40 Prozent aller Amphibienarten vom Aussterben bedroht
Eine aktuelle Studie unter Federführung von Prof. Dr. Stefan Lötters von der Universität Trier zu den Vorkommen von Harlekin-Kröten aus Süd- und Mittelamerika enthält eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die gute Nachricht: Die Forschenden konnten in ihrer Untersuchung mehr als 30 bereits ausgestorben geglaubte Arten der Harlekin-Kröten dokumentieren. Die schlechte Nachricht: Speziell diese Kröten könnten in Zukunft verstärkt unter dem Klimawandel leiden. Zudem stehen die Tiere als Fallbeispiel stellvertretend für die anhaltend starke Bedrohung aller Amphibienarten weltweit. Diese Hiobsbotschaft verbinden die Forschenden mit einem deutlichen Appell: „Es ist jetzt wichtiger denn je, die Bemühungen fortzusetzen und zu verstärken, um dem Notstand zu entkommen, den die Amphibienkrise immer noch darstellt.“
Die Erde beheimatet fast 9.000 Amphibienarten. Seit mehr als 100 Jahren leiden diese Tiere unter den Folgen von Abholzung, Landwirtschaft, Entwässerung von Feuchtgebieten, landwirtschaftlichen Chemikalien und Umweltverschmutzung. Laut der kürzlich aktualisierten Roten Liste der Internationalen Naturschutzorganisation International Union for the Conservation of Nature (IUCN) sind 40 Prozent aller Amphibienarten vom Aussterben bedroht. In jüngster Zeit sind neuartige Bedrohungen aufgetaucht. Dazu gehören der Klimawandel und durch den Menschen weltweit verbreitete Pilze, die bei Amphibien gefährliche bis tödliche Hautinfektionen verursachen.
Gezielte Maßnahmen
Bereits vor 30 Jahren haben Forscher, Naturschützer und andere Interessengruppen die Krise der Amphibien erkannt. Dank verschiedener Initiativen auf globaler, regionaler und lokaler Ebene konnte das Wissen über die Ursachen des Rückgangs von Populationen, die dahinterstehenden Mechanismen und die Wechselwirkungen zwischen den Bedrohungen erheblich erweitert werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse konnten gezielte Maßnahmen ergriffen werden, etwa zum Schutz natürlicher Lebensräume oder eine begleitende Zucht in menschlicher Obhut. Auch Krankheiten und ihre Erreger sind jetzt besser bekannt.
Dennoch ist es schwierig, den Stand der Amphibienkrise exakt zu beurteilen. Die Bedrohungen und die Anfälligkeit sind nicht bei allen Arten gleich und zu vielen hat die Wissenschaft nicht genügend Informationen. Amphibien, die stärker leiden, stellen „Worst-Case-Szenarien“ der Amphibienkrise dar. Zu ihnen gehören Harlekin-Kröten der Gattung Atelopus, von denen mehr als 130 Arten bekannt sind. Es handelt sich um kleine, oft farbenfrohe und tagaktive Tiere, die in Tiefland-Regenwäldern bis hin zu den moorähnlichen Paramo-Landschaften oberhalb der Baumgrenze in den Anden vorkommen.
Trends über zwei Jahrzehnte
Wissenschaftler haben seit den frühen 1990er-Jahren Daten zu ihrem Populationsstatus erhoben. Darauf konnten Lötters und 99 Kolleginnen und Kollegen, überwiegend Naturschützende und Forschende aus den Ländern, in den Harlekin-Kröten leben, in ihrer kürzlich in der Zeitschrift „Communications Earth and Environment“ veröffentlichten internationalen Studie aufbauen. Sie verglichen Daten zum Populationsstatus dieser Amphibien von 2004 und 2022, um die artspezifischen Trends in den letzten zwei Jahrzehnten zu untersuchen.
Ihre Studie bestätigt, dass die massiven Bemühungen von Wissenschaftlern, Naturschützern und lokalen Gemeinschaften zum Schutz der Tiere Erfolg hatten, beispielsweise anhand des Überlebens der 30 Arten, die als ausgestorben galten. Diese Entdeckung, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sei aber kein Grund für Entwarnung. Da die Atelopus-Arten sehr empfindlich auf Bedrohungen reagieren, ist ihr Bestand weiter vom Aussterben bedroht. Die Studie zeige zugleich, dass sich der Erhaltungszustand aller Amphibienarten nicht verbessert hat. „Ohne diese Investitionen in den Schutz der Tiere sowie die Arbeit und die Leidenschaft engagierter Akteure wären heute viele Amphibienarten bereits ausgestorben“, stellt Professor Stefan Lötters fest.