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Kann es eine ethisch gute Bank geben?

Der Titel erscheint total falsch: Good Bank. Und weil der Titel falsch ist, nimmt man ihn englisch, das kling schöner. Ein Buch zu einem neuen Modell von Bank. Von Rupert Neudeck

„Geld gleicht dem Seewasser. Je mehr davon getrunken wird, desto durstiger wird man.“

Der Untertitel weist darauf hin, dass es bei Banken eben doch solche und solche gibt: „Das Modell der GLS Bank“. Falsch scheint es uns aus der 68er Generation, weil wir ja nun mit dem Satz von Berthold Brecht und den Bildern des mythischen Filmpaares Bonnie and Clyde aufgewachsen sind: „Was ist der Raub einer Bank gegen den Besitz einer Bank“??

Da kommt dieses Buch, das sich zu seinen Wurzeln im anthroposophischen Bereich bekennt, gerade Recht. Am Beispiel der weltweit ersten sozial-ökologischen Bank, der GLS-Bank beschreibt Autor Caspar Dohmen, wie man sich „Good Banking“ vorstellen kann.

Das Buch hat seinen Charme darin, dass es sich anbietet als P.R. im besten Sinne für diese in Deutschland bekannt gewordene ökologisch orientierte Bank und als Plattform für verschiedene Autoren, die nicht unbedingt identisch sind mit der GLS Bank.

Einem einleitenden Essay folgt immer ein Gespräch mit einem Experten, der mit der GLS-Bank in irgendeiner Hinsicht zu tun hat. Das ist das erste Gespräch mit Rolf Kerler, dem Bankbegründer: „Neue Banken braucht das Land“, dann das Interview mit der Finanzexpertin Antje Schneeweiß: zu dem „Moralischen Mehrwert“.

Das Gespräch mit Schneeweiß hat den Charme der freundlichen Transparenz. Ethische Standards sind nicht auszurechnen. Man habe in den vergangen Jahren die ethischen Geldanlagen stark an die Methoden der Betriebswirtschaft angelehnt. Antje Schneeweiß: Das sei ein Fehler. Letztlich sei es eine geisteswissenschaftliche Frage, ob etwas ethisch sei oder nicht. Da werden oft Unternehmen empfohlen oder Länder, die sich dann als faul und unethisch herausstellen. So habe man in einem Fonds diskutiert, ob man Tunesien aufnehmen kann.

Das Land hatte ein „gutes Finanzstärkerating. Die gängigen Indikatoren stuften das Land ebenfalls hinsichtlich der Regierungspraxis und der Stabilität als gut ein“. Dann habe sich ein Menschenrechtsexperte in dem Gremium zu Wort gemeldet und auf die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht. Das war noch vor der tunesischen Revolution. Die mit dem Sturz des Präsidenten endete. „Die Indikatoren zeigten das nicht an. Wir haben uns daraufhin gegen den Kauf von tunesischen Staatsanleihen entschieden. Ein paar Monate später kam die Revolution.“

Mit dem Geschäftsführer des tapferen Microcreditinstituts Oikocredit, Tor Gull wird das dritte Kapitel beschlossen. Dann kommt es zu einem Höhepunkt des ökologischen Zeitgesprächs, zum Interview mit dem Ökonom Hans Christoph Binswanger, Titel: „Die zweite  Revolution“  In der modernen Wirtschaft gebe es einen Wachstumszwang. Und darin liegt das Problem. Das ist auch das Problem bei einer intensiveren Landwirtschaft. Man muss die Nutzung dem Jahreszeitenrythmus, der Aussaat und der Ernte anpassen. Und man müsse geduldig auf das Wachstum der Pflanzen warten. Das liegt nun total quer zum kapitalistischen Grundsatz Nr. eins und zu der mentalen kapitalistischen Haltung, die wir alle mit uns herumschleppen: Weder mögen wir Geduld, noch halten wir Warten für etwas, was die Produktion erhöht und anreizt.

Binswanger: Es genügt nicht, dass Ressourcen erneuerbar sind, sie müssen auch zurückhaltend genutzt werden. Damit sie erneuerbar bleiben. Viele meinen, „die Nutzung von erneuerbaren Energien wäre per se gut. Dann kommt es z.B. zu einem wahnsinnigen Ausbau von Palmölplantagen für die Nutzung von Biosprit“.

Dann traut sich der Autor, einen wahrhaften Jesuiten zu interviewen, den Sozialethiker und Nachfolger des Helmut Schmidt und Norbert Blüm-Beraters Oswald von Nell-Breuning, Friedhelm Hengsbach SJ. Dieser Mann kann nicht Pessimist sein. Wann immer und wo immer man sich zusammentut, kommt eine gesellschaftliche Bewegung in Gang: „Der Protest gegen Hartz IV, die Atomkraftproteste und die Bürgerbewegung gegen Pharaonenprojekte der Bahn in Stuttgart haben das Potenzial des Volkes zur Veränderung bewiesen“. Im Gespräch geht es auch wie an anderen Stellen des Buches um die Frage, ob wir in Deutschland und Europa die Megabanken überhaupt brauchen? Hengsbach: „Je größer eine Bank ist, desto gefährlicher ist sie“. Aber auch bei den kooperativen Bankenmodellen gibt es falsche Haltungen.

Viele Sparkassen, meint Hengsbach, wären „am liebsten eine kleine Deutsche Bank“. Wie da beim Sparkassentag in Stuttgart inszeniert wird: „Da laufen sie in Viererreihe, der Ministerpräsident, mit den Sparkassenpräsidenten im Gleichschritt auf dem roten Teppich nach vorne. Das ist alles nicht mehr Sparkasse. Sie müssten zurück zum Small is beautiful“.

Das Buch wird fortgesetzt mit dem Thema selbstbestimmte Bildung und einem Gespräch mit dem Vorstandssprecher der GLS Bank Thomas Jorberg, der den Bedarf an den ganz anderen Banken höher einschätzt. 12 Mio Deutsche hätten ein Bedürfnis nach alternativen Formen der Bank, einer Bank eben, die sich soziale und ökologische Kriterien leistet.

Im Schlusskapitel äußert sich das eher raubeinige Attac Gründungsmitglied und Abgeordneter im Europäischen Parlament, Sven Giegold. Halbwegs vernünftiges Wirtschaften sei nur möglich, wenn sich die Marktteilnehmer untereinander vertrauen. Das tun sie aber in der gesellschaftlichen Realität gar nicht. Auch deshalb gibt es so viel Verdrossenheit in Deutschland mit Wirtschaft und Politik. Praktisch sieht der MdEP eine neue Destabilisierung des Bankensystems. Und zwar dann, wenn wir keine Mechanismen haben, einen erneuten Dominoeffekt aufzuhalten.

Das Buch verspricht einiges, macht Zuversicht. Vor der Zentrale der GLS Bank in der Christstrasse in Bochum liest der Besucher auf einem großen Transparent den mahnenden Satz, der das Buch ironisch  zusammenhält: „Geld gleicht dem Seewasser. Je mehr davon getrunken wird, desto durstiger wird man.“

Quelle

Rupert Neudeck 2011Grünhelme 2011

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