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Mein Zugticket, meine Kundenkarte, mein Carsharing

Fast 50 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzt im Alltag ausschließlich das eigene Auto. Sogar ein Fünftel aller Wege unter drei Kilometern werden mit dem Auto bewältigt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Kein Verkehrsmittel scheint besser für alle Wege und Nutzungszwecke im Alltag geeignet. Dabei ist die Kombination verschiedener Fahrzeuge die umweltfreundliche Alternative zum eigenen Auto.  Ein Bericht von Willil Loose

Busse, Straßenbahnen, U-Bahn, Eisenbahn im Fern- und Nahverkehr – die Auswahl öffentlicher Verkehrsmittel ist vielfältig. Allerdings bietet der öffentliche Personenverkehr (ÖPNV) nicht zu allen Zeiten oder zu allen Zielen gute Verbindungen an. Für die umweltfreundliche Alternative – die Nutzung des Fahrrads – sind manche Ziele zu weit oder das Businessoutfit erschwert die dienstliche Fahrradnutzung.

Einmal Auto – immer Auto?

Die Verkehrsforschung weiß: Der Besitz eines eigenen Autos prägt sehr stark das Verkehrsverhalten zugunsten einer dominanten Autonutzung. Die Kostenstruktur des eigenen Autos rechtfertigt dies anscheinend auch: Wenn der Autobesitzer bereits mit dem Kauf seines Autos den Großteil der jährlich anfallenden Kosten verursacht hat, möchte er dieses auch so oft wie möglich nutzen. Andere Verkehrsmittel verursachen in der Logik dieses Autobesitzers dann doch nur zusätzliche Kosten. Dabei unterbleibt ein unvoreingenommener Kostenvergleich mit anderen Verkehrsmittelkombinationen in der Regel. Wenn der Besitz eines eigenen Autos jedoch die Verkehrsmittelwahl so wenig sachgerecht beeinflusst, ist ein Schlüssel zur umweltgerechten und nachhaltigen Verkehrsmittelwahl, Alternativen zum Besitz eines eigenen Autos anzubieten.

Carsharing – macht den eigenen Pkw unnötig

Die organisierte gemeinschaftliche Nutzung von Autos überzeugt mehr und mehr Bürger davon, dass sie kein eigenes Auto benötigen, jedoch nicht auf den Komfort der Autonutzung verzichten müssen. Die stationsbasierten Carsharing-Angebote in ca. 330 deutschen Städten und Gemeinden können immer dann im Voraus gebucht werden, wenn sich der Bedarf einer Autonutzung abzeichnet. Die vorwiegend aus Nutzungskosten (und nicht aus Fixkosten) bestehende Kostenstruktur fördert eine sparsame Verwendung der „geteilten“ Autos. Viele Studien bestätigen, dass Carsharing-Nutzer die große Palette aller verfügbaren Verkehrsmittel je nach ihren Stärken für den nächsten Weg auswählen. Meist ist der ÖPNV die beste Wahl, mal das Fahrrad und mal das Carsharing-Auto.

Carsharing-Anbieter vernetzen sich

Carsharing-Anbieter und Verkehrsunternehmen haben bereits vor einiger Zeit begonnen, ihre jeweiligen Angebote miteinander zu vernetzen und als kombinierte Angebote zu vermarkten. In vielen Städten bekommen ÖPNV-Kunden, die über eine Monats- oder Jahreskarte ihres Verkehrsunternehmens verfügen, beim Carsharing-Anbieter ermäßigte Nutzungstarife oder vergünstigte Einstiegskonditionen angeboten. Im Gegenzug informieren die Verkehrsunternehmen ihre Fahrgäste über die Vorteile des Carsharing.

Der nächste Schritt ist die Aufnahme unterschiedlicher Verkehrsangebote auf eine Kundenkarte, die entweder einen Berechtigungsnachweis für die Vorzugskonditionen beim Anbieter darstellt oder sogar ein elektronisches Zugangsmedium zum Angebot. Letzteres wird im Carsharing praktiziert oder / und könnte in Zukunft die Regel bei der Freischaltung von Fahrrädern an automatischen Verleihstationen sein.

Bisher in Deutschland am weitesten fortgeschritten ist die Lösung in Hannover. HANNOVERmobil ist ein komplettes Mobilpaket: Für einen monatlichen Aufpreis von 7,95 Euro erhalten Jahreskartenabonnenten des Hannoveraner ÖPNV-Anbieters Üstra zusätzlich den Zugang zum Carsharing bei Stadtmobil Hannover, eine 20-prozentige Ermäßigung bei Taxifahrten, eine kostenfreie BahnCard 25 und Sondertarife für Mietwagen. Alle eingeschlossenen Verkehrsmittelnutzungen sind bargeldfrei. Die im Laufe eines Monats anfallenden Nutzungsentgelte werden auf einer Rechnung im Folgemonat aufgeführt. Für die angeschlossenen Anbieter rechnet sich das Mobilitätspaket, da sie sich zusätzliche Neukunden erhoffen. Die eigentliche Organisationsleistung wird jedoch im Vorfeld fällig, da es nicht leicht ist, die unterschiedlichen Interessen der Anbieter unter einen Hut zu bekommen.

Infrastruktur für kombinierte Mobilität im Personenverkehr

Neben gemeinsamen Tarifangeboten können auch gebaute Infrastrukturen die kombinierte Mobilität erleichtern oder zur Nutzung anregen. Beispielsweise:

  • In ländlichen Regionen werden Fahrradabstellanlagen an Bushaltestellen von stärker bedienten Buslinien eingerichtet. Dadurch wird der Einzugsbereich der Buslinien auf den Hauptstrecken erweitert.
  • Automatisierte Fahrradverleihangebote erleichtern die schnellen dienstlichen Erledigungen während der Arbeitszeit, ohne dass jedes Mal das Auto bemüht wird. Die gleichen Angebote richten sich auch an (Städte-)Touristen, die ihre Anreise mit der Bahn planen.

Kombinierte Mobilitätsangebote für Dienstreisen

Dienstreisende können Carsharing-Angebote nicht nur in der Heimatstadt oder -gemeinde nutzen, sondern auch an anderen Orten. Über dasselbe Buchungssystem, mit dem die Fahrzeuge in der Heimatstadt reserviert werden, können auch Fahrzeuge anderer Carsharing-Dienstleister in anderen Orten gebucht werden. Der Kunde muss sich lediglich erkundigen, welche Anbieter im gleichen System zusammenarbeiten.

Bei einer Dienstreise zu weiter entfernten Zielen bietet die Bahn eine gute Reiseoption. In der Nähe des Dienstreiseziels steigt der Mitarbeiter in das Carsharing-Fahrzeug am Bahnhof um und fährt zu seinem eigentlichen Ziel. Das gilt natürlich auch für die anderen Verkehrsmittel des Umweltverbundes, die mit der Bahnfahrt kombiniert werden können. Stück für Stück werden elektronische Informationssysteme entwickelt, die diese Verkehrsmittelkombinationen sowohl in der Heimatgemeinde als auch an entfernten Zielen abbilden. In Zukunft werden wird es auch die notwendigen Fahrkarten von den Systemen geben.

Quelle

FORUM Nachhaltig Wirtschaften 2012Willi Loose ist Geschäftsführer des Bundesverbandes CarSharing e. V. (bcs), dem Dachverband der deutschen Carsharing-Anbieter. Seine Vision: Durch neue Kooperationen mit anderen Dienstleistern sollen die Carsharing-Angebote attraktiver gemacht werden und immer öfter das eigene Auto ersetzen. 

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