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Depositphotos | Frank Peters

© Depositphotos | Frank Peters

Die neue INSM-Kampagne: Das letzte(?) Aufbäumen der fossil-atomaren Wirtschaft in Deutschland

Jahrzehntelang war die deutsche (Wirtschafts-)Politik fest im Griff des konventionellen Energiesektors, der mit fossilen und atomaren Rohstoffen (Erdöl, Erdgas, Kohle, Uran) sowie den Technologien und Industriezweigen, die mit diesen Rohstoffen versorgt werden (Atom-, Kohle-, Erdgaskraftwerke, Auto- & Flugbauer, Heizungs-& Chemiekonzerne, industrielle Landwirtschaft u.v.a.m.).

Eine kleine historisch bedeutsame Ausnahme bildete die rot-grüne Bundestagsmehrheit, in der zwar nicht alles perfekt war, aber dennoch mit dem EEG der historische Durchbruch für die Erneuerbaren Energien gelang, womit das fossile/atomare Zeitalter schnell abgelöst werden hätte können.

Ansonsten hatte die klima- und umweltzerstörende Konzernwirtschaft des Erdölzeitalters alle Regierungen aus CDU/CSU, SPD oder FDP seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts fest für ihre Interessen vereinnahmt.

Immer wenn gesellschaftliche Debatten oder gar reale Entwicklungen aufkamen, die ihren ökologisch schädlichen und sozial ungerechten Geschäftsmodellen in die Quere kamen, organisierten sie mit viel Geld im Hintergrund schwer durchschaubare Kampagnen, um die öffentliche Debatte für ihre Geschäftsinteressen zu dominieren und so die wichtigen politischen Entscheidungen in ihre Richtung zu beeinflussen.

Das Ergebnis war und ist verheerend. Die davongaloppierende Erdüberhitzung raubt uns zunehmend die Lebensgrundlagen, zu Lasten des Gemeinwohls. Während der Reichtum einzelner aus der fossilen und atomaren Wirtschaft immer weiter in obszöne Höhen steigt, rutschen immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze.

Vor allem wenn Bundestagwahlen nahen, werden bestimmte Themen gepuscht, die den Interessen der Konzerne aus dem fossil-atomaren Sektor dienen und die dann politisch erfolgreich nach der Wahl vollzogen werden. So wurde im Bundestagswahlkampf 2009 die Kampagne zur Laufzeitverlängerung für die Atomkraft durchgezogen. Die CDU/CSU- und FDP-geführte Regierung unter Kanzlerin Merkel beschloss dann 2010 die Laufzeitverlängerung für Atomkraft gegen alle gesellschaftlichen massiven Proteste. Erst der Super-GAU in Fukushima 2011 brachte erneut den Atomausstieg, wenn auch sehr schlecht organisiert.

Direkt danach begann die Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), einer Lobbyorganisation u.a. der deutschen fossilen atomaren Wirtschaft, mit ihren Kampagnen gegen die Erneuerbaren Energien und das EEG. Im Zentrum stand die Propaganda Lüge: „Hilfe die Energiewende wird unbezahlbar“. Mit diesem zentralen Slogan wurden nun unter CDU/CSU und SPD die Demontage des EEG und die massiven Ausbaubremsen der Erneuerbaren Energien sowie der Bundestagwahlkampf 2013 gegen die Grünen organisiert. Noch Monate vor der Wahl waren die Grünen auf einem Umfragehöhepunkt über 15% und mein Listenplatz auf der grünen Landesliste erschien sicher. Doch die Anti-Grün-Kampagnen wirkten, die Grünen landeten bei 9% und nicht nur ich verlor mein Bundestagsmandat.

Gerade im letzten Bundestagswahlkampf 2017 verstärkte die INSM ihre Kampagnen gegen grüne Politik und die Erneuerbaren Energien nochmal massiv und war erneut erfolgreich. Grüne ökologische Politik fand nicht den Weg in die Regierung. In einer Serie von Beiträgen hatte ich damals diese Kampagne der INSM näher beschrieben.

Als Fridays for Future der Politik und der Erwachsenenwelt mit erfolgreichen jugendlichen Protesten den Spiegel einer komplett versagenden Klimaschutzpolitik entgegenhielten, organisierte die INSM flugs eine Diffamierungskampagne gegen die engagierten jungen Menschen.

Und heute in der Bundestagswahl 2021 tritt die INSM erneut mit Schmutzkampagnen gegen grüne Politik groß auf. Lesen Sie im Beitrag von Christian Stöcker, Spiegel online, wie vehement und infam die INSM kürzlich mit einer neuen Kampagne in den Wahlkampf eingreift.

Hauptziel der Diffamierungskampagne ist die Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock. Mit Darstellungen, die unter die Gürtellinie gehen, soll die Kanzlerkandidatin offensichtlich ihren guten Wahlchancen beraubt werden.

Es ist auffallend, dass in den letzten Wochen die vielen Skandale in der Union, wo es um schwerwiegende Verfehlungen wie persönliche Bereicherung von Bundestagabgeordneten mit Maskengeschäften oder Verquickungen im Erdgasgeschäft mit Aserbaidschan geht, weitgehend aus den Medien verschwunden sind. Bei Kanzlerkandidatin Baerbock wird nach allen Fehlern gesucht, die man finden kann und diese werden unentwegt immer wieder breitgetreten. Beim Konkurrenten Kanzlerkandidat Laschet von der Union gibt es aktuell nichts dergleichen, wobei er im schwerwiegenden Verdacht der Begünstigung seiner Familie mit Maskengeschäften mit der NRW Regierung steht.

Das Ziel der INSM und vieler von ihr benutzten Medien ist klar wie immer in allen Kampagnen des letzten Jahrzehnts: Die Reichtümer der Konzerne und der Superreichen sollen geschützt werden, insbesondere indem deren Geschäftsmodelle aus dem fossilen und atomaren Wirtschaftssektor gegen ökologische grüne Politik weiter geschützt werden.

Dafür nimmt die INSM und die sie finanzierenden Unternehmen klar erneut Einfluss in der Bundestagswahl:  Sie wollen erneut eine Regierung aus CDU/CSU/SPD oder FDP, um eine klare Politik für den Klimaschutz weiter zu verhindern, genauso wie es ihnen über Jahrzehnte meist gelungen ist.

Doch klar ist auch: Dies dürfte eine der letzten Kampagnen der INSM und damit vielleicht das letzte Aufbäumen der fossilen atomaren Wirtschaft sein. Selbst wenn es gelingt Bündnis 90/Die Grünen erneut aus der Regierung rauszuhalten, wird der Siegeszug der Erneuerbaren Energien aufgrund ihrer ökonomischen Kraft nicht mehr so wie im letzten Jahrzehnt aufzuhalten sein. Deshalb werden die Geschäftsmodelle der fossilen und atomaren Wirtschaft rückläufig sein und die Finanzmittel an die INSM werden spärlicher.

David Goessmann | Kurs Klimakollaps
© David Goessmann | Kurs Klimakollaps

Dennoch wäre der Schaden groß, denn eine Regierung ohne eine klare ökologische Agenda würde den Klimaschutz nicht mit der notwendigen Radikalität sich entfalten lassen. Aber auch dann könnte es das letzte Aufbäumen mit Hilfe der INSM gewesen sein. Denn ohne radikale Klimapolitik wird auch Deutschland immer mehr in den Katastrophen der Erdüberhitzung hineingezogen, womit immer weniger eine erfolgreiche Politik möglich wird und immer mehr der Kampf ums Überleben dominieren wird. Auch die fossile und atomare Wirtschaft wird in dem von ihr verursachten Klimakollaps nicht überleben können.

Daher kann nur an die Mehrheit der Wähler appelliert werden: Fallen Sie nicht wie im ganzen letzten Jahrzehnt auf die Wahlkampagnen der INSM rein, die voll gegen eine gute Klimaschutzpolitik gerichtet ist. Wählen Sie endlich die Verursacher der Klimakatastrophe ab.

Quelle

Hans-Josef Fell 2021Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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