Dem bedrohlich abnehmenden Grundwasser entgegenwirken
Trotz wiederkehrender Dürreperioden galt das Grundwasser in Deutschland lange als stabil. Doch die Klimakrise sorgt inzwischen auch hierzulande für sinkende Grundwasserspiegel.
Ganz Deutschland leidet diesen Frühling und Sommer mal wieder unter Hitze und langanhaltenden Dürreperioden. Nach dem schon die Frühlings- und Sommermonate zwischen 2018 und 2021 besonders trocken waren, lieferten Daten von Satelliten der NASA und DLR im Frühjahr 2022 den besorgniserregenden Befund, dass Deutschland in den vergangenen 20 Jahren 2,5 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr aus Böden, Vegetation, Gewässern und Grundwasser verloren hat – was etwa der Wassermenge des Bodensees entspricht. Damit ist Deutschland eine der Weltregionen mit dem höchsten Wasserverlust.
Bis zu diesem Befund hielten viele das Grundwasser für relativ stabil, während sich in den oberen Bodenschichten schon länger – teilweise sichtbar – eine zunehmende Vertrocknung abzeichnete. Doch inzwischen sinkt in manchen Regionen der Grundwasserspiegel. Vor allem der Osten Deutschlands ist betroffen, wo auch insgesamt weniger Regen über das Jahr verteilt fällt. In anderen Regionen Deutschlands wird sich die Niederschlagsmenge Klimamodellen zufolge kaum verändern, aber der Regen wird sich wohl vom Sommer- in die Wintermonate verschieben. Zudem zeichnet sich ab, dass Niederschlag vermehrt als Starkregen fällt, den Böden weniger gut aufnehmen können, besonders, wenn dieser Trocken ist oder versiegelt.
Entsiegeln
Eine Entsiegelung sehen Expert:innen daher als elementare Maßnahme. „Die verstärkte Versickerung von Niederschlagswasser im Siedlungsgebiet ist dort sinnvoll, wo der darunterliegende Grundwasserleiter dieses Wasser aufnehmen und speichern kann. Das bedeutet, dass der Abstand bis zur Grundwasseroberfläche groß genug sein muss und dass der Untergrund versickerungsfähig sein sollte“, sagt Thomas Riedel, Geschäftsfeldleiter Wassergewinnung am IWW Zentrum Wasser in Mülheim an der Ruhr. Gerade in Neubaugebieten ließe sich nach dieser Maxime planen. Jeder Grundstücksbesitzer ob privat oder staatlich solle zudem mehr Vegetation auf seinem Gelände zulassen.
Im urbanen Raum prägt der Begriff Schwammstadt die Debatte. „Das Prinzip ,Schwammstadt‘ ist unter anderem hilfreich, um Wasser im urbanen Raum zurückzuhalten und damit Hochwasserspitzen bei Starkregenereignissen abzumildern, urbane Flächen zu kühlen, ökologische Funktionen zu erhalten und den Bewässerungsbedarf in der Stadt zu verringern“, so Riedel. Jörg Dietrich, Leiter der Arbeitsgemeinschaft am Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, verweist jedoch darauf, dass bestehende Städte eher schwierig zu Schwammstädten umgebaut werden können. Das Konzept sei vor allem für sehr schnell wachsende Großstädte – beispielsweise in China – von größerer Bedeutung.
Das Umland könne oft viel effizienter für die Speicherung von Wasser berücksichtigt werden, so Dietrich. Riedel und Dietrich verweisen hier auf die Optimierung der Entwässerung von landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Schaffung von Versickerungsmulden und eine geringere Verdichtung der Böden. Um den Boden auch auf dem Land durchlässiger zu machen, sollten etwa Moore wiedernässt und trockengelegte Flussauen renaturiert werden, sowie mehr natürliche gegenüber forstwirtschaftlich genutzten Wäldern bestehen, erläutert Claudia Pahl-Wostl, Professorin für Ressourcenmangement an der Universität Osnabrück. „Praktiken einer nachhaltigen Landwirtschaft reduzieren die Bodenverdichtung und fördern eine Wiederherstellung der Mikrofauna. Sie verändern die Struktur des Bodens und erhöhen damit auch dessen Aufnahmefähigkeit für Wasser“, so Pahl-Wostl weiter.
Für die Entwicklung von Versickerungsbecken wurde derweil vor einigen Jahren der renommierte Stockholm Wasserpreis vergeben, eine Art ,Wasser-Nobelpreis‘. „Im Mittelmeerraum gewinnt die gezielte Versickerung von Wasser mehr und mehr Bedeutung, um die Grundwasserleiter als natürlichen Speicher zu nutzen. In trockenen Regionen Indiens wird Wasser aus Monsunregenfällen bewusst in kleine Versickerungsbecken umgeleitet, um die dort besonders stark übernutzten Grundwasserleiter wieder zu füllen“, so Dietrich.
Der Experte für Hydrologie und Wasserwirtschaft macht zudem deutlich, dass Grundwasser ein „genialer Speicher“ sei. „Wasser wird bei der Versickerung gereinigt, unter der Oberfläche gekühlt und vor Verdunstung geschützt und ist leicht wieder an die Oberfläche förderbar. Allerdings haben wir eine große Verantwortung, das Grundwasser vor Verschmutzung zu schützen, denn wenn es nicht mehr die Ansprüche der Wasserversorgung erfüllt, dann wird eine teure Behandlung nötig oder das Wasser kann sogar nicht mehr nutzbar sein.“ Vor allem die Landwirtschaft belastet an vielen Orten das Grundwasser mit Einträgen von Nitrat und Pestiziden.
Wasser mehrfach nutzen
Auch wird Landwirten weiterhin das Anlegen von Brunnen genehmigt, aus dem sie Grundwasser zur Bewässerung der Felder abpumpen. Sonia Seneviratne, Professorin am Center für Klimasystem-Modellierung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) in der Schweiz, sagt: „Man sollte vermeiden, Trinkwasser für die Bewässerung zu verwenden, und könnte Reservoirs aufbauen, die mehr Regenwasser speichern. Bei der Bewässerung in der Landwirtschaft kann auch Wasser gespart werden, indem man abends bewässert. Bewässerungstechniken, die in trockeneren Ländern angewandt werden, können auch helfen, zum Beispiel Tröpfchenbewässerung.“
Laut Riedel und Dietrich könne man in anderen Bereichen auch leicht verschmutztes Wasser wiederverwenden, wie etwa Abwasser beim Duschen und Händewaschen für die Klospülung zu nutzen. Weitere Expert:innen erklären zudem die Industrie für hochgradig verantwortlich eine ressourcenschonendere Wassernutzung zu implementieren. Wasser zur Kühlung von Kraftwerken und für industrielle Prozesse sollten, wie teilweise schon umgesetzt, stärker in einem Kreislaufsystem genutzt werden. Eine Zuckerfabrik Uelzen etwa leitet Wasser nicht mehr in einen nahegelegenen Fluss, sondern speichert es in einem Becken, von wo aus es im Folgejahr für die Bewässerung genutzt werden kann.
Den Aufbau von Wasserleitungen über weite Strecken hinweg, um etwa aus dem Westen Deutschlands den besonders trockenen Osten zu versorgen, sehen Expert:innen nicht als zielführende Maßnahme. Zudem gibt es bereits Fernwasserversorgungsnetze in Deutschland, etwa aus dem Harz in Richtung norddeutscher Städte und Industrien. „Unsere Gesellschaft wird voraussichtlich auf eine Mischung aus Wassersparen, Recycling, natürlicher Speicherung und in kleinerem Maße auch Umverteilung setzen, um sich dem Klimawandel anzupassen“, sagt Dietrich.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 31/2021 | „Dezentral Erneuerbar – ein Update“ | Jetzt lesen | Download