Energie sparen durch nutzergerechtes Bauen
Die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern, ist eine der wichtigsten Stellschrauben des Klimaschutzes.
Im Fokus steht dabei meist das energieeffiziente Bauen und Sanieren, aber auch das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer hat große Bedeutung. Wie genau dieses Verhalten zur Energiebilanz eines Gebäudes beiträgt und wie es sich möglicherweise intelligent beeinflussen lässt, untersuchen Forscherinnen und Forscher in einem globalen Projekt der Internationalen Energieagentur (IEA), welches das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Carleton University in Ottawa koordinieren.
Etwa ein Drittel der weltweiten Primärenergie wird heute für den Betrieb von Gebäuden aufgewendet. Weil sich die Fläche dieser Gebäude stetig vergrößert, steigt der Energiebedarf trotz Verbesserung der Energieeffizienz zudem weiter an. Zu diesem Ergebnis kommt die Internationale Energieagentur (IEA) und verweist auf bislang ungenutzte Einsparmöglichkeiten von bis zu 80 Prozent. Der Energiebedarf von Gebäuden lasse sich dabei nicht nur durch energieeffizientes Bauen und Sanieren verringern, sagt Professor Andreas Wagner vom Fachgebiet Bauphysik und Technischer Ausbau der Fakultät für Architektur am KIT: „Je nach Gebäudetyp und Nutzungsweise halbiert sich der Verbrauch bei sparsamen Verhalten. Verschwenderisches Verhalten kann den Verbrauch fast verdoppeln.“ Negativ beeinflusst werde das Nutzerverhalten dabei oft durch unbedachte Automatisierung, beispielsweise durch eine automatische Heizung ohne eine effektive Nutzerschnittstelle: „Wer keine andere Möglichkeit hat, die Raumtemperatur zu regeln, der reißt vielleicht die Fenster auf oder verwendet zusätzlich einen ineffizienten Heizstrahler.“ Um tatsächlich Energie einzusparen, müsse Automatisierung deshalb so gestaltet werden, dass Nutzer jederzeit sinnvoll auf die Gebäudetechnik Einfluss nehmen könnten, sagt Wagner.
Um den Zusammenhang von Nutzerverhalten und energetischer Performance von Gebäuden systematisch zu untersuchen, koordiniert er nun gemeinsam mit Professor Liam O’Brien von der Carleton University in Ottawa ein interdisziplinäres und internationales Forschungsprojekt unter dem Dach der IEA. Dabei geht es zunächst um grundsätzliche Fragen, etwa wie Komfortparameter in Gebäuden, also die thermischen, visuellen, olfaktorischen oder akustischen Gegebenheiten, miteinander interagieren und auf ein energierelevantes Verhalten einwirken. Außerdem soll untersucht werden, welche Rolle dabei den Nutzerschnittstellen zukommt und wie etwa Thermostate, Lichtschalter und Jalousien möglichst intelligent konzipiert werden können. Zur Modellierung des Nutzerverhaltens in Bezug auf den Energieverbrauch wollen die Forscher dabei Big-Data-Methoden verwenden, die auf unterschiedliche Datensätze, zum Beispiel aus der Gebäudetechnik oder dem Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), zurückgreifen.
Ziel des Forschungsprojektes sind neben der erkenntnisorientierten Forschung auch praktische Empfehlungen für das Design und den Betrieb von Gebäuden, die ein sparsames Verhalten fördern. Bereits seit 1977 berät die IEA Regierungen und andere Stakeholder wie die Bauindustrie auf dem Gebiet der Energieeffizienz. Ihre Empfehlungen basieren dabei auf dem Forschungsprogramm des „Implementing Agreement on Energy in Buildings and Communities“ (EBC) mit 26 Mitgliedsstaaten. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus mindestens 14 Nationen erarbeiten Andreas Wagner und Liam O’Brien mit dem neuen Forschungsprojekt nun die wissenschaftlichen Grundlagen für ein so genanntes Annex zu dieser Vereinbarung.