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Extremwetter: Vom „Jahrhundert­hochwasser“ zum „Hochwasser­jahrhundert“

Neue Fakten zum Klimawandel präsentiert der Extremwetter-Kongress. 2024 gab es nicht nur Hitzerekorde, auch andere Wetterextreme wurden intensiver. Fachleute fordern deutlich mehr Anpassung und Tempo beim Klimaschutz. Von Christina Mikalo

Dieses Jahr kam vielen der Sommer in Deutschland kühl und verregnet vor. Die Messdaten zeigen jedoch eine andere Realität.

Laut einem aktuellen Faktenpapier des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu Extremwetter waren 2022 und 2023 die heißesten Jahre seit Beginn der systematischen Messungen Mitte des 19. Jahrhunderts – und in diesem Jahr setzt sich der Trend fort.

Tobias Fuchs, DWD-Vorstand für Klima und Umwelt, stellte diese Erkenntnisse auf dem 14. Extremwetterkongress vor, der diese Woche in Hamburg läuft. „Die Ergebnisse weisen leider immer in dieselbe Richtung“, sagte Fuchs. „Der Klimawandel beschleunigt sich, die Wetterextreme treten intensiver und oft auch häufiger auf.“

Fuchs zufolge hat es hierzulande seit Beginn der flächendeckenden Erfassung des Niederschlags im Jahr 1881 noch nie eine so regenreiche Phase gegeben wie von Juni 2023 bis Juni 2024.

Die Jahresmitteltemperatur in Deutschland ist laut den Angaben seit 1881 um 1,8 Grad Celsius gestiegen, was deutlich über dem globalen Durchschnitt von 1,1 bis 1,2 Grad liegt. Fuchs erläuterte, dass sich Landregionen generell schneller erwärmen als Meeresregionen.

Er wies auch auf die Rolle des Klimaphänomens El Niño hin, das Wärme aus den Meeren in die Atmosphäre abgibt und dadurch zur globalen Temperatursteigerung beiträgt.

Ein nasses Frühjahr stoppt den Trend nicht

Laut dem Faktenpapier lagen die Temperaturen von Juni bis August aber auch weltweit über dem bisherigen Rekordwert von 2023. Die starken Waldbrände in den USA, die viel zu hohen Wassertemperaturen im Mittelmeer und die starken Regenfälle in Zentraleuropa sind zumindest anteilig darauf zurückzuführen. Auf der Zugspitze nahm die Zahl der frostfreien Tage im Sommer deutlich zu.

Zusätzlich kommt es auch zu stärkerer Hitzebelastung. Die Zahl der heißen Tage in Deutschland mit Temperaturspitzen ab 30 Grad hat sich seit den 1950er Jahren von drei auf durchschnittlich elf Tage im Jahr erhöht. Ohne wirksamen Klimaschutz könnte sich die heiße Phase zwischen 2031 und 2060 ausweiten, besonders in Nord- und Süddeutschland.

Kein Wasser, kein Rasen, kein kühles Fleckchen: Hitzewellen wie 2018, hier im südbadischen Freiburg, wird es öfter geben. (Bild: Andreas Schwarzkopf/​Wikimedia Commons)

Fuchs warnte: „In einer Stadt wie Freiburg könnte an fast jedem zehnten Tag die 30-Grad-Marke überschritten werden.“ Hitzewellen gefährden besonders verletzliche Gruppen wie Kinder und Ältere und führen zu schnelleren Verdunstungsraten, was Dürren begünstigt. Der DWD verzeichnet eine Zunahme trockener Frühjahre und Sommer.

Fuchs betonte, dass Ausnahmen wie das vergangene nasse Frühjahr diesen Trend nicht widerlegen. Um sich anzupassen, müsse die Landwirtschaft hitze- und trockenheitsresistente Pflanzen anbauen. Auch der Wasserverbrauch müsse gesenkt werden.

Positiv wird bewertet, dass im ersten Halbjahr 2024 über 60 Prozent der Netto-Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammten. Doch die Fortschritte reichten nicht aus. Der Meteorologe Sven Plöger warnte: Die Menschheit emittiert mehr CO2 als je zuvor und bewegt sich auf einem Pfad zu 2,7 Grad globaler Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau.

Ruf nach mehr Bildung und besserer Kommunikation

Plöger sieht Ängste vor Wohlstandsverlust als Hemmnis für den Klimaschutz. Auch der Hinweis auf andere Länder, die mehr emittieren würden als Deutschland, sei nicht hilfreich. „Wir tragen eine Verantwortung, die wir nicht ausreichend wahrnehmen“, betonte der Meteorologe.

Bildung und bessere Kommunikation sind ihm zufolge notwendig, um falsche Klimabehauptungen zu entlarven. Insbesondere müsse mehr über die Chancen von Klimaanpassung und Klimaschutz gesprochen werden.

Auch der Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen forderte einen Perspektivwechsel in der Kommunikation. Statt von „Jahrhunderthochwasser“ solle man lieber von einem „Hochwasserjahrhundert“ sprechen.

Zudem verwies Hirschhausen darauf, dass die Klimakrise nach Ansicht von WHO, Ärztekammer und anderen Fachorganisationen die mit Abstand größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts sei. Eine verstärkte Thematisierung der gesundheitlichen Risiken könne mehr Menschen zum Handeln bewegen, auch müssten die Verhinderer des Klimaschutzes mehr in den Fokus gerückt werden.

Frank Böttcher, Meteorologe und Organisator der Veranstaltung, plädierte für veränderte Rahmenbedingungen: Produkte, die den Planeten schädigen, müssten teurer sein als nachhaltige Alternativen.

Die Gesellschaft müsse gemeinsam auf Veränderung hinarbeiten. „Wenn wir das nicht schaffen, fliegt uns das System um die Ohren“, warnte Böttcher, blieb jedoch optimistisch, dass die Menschheit den Wandel schaffen könnte.

Der Extremwetterkongress findet zum ersten Mal zusammen mit der Deutschen Klimamanagementtagung statt. In über 40 Workshops geht es um konkrete Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen, etwa um Starkregenvorsorge, kommunale Wärmeplanung und Klimafolgekosten.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Christina Mikalo) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! (Bild: Andreas Schwarzkopf/​Wikimedia Commons)

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