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Fukushima Daiichi | Tepco_CC-BY-SA-2.0

© Fukushima Daiichi | Tepco_CC-BY-SA-2.0

Erdbeben in Fukushima

Vor Japans Küste bebte mal wieder der Meeresboden mit großer Gewalt, ein Ereignis, das traumatische Erinnerungen wach rief

Der Meeresboden vor der japanischen Küste ist am Mittwoch um 15:36 mitteleuropäischer Zeit (23:36 Uhr Ortszeit) von einem schweren Beben erschüttert worden. Der US Geological Survey hat eine Stärke von 7,3 auf der logarithmischen Erdbebenskala registriert.

Erdbeben in vergleichbarer Größenordnung (7 und mehr auf der internationalen Skala) hat es im vergangenen Jahr zwölf gegeben, wovon vier stärker als das jetzige waren. Das stärkste lag bei 7,7 und ereignete sich am 10. Februar 2021 südöstlich von Neukaledonien in der Südsee.

Traumatische Erinnerungen

Das Besondere an diesem Beben war, dass es sich 57 Kilometer vor der Küste der Präfektur Fukushima ereignete. Der Ort ist ganz in der Nähe der Stelle, an dem elf Jahre und sechs Tage zuvor das große Tohoku-Erdbeben mit einer Stärke von 9,1 den Meeresboden erschütterte und einen folgenschweren Tsunami auslöste.

Über 18.000 Menschen wurden seinerzeit durch die Flutwelle getötet, die mit großer Gewalt stellenweise bis zu zehn Kilometer ins Land eindrang. Die Erschütterungen verursachten in den sechs Blöcken des direkt an der Küste stehenden AKW Fukushima Daiichi schwere Schäden, und der Tsunami tat ein Übriges.

In drei der Blöcken kam es zur Kernschmelze, nach dem die Reaktordruckbehälter explodiert und große Mengen radioaktiven Materials weit heraus geschleuderte worden waren.* 150.000 Menschen wurden aus den Sicherheitszonen rund um die Reaktoren evakuiert, die bis heute größeren Teils unbewohnbar sind.

Die japanische Regierung, die bemüht war, die Folgen herunterzuspielen, hatte die Evakuierungszonen auf einen Umkreis von 20 und 30 Kilometer begrenzt. Internationale Organisationen hatten jedoch einen größeren Radius gefordert. Unter anderem war schnell klar, dass es auch außerhalb der evakuierten Gebiete stark kontaminierte Regionen gab.

Proteste

Hier gibt es eine ausführliche Darstellung der Ereignisse, die wir im vergangenen Jahr aus Anlass des zehnten Jahrestages auf Telepolis veröffentlicht hatten.

In Japan gab es nach dem Reaktorunglück diverse lokale und landesweite Proteste gegen den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken und die allermeisten sind bis auf den heutigen Tag abgeschaltet. 2012 gab es auf einer Großkundgebung in Tokio einen bejubelten Auftritt der deutschen Band Kraftwerk.

Wenige Tage vor dem jetzigen Beben gab es am Freitag letzter Woche, dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe von 2011, eine Demonstration gegen die Verklappung radioaktiv verseuchten Wassers im Meer und für die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke weltweit.

Kein Tsunami

Diesmal blieb derweil der zunächst befürchtete Tsunami aus. Die traditionsreiche japanische Zeitung Asahi Shimbum berichtet in ihrer englischsprachigen Ausgabe, dass viele Einwohner der Küstengebiete sich schon nach den ersten Vorbeben auf höheren Grund in Sicherheit gebracht hatten.

Obwohl das Epizentrum des Bebens fast 60 Kilometer von der Küste entfernt lag, richteten die Erschütterungen auch an Land noch viele Schäden an. Mindestens vier Tote habe es gegeben, berichten verschiedene Zeitungen.

Mehrere Halbleiterfabriken, die Chips für die Automobilindustrie herstellen, mussten ihre Produktion zeitweise einstellen. Selbst im rund 260 Kilometer südlich gelegenen Großraum Tokio gab es noch für zwei Millionen Haushalte einen Stromausfall.

Tektonik

Erdbeben sind in Japan keine Seltenheit. Hier findet sich eine (lange) Liste der Beben der letzten Wochen, erstellt von der japanischen Erdbebenwarte.

Das jetzige Beben sticht eindeutig durch seine Stärke heraus. Zuletzt gab es ein Beben mit vergleichbarer Stärke in der Region im Februar 2021.

Das große Tohoku-Erdbeben von 2011 war noch einmal eine ganz andere Klasse. Beben dieser Stärke kommen in Japan und auch anderswo nur alle paar Jahrhunderte vor.

Bei Japan stoßen zwei Platten der Erdkruste aufeinander und verschieben sich beständig. Die schwerere Pazifikplatte taucht unter den asiatischen Kontinent ab, wobei sich die Platten immer wieder verhaken.

Dadurch bauen sich Spannungen auf, die sich schließlich in Erdbeben entladen. Auch der häufige Vulkanismus der japanischen Inseln ist ein Ergebnis dieser beständigen tektonischen Verschiebungen.

*Korrektur:

Ein Leser weist richtigerweise darauf hin, dass die Reaktordruckbehälter in Fukushima nicht explodiert sind. Wasserdampf und der im Behälter aufgrund der ausgefallenen Kühlung entstandene Wasserstoff konnten rechtzeitig abgelassen werden.

Es gab jedoch mindestens eine große Wasserstoffexplosion, die erheblichen Schaden anrichtete. Die Druckbehälter wurden unter anderem durch die Kernschmelze zerstört, die einsetzte, als alle Versuche zur ausreichenden Kühlung gescheitert waren.

Bei der World Nuclear Association gibt es eine umfangreiche Darstellung des Unfalls, die allerdings nicht ganz auf dem neuesten Stand ist. Die vom Erdbeben vor dem Eintreffen der beiden Tsunami wellen angerichteten Schäden werden negiert.

Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „TELEPOLIS“ (Wolfgang Pomrehn) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Wolfgang Pomrehn 2022 weiterverbreitet werden! Foto: Fukushima Daiichi. Archivbild von 2007: TEPCO/ CC BY-SA 2.0

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