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Hitzewelle, Trocknisschäden, Wasserknappheit: wann wacht Rhein-Main auf?

Wasserwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel müssen jetzt umgesetzt werden.

Eigentlich ist Kurzsichtigkeit behebbar – offensichtlich aber nicht bei etlichen politischen Entscheidungsträgern. Anders ist nicht zu erklären, warum konkrete, vorausschauende Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel oftmals weder beschlossen noch in die Tat umgesetzt werden. Schon seit vielen Jahren fordern seriöse Wissenschaftler effektive Projekte, mit denen die Folgen der immer extremeren Wetterkapriolen in den Griff zu bekommen sind. Doch viele politische Mehrheiten hören einfach nicht zu. Offensichtlich ist ihnen ihr Machterhalt und der Tanz ums goldene WachstumsKalb wichtiger als das Umsetzen vermeintlich unpopulärer, aber dringend notwendiger Maßnahmen im Sinne einer langfristigen Daseinsvorsorge.

Stattdessen hofft die ‚große‘ Politik trotz ihrer 50 Jahre Verspätung immer noch darauf, den Klimawandel als solchen ausbremsen können. Dass dieses Wunschdenken naiv ist, zeigt u.a. die Hitzewelle 2018 gnadenlos auf. Der Klimaund Wetterwandel findet definitiv statt – auch wenn er unerwünscht und nicht gesellschaftsfähig ist. Langsam müsste diese Erkenntnis auch bei hartnäckigen Wegguckern, die mit ihrer Ignoranz die Lebensgrundlagen künftiger Generationen aufs Spiel setzen, ins Bewusstsein einsickern. Die Erderwärmung macht keinen Kotau vor Präsidenten oder Ministern, selbst wenn diese sich für nahezu allmächtig halten.

Dennoch kommen die politischen Reaktionen auf den diesjährigen, extrem trockenen Sommer zwar mit vollmundigen Sprüchen, aber eher stereotyp hilflos daher. Viele Politiker gleichen dabei in ihrem Verhalten Leuten, die aus heiterem Himmel von einem Unfall überrascht wurden, obwohl sie eigentlich wussten, was auf sie zukommt.

Substantiell wird vor allem über die zweifellos erforderlichen, kurzfristigen Hilfen für die Landund Forstwirtschaft diskutiert, also über Geld, wogegen um notwendige Strukturänderungen immer noch ein großer Bogen gemacht wird. In den Medien werden plötzlich langjährig bekannte, aber sträflich vernachlässigte Anpassungsmaßnahmen wie mehr Grün und Frischluft für die überhitzten Städte als brandneue politische Konzepte präsentiert. Und um die eigene Untätigkeit zu kaschieren wird vielfach abgewiegelt; das sei doch alles nicht so schlimm und die ewig nörgelnden Wissenschaftler und Umweltverbände würden wie üblich falschen Alarm schlagen.

Ein typisches Beispiel hierfür ist das Verhalten der Frankfurter Stadtpolitik in Sachen Wasserversorgung. Solange aus dem Umland noch genügend Wasser in Frankfurts Hochbehälter gepumpt wird, interessieren die Sorgen und Nöte der Liefergebiete die Stadtoberen bis auf Ausnahmen kaum. Entgegen der Fakten wird selbstsicher behauptet, die Grundwasserspeicher dort seien gut gefüllt. Dass in Wirklichkeit die ersten Grenzgrundwasserstände bereits erreicht sind, ab denen die Fördermengen gedrosselt werden müssten, wird kaum wahrgenommen. Und dass der große, tägliche Durst der Metropole, der vor wenigen Tagen ein Allzeithoch erreicht hat, gerade in Trockenzeiten dem Naturraum der Liefergebiete das Wasser abgräbt, wird ebenso gerne übersehen wie die Tatsache, dass eine Grundwasserneubildung durchaus erst wieder in 2019 einsetzen kann. Frankfurts Anspruch, sich trotz alledem ohne Limit aus dem Umland versorgen zu lassen, kommt mit einer solch erstaunlichen Selbstverständlichkeit daher, dass er auf dem Lande als der altbekannte urbane Imperialismus früherer Tage wahrgenommen wird. City First eben. Pardon, Green City First natürlich.

Dabei liegen die technischen und administrativen Problemlösungen, die für alle Beteiligte eine WintoWinSituation darstellen würden, schon seit rund 30 Jahren auf dem Tisch. Würde Frankfurt mehr eigenes Wasser, auch solches ohne Trinkwasserqualität, z.B. in dezentralen Inselversorgungssystemen nutzen, würden die Risiken für Engpässe in der eigenen Wasserversorgung ebenso reduziert wie die für den Naturraum des Umlandes. Trotz der erforderlichen Investitionen könnte zudem der Wasserpreis für die Endverbraucher gesenkt werden – aufwendig aufbereitetes Trinkwasser ist nun mal teurer als Brauchwasser. Und VorreiterKommunen, bei denen solche Systeme schon problemlos funktionieren, gibt es auch. Hinkt Frankfurt bei solchen Maßnahmen, die für die Zukunftssicherung ohnehin unerlässlich sind, deshalb hinterher, weil hier Betriebswirtschaftler, deren Vorstellungen von Nachhaltigkeit nicht über den Horizont selbst definierter Gewinnmargen hinausreicht, im Hintergrund das Sagen haben? Oder verhält es sich wie ein schlechtgelaunter Morgenmuffel, der danach trachtet, den Sonnenaufgang durch festes AugenZukneifen ungeschehen zu machen?

Wie auch immer, durch das jahrelange, beharrliche Agieren hessischer Umweltverbände beginnt die Frankfurter Front der Ignoranz jetzt zu bröckeln. Denn zumindest die Umweltdezernentin hat nach langem Zögern endlich den Stab für den Aufbruch in eine neue Ära der dualen Wasserversorgung gebrochen. Ihre durchaus mutige, öffentliche Ankündigung, dass Frankfurt nunmehr sein ökologisches Herz nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Wasserliefergebiete in die Hand nehmen will, hat bislang weit weniger Aufmerksamkeit erregt, als sie es verdient. In der Metropole sollen demnach für die künftige Bautätigkeit Vorgaben für das Nutzen des eigenen Wassers gelten, durch die u.a. separate Leitungssysteme einwandfreies Brauchwasser in Frankfurter Toiletten und Gärten bringen sollen. Dies wäre eine der längst überfälligen Maßnahmen, mit der die Metropole ihre Klimaanpassung zielgerichtet selbst gestalten könnte, anstatt dem Klimawandel und der immer massiveren Kritik, einem Grundwasserraubbau Vorschub zu leisten, ausgeliefert zu sein. Zudem würde sie ihre Abhängigkeit von der schwindenden Grundwasserverfügbarkeit des Umlandes entscheidend mindern.

Dass Frankfurt mit einem solchen ökologischwasserwirtschaftlichen Quantensprung nicht nur in Hessen, sondern auch in Europa und darüber hinaus Vorreiter für das Lösen der immer größeren urbanen Wasserprobleme werden kann, steht außer Zweifel. Auch dass eine solcherart nachhaltige Ressourcennutzung gerade einer Green City sehr gut zu Gesicht stehen würde, und dass sie den StadtLandKonflikt entscheidend entschärfen würde, wird niemand leugnen. Allerdings steht nach wie vor die Frage im Raum, ob sich Frankfurt wirklich auf seine eigene Stärke, in einem wasserreichen Gebiet zu liegen, besinnen wird, oder ob sich die Frankfurter Politik weiterhin dem Diktat einer gewinnorientierten Wasserwirtschaft unterwerfen wird, für die ein hoher Trinkwasserverbrauch ein wichtiges Geschäftsziel ist.

Erheblich mehr Einsicht, Mut und Einigkeit als bisher werden im Römer in den nächsten Wochen notwendig sein, damit Frankfurt möglichst schnell den Einstieg in die duale Wasserversorgung findet. Denn die Zeit drängt mächtig. Aktuell werden massenhaft Häuser gebaut, und durch ihre Wasserinstallationen wird entschieden, wie viel Trinkwasser diese Neubauten in den nächsten 50 bis 100 Jahren verbrauchen werden. Bebauungspläne und Baugenehmigungen müssen umgehend, und nicht später irgendwann mit entsprechenden Vorschriften für eine konsequente Brauchwassernutzung ausgestattet werden. Und es besteht Hoffnung, dass dies auch geschehen wird. Die Umweltdezernentin jedenfalls antwortete auf die Frage, wann Frankfurt diesbezüglich endlich aufwachen wird, mit einem klaren ‚Jetzt‘. Was nunmehr durch entsprechende Taten zu beweisen wäre.

Quelle

Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. (SGV) | 2018

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