fließenden Quellen sowie wissenschaftliche Forschung sind die Instrumente zur Beschleunigung der menschlichen Entwicklung. Das ist der Wissensschatz der gesamten Menschheit, die Summe aller Weisheitslehren, das Yoga unserer Zeit und aller Zeit.
In jedem Menschen
und in jedem Tier,
in jedem Baum
und in jeder Pflanze
erkenne ich einen Ausdruck
und einen Abdruck,
einen Spiegel und ein Siegel
göttlicher Intelligenz,
göttlicher Weisheit,
göttlicher Kreativität und
göttlicher LIEBE.
Drei Nächte, nachdem ich dieses Gedicht geschrieben hatte, sah ich im Traum die Schrift an einer Wand: „Alles kommt von Gott.“
Schon heute sind Sonnen- und Windenergie weit preiswerter als die alten fossil-atomaren Energieträger. Und diese alten Energien werden durch Putins Krieg immer noch teurer. Erneuerbare Energien hingegen machen uns unabhängig von Potentaten wie Putin oder von arabischen Ölscheichs. Um den Klimawandel zu überstehen, müssen wir neben der Energiewende unsere Städte grüner bauen, Wälder und Moore schützen, die Landwirtschaft grüner gestalten, mehr Pflanzen statt Fleisch essen, die Natur schützen statt sie weiter ausbeuten. Die Lösungen sind alle längst bekannt. Wir setzen sie nur zu langsam um. Der letzte Bericht des Weltklimarats sagt: Die Klimakrise ist kein Schicksal, aber uns läuft die Zeit davon.
Noch überweisen die EU-Länder Wladimir Putin täglich etwa eine Milliarde Euro in seine Kriegskassen. Allein diese Zahl beweist, wie die Klimakrise und der Frieden zusammenhängen. Nur erneuerbare Energien sind „Freiheits-Energien“ wie sie Christian Lindner in einer bemerkenswerten Rede im Bundestag bezeichnet hat. Ich füge hinzu: Erneuerbare Energien sind auch Friedens-Energien.
Probleme, die Menschen geschaffen haben, können auch von Menschen gelöst werden. Es gibt immer Alternativen.
- [i] https://www.zeit.de/thema/russland
- [ii] https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-09/klimapolitik-gruene-fdp-klimaschutz-liberalismus-sondierung-bundestagswahl
- „In tiefer Sorge: Was jetzt zu tun ist, um die Welt zu retten“ Ein Appell – Mit Beiträgen von Franz Alt, Thilo Bode, Bärbel Höhn, Hannes Jaenicke, Dirk Roßmann, Christine von Weizsäcker, Ernst Ulrich von Weizsäcker u. a. / LUDWIG Verlag 2022