Jeder dritte Stromkunde erwägt Wechsel zu Ökostrom wegen Auseinandersetzung um Hambacher Wald
Wenn alle Verbraucher tatsächlich den Anbieter wechseln, die sich jetzt mit dem Gedanken tragen, würde das Ökostromsegment um rund 14 Millionen Privathaushalte wachsen.
35 Prozent der Stromkunden erwägen, angesichts der für den Braunkohleabbau geplanten Rodung des Hambacher Waldes zu einem reinen Ökostromanbieter zu wechseln. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar Emnid im Auftrag von Greenpeace Energy. „Die Zahlen belegen: Viele Verbraucher haben die Nase voll vom aggressiven Verhalten des RWE-Konzerns im Hambacher Wald und kehren der konventionellen Energiewirtschaft den Rücken“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Gestern hatte das Oberverwaltungsgericht Münster einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Wald verfügt.
Kantar Emnid hat Anfang Oktober mehr als 1.000 Verbraucher zu ihrer Wechselmotivation befragt. Demnach wollen 16 Prozent der Befragten, die bisher bei konventionellen Stromanbietern unter Vertrag waren, angesichts der Vorgänge im Hambacher Wald „auf jeden Fall“ auf einen rein erneuerbaren Versorger umsteigen, weitere 19 Prozent können sich vorstellen, diesen Wechsel „vielleicht“ zu vollziehen. Dass sie schon jetzt Ökostrom beziehen, gaben neun Prozent der Befragten an. 16 Prozent erklärten, dass sie in ihrem Haushalt nicht über den Stromvertrag entscheiden. Für 40 Prozent kommt ein Wechsel zu Ökostrom derzeit nicht in Betracht.
Wenn alle Verbraucher tatsächlich den Anbieter wechseln, die sich jetzt mit dem Gedanken tragen, würde das Ökostromsegment um rund 14 Millionen Privathaushalte wachsen. Das wäre in etwa eine Verdoppelung des heutigen Marktanteils. „Die Kohlekonzerne sollten dieses Signal und die damit verbundene Verbrauchermacht nicht unterschätzen. Wir erleben, dass immer mehr Menschen nicht nur über Stromwechsel nachdenken, sondern ihn auch vollziehen“, so Tangermann.
Greenpeace Energy registriert seit Beginn der Räumung des Hambacher Waldes Mitte September eine der stärksten Wechselwellen seit vielen Jahren. In den knapp drei Wochen bis Anfang Oktober waren bereits deutlich über 2.000 Haushalte zu der Energiegenossenschaft gewechselt, drei- bis viermal so viele wie in vergleichbaren Zeiträumen.
Die meisten dieser Neukunden waren zuvor bei konventionellen Stromversorgern, die auch Kohlestrom anbieten, unter Vertrag. Mehr als ein Drittel kommen von Anbietern, die mit dem RWE-Konzern verbunden sind – wie Innogy, Eprimo oder Rheinenergie. Ebenfalls ein Drittel der aktuellen Neukunden bei Greenpeace Energy wechselt zudem bewusst in den Tarif Solarstrom plus, mit dem sie den Ausbau von Solaranlagen speziell in Braunkohlegebieten fördern.
„Immer mehr Kunden wollen über ihre Stromrechnung lieber gezielt in die Energiewende investieren statt weiterhin die klimaschädliche Braunkohleförderung zu alimentieren“, sagt Sönke Tangermann. „Der konventionellen Energiewirtschaft dürften angesichts der anhaltenden Wechselwelle mittelfristig empfindliche Umsatzeinbußen drohen.“ Die Stromkosten für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden schlagen – ohne Wechselboni und Rabattaktionen – pro Jahr mit etwa 1.000 Euro zu Buche.