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„70 Prozent der normalen Vegetation auf der Krim ist komplett vertrocknet“

2014 hat Kiew den Nord-Krim-Kanal geschlossen, von dem die Landwirtschaft der Krim zur Wasserversorgung abhängt. Damit wird auch politischer Druck ausgeübt, der in Medien ausgefochten wird. Von Florian Rötzer

Der stellvertretende Minister für die vorübergehend besetzen Gebiete und Binnenflüchtlinge Yuriy Hrymchak sagte am Montag dem ukrainischen Onlinemedium Obozrevatel, dass die Krim, die weitgehend vom Wasser aus der Ukraine abhängig ist, austrocknet. Die „Besatzer“ könnten dagegen nichts machen.

Die Krim ist fast vollständig vom Dnepr-Wasser aus der Ukraine abhängig, das durch den 400 km langen, bis zu 12 m breiten und 6 m tiefen Nord-Krim-Kanal über die Landenge von Perekop in die Krim kommt. Kiew hat nach der Annexion der Krim das Wasser abgedreht.

„Wir überwachen das Gebiet der Krim mit Satelliten“, führte er weiter aus. „Heute ist mehr als 70 Prozent der normalen Vegetation komplett vertrocknet. Einfach gesagt, vertrocknet die Krim, die auf Kosten des Wassers von der Ukraine gelebt hat, vollständig.“ Nach Angaben des Ministers habe es aus Russland keine Aufforderung gegeben, die Wasserversorgung wiederherzustellen. Die Russische Föderation sei auch für die Trinkwasserversorgung verantwortlich.

Unter gewissen Bedingungen könne man die Wasserversorgung über den Nord-Krim-Kanal, der seit 2014 von Kiew blockiert wurde, wiederherstellen. Die Bedingungen sind allerdings so irreal, dass Moskau nicht darauf eingehen wird. Nach Hrymchak müsste Russland die Soldaten aus der Krim abziehen, die Halbinsel zurückgeben und Entschädigung für die verursachten Schäden zahlen.

Nach dem Minister sei Russland, das mit großer Geschwindigkeit Mitte Mai mit einer 19 km langen Brücke eine Straßenverbindung zwischen Russland und der Krim eröffnet hat – ab 2019 soll auch eine zweite Brücke mit Bahngleisen fertiggestellt sein -, aufgrund hoher Kosten nicht imstande, die Krim mit Wasser zu versorgen.

Das Wasser müsste entweder vom Festland aus transportiert oder mittels einer Meerwasserentsalzungsanlage gewonnen werden. Allerdings wurde der Fluss Biyuk-Karasu, der in den Bergen der Krim im Süden entspringt, umgeleitet, die Menge an Wasser reicht aber bei weitem nicht aus.

Die Krim, so prophezeite er, gehen wegen der Dürre in ihren natürlichen Zustand zurück. Es habe nach der Angliederung der Krim an die Ukraine 1954 zehn Jahre lang gedauert, die Böden durch Bewässerung fruchtbar zu machen, das werde umgekehrt auch nicht länger dauern.

Mikhail Romashchenko, der Direktor des Instituts für Wasserbau und Landgewinnung der ukrainischen Nationalakademie für Agrarwissenschaften, schließt sich an: „Es gibt keine Lösung für das Problem der Wasserversorgung für die Landwirtschaft auf der Halbinsel. Ohne das Wasser vom Dnepr sind die Steppengebiete der Krim verurteilt, schrittweise die landwirtschaftliche Produktion und die Landwirtschaft aufgeben zu müssen.“ Es gebe bei weitem nicht genug Grundwasser, Teile der Krim könnten zur Wüste werden.

2017 hatte die Ukraine die Wasserzufuhr endgültig durch Errichtung eines Damms im Kanal blockiert, der zuvor nur provisorisch errichtet war. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, erklärte Anfang Mai, das sei bedeutungslos, da seit 2014 kein Wasser mehr gekommen sei. Die Menschen auf der Krim hätten zudem gelernt, andere Quellen der Wasserversorgung zu benutzen.

120.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche sind von Bewässerung abhängig, mehr als 80 Prozent vom Wasser aus der Ukraine, nach dem Landwirtschaftsminister die Hälfte der Weinanbauflächen, 30.000 Hektar Reisfelder und viele Obstpflanzungen. Der Reisanbau wurde bereits 2016 eingestellt, der Gemüseanbau weitgehend reduziert. Auf der Krim wurden immer tiefer Brunnen gebohrt, was das Problem nur verschlimmert.

Nach einem Bericht der russischen Behörde für Verbraucherschutz ist es nicht nur gefährlich, Wasser aus dem Norden der Krim zu trinken, sondern es auch zur Bewässerung zu verwenden, weil der Boden und das Grundwasser zunehmend versalzen. Da die Krim von Meerwasser umgeben sei, wird das abgepumpte Süßwasser durch Salzwasser ersetzt, und der Niederschlag reicht nicht aus, um den Grundwasserspiegel zu kompensieren.

Wegen der Dürre werden vier Bezirke, darunter die Bezirke Pervomaysky und Nizhnegorsk, auf der Krim den Notstand ausrufen. Andrej Ryumshin, der Landwirtschaftsminister der Krim, warnte, dass die Getreideernte um die Hälfte geringer ausfallen wird. Wenn es keine Niederschläge gibt, werde die Ernte noch geringer ausfallen.

Aufklärung über Fake News, die weiteren Nebel erzeugen

Schon vor den Äußerungen von Hrymchak gab es einen russisch-ukrainischen Disput, nachdem Mustafa Dschemiljew, Rada-Abgeordneter im Poroschenko-Block und bis 2014 Vorsitzender der Mejlis der Krim-Tartaren, Obozrevatel am 4. Juni sagte, dass die Krim große Probleme mit der Wasserversorgung habe, die Landwirtschaft praktisch aufgegeben werden musste und dass Kiew nicht bereit sei, darüber zu verhandeln.

Die ukrainische Regierung werde nur über den Abzug russischer Truppen von der Krim und die Rückgabe der der Halbinsel verhandeln. Selbst wenn jemand zustimmen würde, den Kanal wieder zu öffnen, würden die Krimtartaren diesen schnell wieder schließen.

In manchen russischen Medien wie Ria Novosti wurde darüber berichtet, allerdings mit der Überschrift, dass „die Ukraine mit der Dürre auf der Krim geprahlt“ habe, oder wie in Zvezda, dass man in der Ukraine darüber „stolz“ sei. Während behauptet wurde, dass aus Bohrungen, Stauseen und vom Biyuk-Karasu eigentlich genug Wasser vorhanden sei, was aber tatsächlich nicht zutrifft. Ansonsten wurden die Äußerungen nur wiedergegeben, etwa in Gazeta.ru.

Für die ukrainische Website Stopefake.org, die wie der Name sagt, Fake News berichtigen will (Krieg um die Ukraine, Kampf um die Köpfe), war dies Anlass, den russischen Medien vorzuwerfen, die Äußerungen des Abgeordneten aus dem Kontext gerissen zu haben. Allerdings wurde in der Regel in etwa die Darstellung von Obozrevatel.com wiedergegeben.

Er habe „gewiss nicht geprahlt oder sich gebrüstet“, sondern lediglich bestätigt, „dass die Krim Wasserprobleme habe und deswegen die Landwirtschaft auf der Halbinsel leide“. Die russischen Medien hätten ausgeblendet, dass er sagte, die Ukraine müsse viel investieren, um die Landwirtschaft wiederherzustellen, wenn die Krim nicht unter russischer Kontrolle wäre.

Er hatte allerdings gesagt, dass die Ukraine nach der Rückgabe viel investieren müsse. Dafür blendet Stopfake.org, finanziert u.a. von der Renaissance Foundation, dem tschechischen Außenministerium, der britischen Botschaft und dem britischen Sigrid Rausing Trust, aus, dass Dschemiljew die Probleme darauf zurückführte, dass „wir“ die Wasserzufuhr blockiert hatten.

Auch nicht erwähnt wird, dass der Abgeordnete Verhandlungen über das Wasser ausschloss und damit drohte, dass die Krimtataren schnell wieder den Hahn zudrehen würden, wenn die Wasserzufuhr von der Ukraine wieder eröffnet würde. Stopfake erweist sich hier, wenig verwunderlich, als Produzent von einseitigen Meinungen, die zum Nebel beitragen, anstatt ihn aufzuklären. 

Depositphotos | Dmitrydesign | Der Nord-Krim-Kanal ist schon seit 2014 trocken.
Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „TELEPOLIS“ (Florian Rötzer)
2018
 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung von Florian Rötzer 2018 weiterverbreitet
werden! 

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