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© bigstock | Aletsch-TTstudio | Auch der Große Aletsch in der Schweiz, flächengrößter und mit 23 Kilometern längster Alpengletscher, taut langsam ab.

Gletscherschmelze: Die Alpen tauen auf

Der Sommer hat den Alpengletschern ziemlich zugesetzt. Mit dem Schwinden des ewigen Eises steigt die Gefahr für Naturkatastrophen. Besonders gefährlich sind neu entstehende, instabile Gletscherseen.

Noch nie seit Wetteraufzeichnung verloren die Alpen so viel Gletschereis wie im vergangenen Sommer. „Dieses Jahr war wirklich extrem“, sagte der Glaziologe Wilfried Haeberli, emeritierter Professor der Universität Zürich. „Wir können jetzt schon sagen, dass der Masseverlust der Gletscher deutlich höher war als im bisherigen Rekordjahr 2003.“

Die Schweizer Gletscher, die größten der Alpen, büßten über sechs Prozent ihres Volumens ein. Die Gletscher in Österreich schmolzen zwei- bis viermal so schnell wie im langjährigen Durchschnitt.

Auch die deutschen Alpen mussten dieses Jahr einen Verlust verkraften. Der Südliche Schneeferner hat den Sommer nicht überstanden. Damit beheimatet Deutschland jetzt nur noch vier Gletscher.

Der starke Schwund in den Alpen lag nicht allein an den hohen Temperaturen. Geringe Schneemengen aus dem vergangenen Winter und fehlende Sommerschneefälle führten zu einer ungewöhnlich langen Schmelzperiode.

Dazu setzten sich große Mengen an Saharastaub auf dem Eis ab. Der Staub ist dunkler als Eis oder Schnee und absorbiert dadurch mehr Sonnenstrahlung.

Die jährlich erhobenen Daten des World Glacier Monitoring Service zeigen: Die globale Gletschermasse nimmt seit 1990 jedes Jahr ab. Die Alpengletscher verloren laut dem zweiten Bayerischen Gletscherbericht zwischen 2000 und 2011 durchschnittlich über einen Meter Eisdicke pro Jahr.

Bei einer mittleren Gletscherdicke von 45 Metern heißt das, dass selbst bei der konservativen Annahme eines gleichbleibenden Abschmelzens bis Mitte dieses Jahrhunderts drei Viertel des verbleibenden Eises verschwunden sein werden.

Felsstürze und Gletscherabbrüche werden häufiger

Mit dem Klimawandel wächst die Gefahr in den Bergen. Zwar zeigt die Bergunfallstatistik des Deutschen Alpenvereins (DAV) noch keine Zunahme an klimabedingten Unfällen. Doch Thomas Bucher vom DAV geht davon aus, dass sich das bald ändern wird.

Das Kollabieren von Gletschertürmen, sogenannten Séracs, sowie offene Gletscherspalten und Steinschläge würden einfach in den kommenden Jahren wahrscheinlicher werden, so Bucher. Felsflanken verlieren durch tauenden Permafrost ihre Stabilität.

Glaziologe Haeberli untersucht die Folgen des Gletscherschmelzens seit vielen Jahrzehnten. Er geht davon aus, dass Felsstürze, wie 2017 am Piz Cengalo, in Zukunft häufiger und größer werden.

Dort waren riesige Gesteinsmassen abgestürzt und hatten das vier Kilometer entfernte Schweizer Bergdorf Bondo erreicht. Acht Menschen kamen ums Leben, mehrere hundert mussten evakuiert werden und Teile des Dorfes wurden unter dem Schutt begraben.

Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit für Gletscherabbrüche, wie dieses Jahr an der Marmolata in den Dolomiten.

Eine Gefahrenquelle, die in den nächsten Jahren hinzukommt, sind neu entstehende Gletscherseen. Bis zum Ende des Jahrhunderts sollen allein in der Schweiz 683 neue Seen entstehen.

Jeder dieser Seen soll größer als 500 Quadratmeter und tiefer als fünf Meter sein. Im Gebiet des Aletschgletschers, des größten Gletschers der Alpen, soll der größte See entstehen. Laut Modellen könnte er etwa 1,5 Quadratkilometer Fläche bedecken und bis zu 330 Metern tief werden.

Gletscher sind zu groß für das Klima

Fels- und Eisstürze, die aus großen Höhen in einen See fallen, können gefährliche Prozessketten in Gang setzen. In einer 2020 erschienenen Studie schreibt Haeberli, dass ein „Hoch-Energie-Sturz“ wie am Piz Cengalo, sollte er in einen größeren See einschlagen, schlagartig Wassermassen freisetzen kann, die das Volumen der Gesteinsmassen mehrfach übertreffen.

Weil das Abschmelzen eines Großteils der Gletscher nicht mehr zu vermeiden ist, muss sich die Alpenregion anpassen. Dazu gehören Frühwarnsysteme, aber das allein reicht nicht.

„Gefährliche Gletscherseen kann man nicht einfach sich selbst überlassen“, schreibt Haeberli in seiner Studie. Der Ausbau von Stauseekapazitäten könne eine Möglichkeit sein, um mehrere Ziele miteinander zu verbinden.

Stauseen könnten Hochwasserschutz bieten, für Wasserkraft genutzt werden und Wasser für Dürremonate speichern, so Haeberli.

Ganz aufgeben muss man die Alpengletscher allerdings noch nicht. In den nächsten 30 bis 40 Jahren verschwindet zwar ein Großteil der Gletscher. Das ist nicht mehr aufzuhalten. Die Gletscher sind zu groß für das gegenwärtige Klima.

Was aber bis zum Ende des Jahrhunderts passiert, ist noch nicht vorgezeichnet. Das hängt von dem Klimapfad ab, den die Weltgemeinschaft einschlägt. In anderen Worten – wie viel Treibhausgase wir noch in die Atmosphäre pusten.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (David Zauner) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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