Möllers Gewissen
Andreas Möller entlarvt sich als Energiewende- Gegner und verheimlicht seine eigenen Interessen. Buchrezension von Claudia Kemfert
Andreas Möller hat in seinem Buch „Das grüne Gewissen“ die Absicht, das grüne Denken und Leben als Mythos zu entlarven, als eine Art Realitätsflucht der so genannten „Generation Landlust“. In dem 244 Seiten- langem Buch versucht Andreas Möller seine Thesen des „grünen Irrationalismus“ zu erklären und zu untermauern, anhand von vielen Beispielen und nahezu endlosen Zitaten aus der Literatur.
Die lyrische anmutende Sprache soll ablenken um was für ein Buch es sich in Wirklichkeit handelt: eine Kampfschrift gegen Umweltschutz, nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutz. Als Beweise einer „grünen Ersatz-Religion“ führt er eine steigende Impfmüdigkeit, Hausgeburten, das Soja- Milch Trinken, das Ausüben von Yoga, die Bewirtschaftung des eigenen Gartens oder das Kaufen von Bio-Produkten an.
Die Energiewende ist für ihn eine Ausgeburt der Romantik, die als eine rein emotionale Reaktion ohne klaren Verstand aufgrund nicht realer sondern gefühlter Risiken gefällt wurde. Er unterstellt, dass die Begrenzung des Wachstums ein Protest gegen Veränderungen sei, dass es eine Dauerpräsenz von Umwelt in gesellschaftlichen Debatten gäbe, die nur ein Ziel haben: innovative Technik zu verhindern und zurück zur Natur zu wollen.
Er unterstellt den Personen, die sich für Umweltschutz engagieren, den Menschen selbst aus der Natur entfernen zu wollen: angeblich wünschen sich Umweltschützer eine unverbrauchte Natur zurück, ohne zerstörerischen Mensch.
Dabei unterstellt er eine aggressive „grüne Ideologie“, eine totale Verblendung der Realitäten, eine Technikfeindlichkeit, die eine Art „Wohlfühl- Welt“ retten zu wollen, welche es aber ohnehin nicht mehr gäbe.
Der Autor behauptet, dass die Klimaschutzmaßnahmen ins Leere laufen oder sich sogar ins Gegenteil verkehren, weil sie den Preisanstieg fossiler Energien bremsten. Die erneuerbaren Energien erklärt er für unwirtschaftlich, aus seiner Sicht seien die Kosten der Energiewende ungleich höher als die der Atomenergie und fossiler Energie.
Fast melancholisch und vor allem wehmütig schlendert der Autor durch das stillgelegte Atomkraftwerk Rheinsberg, die Schilderungen muten nur allzu romantisch an. Hoch-radioaktiver Atommüll verliert in seiner Schilderung „ganz natürlich“ seine Strahlung. All diese Darstellungen, massiven Unterstellungen und Behauptungen werden in einer unglaublich verschwurbelten Sprache angehäuft, die jeden Kritiker einschüchtern und ungebildet darstellen lassen soll.
Die vielen Unterstellungen in diesem Buch werden nicht belegt, sondern durch angeblich schizophrene Lebenswelten am Prenzlauer Berg oder in Kleinstädten mit und ohne heimischen Metzger untermauert. Doch der Autor hat in vielen Punkten einfach unrecht: Die Diskussionen um die Begrenzung des Wachstums ist keine „Wohlfühl- Welt“ auslebender Technik- und Innovationsfeinde mit dem alleinigen Ziel Veränderungen aufzuhalten und eine Natur ohne Mensch zu erzwingen.
Es gibt sie wirklich, die realen Begrenzungen des Wachstums, und die Risiken durch Technologien: sei es durch knapper werdende fossile Energien, dem einsetzenden Klimawandel, die Umweltschädigungen oder die Atomkatastrophe von Fukushima.
Dies ist Realität, und kein Angst -Szenario von Naturschützern. Die Kernschmelze, die Schäden radioaktiver Strahlung in Japan ist kein „gefühltes“ Risiko hysterischer Atomkraftgegner. An eben diesem 14. März 2011, als der Autor seinen „kleinen, aber wunderschön gezeichneten“ Hecht aus dem kleinen Fluss Rhin im Norden Berlins zog, wurde das Atomkraftwerk Fukushima ein weiteres Mal von einer schweren Detonation erschüttert und durch eine Wasserstoffexplosion zerstört. Die Kühlsysteme versagten, es drohte eine Kernschmelze, wie selbst der japanische Regierungssprecher am Abend des 14. März 2011 einräumte.
Nahezu alle Unterstellungen und Behauptungen lassen sich mit Gegenbeispielen und realen Begebenheiten widerlegen. Doch um eine sachliche Debatte scheint es dem Autor nicht zu gehen. Ihm ist eine Lächerlichmachung aller gesellschaftlichen Aktivitäten für den Umwelt- und Klimaschutz lieber.
Er selbst entlarvt sich dabei als Energiewende- Gegner und verheimlicht seine eigenen Interessen. Entscheidend ist, was uns der Autor nicht mitteilt, für wen er in der wahren Welt arbeitet: nach der Mitarbeit bei der deutschen Akademie für Technikwissenschaften Acatech, welche in jüngster Zeit durch klimaskeptische Studien in der Wissenschaft negativ aufgefallen sind, ist er zu einem Unternehmen gewechselt, welches die Energiewende vehement ablehnt und bekämpft: Europas größter und sehr energieintensiver Kupferproduzent Aurubis
Mir erscheint das Verschweigen auch dieser Tatsache als ein weiterer Beleg, dass der Autor Andreas Möller genau zu eben diesen Energiewende Gegner gehört, die ich in meinem Buch „Kampf um Strom“ eindringlich schildere: wie Graffities werden Zweifel und Skepsis an dem Projekt der Energiewende gemalt, Klima- und Umweltschutz lächerlich gemacht, ohne die wahren wirtschaftlichen Interessen deutlich zu machen.
Andreas Möller ist selbst ein Ideologe, der Mythen verbreitet, genauso wie er es seinen angeblichen Gegnern vorwirft. Das Buch ist eine große Enttäuschung, der Autor selbst genauso unehrlich wie andere Energiewende-Gegner im „Kampf um Strom“.
Quelle
Claudia Kemfert 2013