Ungebremste Waffenexporte
Bombengeschäfte am Potsdamer und Pariser Platz. – Von Rupert Neudeck
Was das Buch von Andrew Feinstein für den globalen Waffenhandel (Hamburg 2012) bedeutet, das bringt uns Hauke Friedrichs mit einem ähnlich gut gearbeiteten Buch über die Bombengeschäfte für die Waffenindustrie in der deutschen Bundesrepublik. Beide Bücher bringen uns – um mit Kant zu sprechen – zurecht. Sie sorgen dafür, dass wir den Kampf gegen die Kriege und den Kampf für den neuen noch nicht wirklich begründeten Frieden anders führen müssen. beide Bücher bestehen darauf und haben nicht viel Mühe, uns davon zu überzeugen, dass der Bedarf an Waffen zurückgehen muss, weil er durch immer wieder neu erzeugte Kriege und reale und künstliche Bedrohungen hochgeschrieben wird.
Nachdem wir noch in unserer ersten Bewusstheit als Studenten glaubten, es würde überhaupt nichts mehr Großes geben dürfen mit einer deutschen Armee, zumal wir ja mit der Aufarbeitung des schreckliches Loches in deutscher Geschichte noch gar nicht fertig waren, begannen 1960 schon deutsche Firmen mit dem Waffenexport. Nicht nur mit der Produktion von Rüstungsgütern. Es waren auch klingende Namen, die zu dem Hitler-Desaster entscheidend beigetragen hatten: „Selbst Rüstungsmagnaten wie Flick und Krupp, die sich in Nürnberg noch bei den Kriegsverbrecher-prozessen verantworten mussten, durften wieder Rüstungsgüter produzieren“.
Das wird in Friedrichs Buch sehr gut klar. Noch 1948 hatte der große Sozialdemokrat Carlo Schmid wahrhaftig und für uns alle einleuchtend erklärt: im Grundgesetz müsse eine unverklausulierte Erklärung abgegeben werden, „dass in Deutschland keine Kanonen mehr gebaut werden sollten, weder für uns, sondern auch für andere nicht“, war das schon 1960 alles Makulatur. Bis heute.
Der Bedarf an Waffen geht nicht zurück. Dafür sorgen vor allem mehr Kriege und mehr bewaffnete Konflikte als vorher. Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Hamburger Uni zählte 2011 36 bewaffnete Konflikte und 25 Kriege. Darin stimme ich übrigens nicht mit dem Autor überein: Afghanistan ist nicht der erste Bodenkrieg der Deutschen. Aber da er kriegsähnlich oder umgangssprachlich „Krieg“ genannt wird, sollen da eben alle unsere Waffen hinkommen und sie kommen ja auch dahin. Kämpfen mussten die Deutschen bisher nicht. Weder mit den 2.500 Mann im Kosovo, noch mit den 5.300 in Afghanistan.
Das sind alles Übungen, im Aufbau von Feldlagern, bürokratische Übungen. Aber sie tragen dazu bei, dass mehr und more sophisticated weapons erfunden und gebaut werden. Und, das Buch kommt zur richtigen Zeit, denn wir sind Zeugen und uns stockt der Atem, dass Deutschland nach den USA und Russland der dritte Waffenexportweltmeister geworden ist.
„70 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist Deutschland der größte Rüstungsexporteur der Europäischen UNION“. Nein, unser Wertekostüm ist so durcheinander, dass die Regierung am besten abtaucht, wenn es zu der Beratung der Genehmigung des Exportes von mindestens 270 Leopard Panzern nach Saudi Arabien kommt. Dann beruft sie sich auf ein Geheimhaltungsgebot. Merkwürdig, so undemokratisch haben sich Parteien noch nicht in Deutschland nach 1949 benommen. Statt einer eigenen Kontrolle unserer Waffenexporte haben wir die Kontrolle Israels.
Wenn Israels einen Deal abnickt, gibt es in deutschen politischen Zirkeln keine Debatte mehr. Oder eine abseitige Stiftung mit einem fast komischen Titel („Politische Schönheit“) sorgt dafür, dass die Debatte mal für zehn Tage auftaucht. 1 Als der Deal über die 270 Leopard Panzer mit Saudi Arabien schon unterwegs ist, hat diese Stiftung für Politische Schönheit Anzeige gegen Unbekannt gemacht und die Konterfeis derer an die Rampe in Berlin gebracht, die die Eigner und Besitzer dieser Firma sind: Krauss Maffei Wegmann.
Dass mit dem Deal für Saudi Arabien alle Grundsätze weggeworfen wurden, die zumindest für sozialdemokratische Außenpolitik ehern gültig waren, macht Helmut Schmidt in einem eindringlichen Interview deutlich, das dem Buch in jeder Hinsicht des Wortes voransteht: „Ich hatte nie die Absicht, Panzer nach Saudi Arabien zu liefern“. Schmidt sagt es klipp und klar, wie es seine große neue Rolle geworden ist: Die Lieferung von Leopard 2 Panzern nach Saudi Arabien sei eine „Neuausrichtung der Exportpolitik“. Angeblich geschähe die Lieferung von Panzern an Saudi Arabien mit dem Einverständnis Israels. „Eine solche Zustimmung Israels hat es früher nicht gegeben. „Aber selbst mit Einverständnis Israels hätten wir damals keine Panzer geliefert“.
Das Buch enthält in knapper Gliederung einen Überblick über den deutschen und via Globalisierung auch den Welt-Rüstungsmarkt. Im ersten Kapitel geht es um den Planet der Waffen, den „Weltmarkt ohne Regeln“. Dazu sind die Firmen und die Bestechungen zu gewaltig, als dass man Regeln einhalten könne. Im zweiten Kapitel geht es um die Waffen- Messen, die Frühjahrsmesse in Paris, die Herbstmesse in Istanbul. Das wichtigste Kapitel handelt von dem Kampf für die Flugverbotszone in Libyen, der dann in eine Luft- und Boden-Materialschlacht mündete – ohne Soldaten am Boden. Kriege sind immer gut für das Ausprobieren neuer leckerer und teurer Waffen. Deshalb sind Israel und die USA bei der weltweiten Rüstungslobby auch so beliebt. Sie führen immer irgendwo Krieg oder sie planen ihn.
Friedrich geht den globalen Geschäften nach, die deutsche Rüstungsmultis machen, die zumeist auch eine eigene Firmen Gründung in den Ländern der besten Exporte einrichten. „Mit Joint Ventures auf den internationalen Markt“. Er bietet dann noch die Porträts von einzelnen Kleinstädten in Deutschland, die ganz von der jeweiligen Rüstungsschmiede charakterisiert werden, so die „Waffenstadt am Neckar“ Oberndorf, die Sturmgewehre aus dem Schwarzwald, die Patrouillenboote und U-Boote aus den deutschen Werften.
Das Kapitel über die mächtigsten Lobbyorganisationen in Berlin in den vornehmsten und dem Kanzleramt und dem Paul-Löbe Abgeordnetenhaus nächsten Immobilien ist eine Ansammlung von höchsten machtgeilen Abkürzungen. Dort im China Club (Aufnahmegebühr 10.000 Euro) oder in den Büros der Rüstungslobby um den Pariser Platz werden die Geschäfte gemacht. Dort sind auch die Büros der US-Rüstungsgiganten Lockheed Martin und Boeing. Am Pariser Platz sitzt Krauss Maffei Wegmann in direkter Nähe zur US- Botschaft. In der Friedrichsstrasse 60 hat sich die Geschäftsstelle des Bundesverbandes der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie eingenistet (BDLI).
Nachbar ist hier TKMS, Thyssen Krupp Marien Systems. Besonders wichtig der Bundesverband deutscher Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Präsident der Chef der Bremer Lürßen Werft; Friedrich Lürßen. Man schafft es, den Minister zu einem parlamentarischen Abend dorthin zu locken und ihm das Bekenntnis zu entlocken, „Rüstungsgüter im Rahmen der politisch vorgegebenen Auflagen zu exportieren“. Der SPD-Abgeordnete Kossendey und der SPD-Staatssekretär Wilhelm Adamowitsch (heute Geschäftsführer des BDSV) stehen dafür, dass es nicht nur die Partei der Unternehmer ist (FDP) und die CDU/CSU die für die Rüstungslobby sich schlägt, sondern auch vitale Kräfte der SPD.
2 Ein erschreckendes Buch. Denn deutsche Waffen können nur irgendwo auftauchen, wenn sie der Bundessicherheitsrat und die BAFA in Eschborn genehmigt hat. Wie aber kann es denn dazu kommen. Wenn dann irgendwo wie z.B. in Georgien deutsche Sturmgewehre von Heckler und Koch auftauchen, ohne dass die Regierung einen Export genehmigt habe, hat unsere Regierung kein großes Interesse daran aufzuklären. „Aufgrund der letzten Reaktionen von georgischer Seite auf deutsche Ersuchen erschien eine weitere Verfolgung der Angelegenheit nicht aussichtsreich.“. Wie die Sturmgewehre von Heckler und Koch nach Georgien gelangten, ist bis heute unklar. Ähnlich unklar und das betrifft die Kanzlerzeit von Helmut Schmidt, sind deutsche Waffen, auch deutsche Landminen nach Somalia gekommen.
Die damals nach Belet Qwen entsandten deutschen Blauhelmsoldaten bekamen ein Soldatenbuch in die Hand, in der sie vor Deutschen Landminen im Boden Somalias gewarnt wurden. Später 2011f wurden in den Depots von Gaddafi auch Sturmgewehre der deutschen Firma Heckler und Koch gefunden, die ohne Exportgenehmigung nach Libyen gekommen waren. Libyen durfte sich überall Waffen besorgen. 2009 – 2004 wurde Gaddafi der gute Junge – konnte Libyen noch Rüstungsgüter aus den EU Staaten im Wert von 343 Millionen Euro einkaufen, darunter waren italienische und belgische Kleinwaffen, gepanzerte Fahrzeuge aus Deutschland und Bomben und Raketen aus Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien.
Es werden also nicht, wie der Altkanzler erklärt, immer nur Waffen an Verbündete geliefert. Das Buch hindurch drängt sich dem Leser fast stärker als dem Autor, der natürlich über den Erfolg seiner eigenen Recherchen sehr zufrieden ist, eine klar Erkenntnis auf: Die nationalen Waffenindustrien werden nie zureichend national kontrolliert und beherrscht. Dagegen stehen schon die Summen, die die CDU von Volker Kauder und die FDP von Ernst Burgbacher zugewiesen bekommen. 20.000 Euro an die FDP, 70.000 an die bedeutendere CDU. Nein, national werden die Mechanismen nie mehr greifen. Einmal weil die Firmen mittlerweile über eine Zweigfirma die eigenen Waffen in Lizenz bauen lässt. Und weil es nur dann eine Existenzberechtigung für Waffenträger und Waffenproduktion geben kann, wenn sie ganz fest international eingebunden wird. Sowohl, was die Waffenproduktion angeht, die man nicht dem freien Markt überlassen darf, wie auch was die Blauhelmkontingente angeht, die auch aus der nationalen Souveränität entlassen und dem UNO-Generalsekretär unterstellt werden müssen.
Die Skandale sind vorprogrammiert. Und dass man als Rüstungsgegner und Pazifist und Journalist in Oberndorf nur landen könnte, wenn man der Firma ein sicheres Konzept für die Konversion auf Kühlschränke oder Ventilatoren anbietet, aber nicht das Ende der Waffenproduktion allein vorschlägt. Die Moral versteht sich ja nicht von selbst. Die Waffen kommen überall hin, sogar zu den verbrecherischen Drogendealern in Mexiko wie zu der amerikanischen Privat-Söldnerfirma Blackwater.
2008 sei das an den Tag gekommen. Das für uns Deutsche besonders anrüchige private Unternehmen Blackwater sei in Afghanistan und im Irak erkannt worden als mit Waffen aus Oberndorf von Heckler und Koch ausgerüstet. „Die Lieferung von Rüstungsgütern ist nach deutschen Gesetzen lediglich an staatliche Stellen, nicht aber an Privatkämpfer möglich“. Ja, wie sagte Immanuel Kant in seiner Schrift, dessen Überschrift er so drechselte: „Über den Gemeinspruch: das mag in der Theorie richtig sein, tauge aber nicht für die Praxis“
Die Grünen haben die Schweinerei herausbekommen. Aber sie müssen mehr tun, weiter gehen, nicht im nationalen Mief und Schlamm stecken bleiben, was sie aber bisher tun: „Über eine Tochterfirma in den USA umging der deutsche Waffenhersteller die Genehmigungspraxis. Heckler und Koch und Blackwater entwickelten nach eigenen Angaben eine gemeinsame Waffe und veranstalteten in den USA Lehrgänge für den Kampf mit Waffen von Heckler und Koch“. Bei so viel Erfolg haben die Grünen vergessen, dass die Weltgemeinschaft mit einer solchen Firma wie Blackwater nichts zu tun haben soll, sie muss in ihrer Existenz beendet werden.
Quelle
Rupert Neudeck 2012Grünhelme 2012