‹ Zurück zur Übersicht
Depositphotos | fotokostic

© Depositphotos | fotokostic

Fehlerhafte Studien könnten Glyphosat zur Wiederzulassung verhelfen

Wissenschaftler kritisieren die in einem vorläufigen Bewertungsbericht über den Pestizidwirkstoff Glyphosat getroffene Schlussfolgerung, dass der Pestizidwirkstoff Glyphosat sicher sei und seine Zulassung in Europa erneuert werden könne.

Die EU-Zulassung für Glyphosat, das meistverkaufte Pestizid der Welt, läuft im Dezember 2022 aus. Im Rahmen eines langwierigen und wenig transparenten Verfahrens zur Wiederzulassung hatten die Glyphosat-Hersteller unter der Führung von Bayer im Sommer 2020 den zuständigen Behörden, der so genannten Assessment Group on Glyphosate (AGG) Studien vorgelegt, in denen sie behaupteten, Glyphosat sei sicher.

Eine neue, unabhängige Überprüfung durch zwei renommierte Wiener Krebsforscher zeigt nun, dass das Studiendossier von Bayer fehlerhaft ist: 18 von 35 Studien, die sich mit DNA-schädigenden Effekten (Gentoxizität) von Glyphosat beschäftigen und für die Zulassungsentscheidung von zentraler Bedeutung sein werden, hatten die Krebsforscher als „nicht zuverlässig“, 15 weitere als „teilweise zuverlässig“ und nur zwei als „zuverlässig“ beurteilt. Das heißt: Die Hersteller von Glyphosat haben den EU-Behörden fehlerhafte Studien zur Gentoxizität vorgelegt, welche die Unbedenklichkeit von Glyphosat nicht belegen können.

Dennoch gibt die AGG im vorläufigen Bewertungsbericht (September 2021) grünes Licht: Glyphosat sei nicht DNA-schädigend (gentoxisch). Der Bericht der AGG wird von verschiedenen EU-Gremien geprüft werden, bevor die Mitgliedsstaaten im Jahr 2022 eine endgültige Entscheidung über die Wiederzulassung treffen.

Der Hauptautor der Studie, Prof. Siegfried Knasmüller, erläutert die neuen Erkenntnisse: „Die entscheidenden Fragestellungen wurden nicht angesprochen. Keine der von der Industrie vorgelegten Studien untersuchte DNA-Schäden in der Leber, während veröffentlichte Studien mit angemessenen Methoden darauf hinweisen, dass Glyphosat in diesem Organ DNA-Schäden verursacht. Alle in den Industriestudien verwendeten Testsysteme sind zudem mehr als 30 Jahre alt und teilweise sehr unempfindlich. So weist beispielsweise das am häufigsten verwendete in-vivo-Modell nur 5 bis 6 von 10 Karzinogenen tatsächlich nach, wie die meisten Validierungsstudien zeigen.“ Auf 187 Seiten nehmen die Wissenschaftler die 53 zuvor geheimen Studien auseinander: substanzielle methodische Mängel bei der Durchführung der Studien, unzureichend sensitive Testmethoden, kaum eine Studie entspricht den gängigen OECD-Standards.

„Wir fordern die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) auf, diese neuen Erkenntnisse im laufenden Bewertungsverfahren für Glyphosat zu berücksichtigen”, so die Gesundheits- und Umwelt-NGOs, die hinter der erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Stopp Glyphosat“ stehen.

„Das europäische System hat es bisher versäumt, diese Fehler bei der Durchführung der Zulassungsstudien aufzudecken. Besorgniserregend ist, dass diese von der Industrie gesponserten Studien nun im Mittelpunkt des aktuellen EU-Zulassungsverfahrens für Glyphosat stehen und eindeutig alle wissenschaftlichen Beweise dafür verwässern, dass Glyphosat Krebs verursachen kann und eine Gefahr für die Gesundheit darstellt“, so Dr. in Angeliki Lyssimachou, HEAL Senior Science Policy Officer.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO kam bereits 2015 zum Schluss, dass es „starke Beweise“ dafür gibt, dass Glyphosat DNA-schädigend wirkt und „wahrscheinlich beim Menschen krebserregend“ ist, basierend auf einer umfassenden Überprüfung moderner, von Experten und Expertinnen begutachteter Studien. Indem die AGG diese publizierten wissenschaftlichen Studien jedoch zurückweist und einseitig auf die fehlerhaften Studien der Hersteller vertraut, konnte sie zur vorläufigen Schlussfolgerung kommen, dass Glyphosat nicht die DNA schädigt und erneut zugelassen werden könne.

„Die Menschen in ganz Europa haben die Nase voll von giftigen Pestiziden. Unsere Mitglieder wollen, dass die Behörden bessere Arbeit leisten und aufhören, Glyphosat so zu behandeln, als sei es ‘too big to fail’. Hören Sie auf, wissenschaftliche Beweise, die schlechte Nachrichten für Bayer sind, zu ignorieren“ fordert Eoin Dubsky, Kampagnenleiter bei SumOfUs die Behörden auf.

„Die Zeichen stehen auf Sturm für Glyphosat. Glyphosat verschmutzt Flüsse und Böden in ganz Europa und belastet Millionen von Bürger:innen täglich. Die neue deutsche Regierung hat sich diese Woche verpflichtet, das Pestizid zu verbieten. Dennoch sehen wir jetzt, wie EU-Beamte dran sind, eine weitere Neuzulassung von Glyphosat vorzubereiten. Das ist schlecht“, sagt Dr. Helmut Burtscher-Schaden, Experte für Chemikalienpolitik bei GLOBAL 2000.

Quelle

Global2000.at

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren