Gesundes Wohnen im Strohballen-Sonnenhaus
Bei der Planung ihres Eigenheims hatten die Wohngesundheit und eine umweltfreundliche Energieerzeugung für Anna und Nicolas Louchet erste Priorität. Deshalb bauten sie ein weitgehend solar beheiztes Strohballenhaus.
In ihrem Sonnenhaus am Chiemsee genießen sie einen hohen Wohnkomfort bei extrem niedrigen Energiekosten. Im ersten Jahr haben sie nur einen Raummeter Holz verbraucht.
Anna und Nicolas Louchet sind viel in der Welt herumgekommen. Sie sind durch Indien gereist, waren in Thailand, Südamerika und vielen anderen Ländern. „Dort haben wir gesehen, wie die Leute mit lokalen Materialien bauen, das hat uns gefallen“, erzählt der 40-Jährige Nicolas Louchet. Als sie selbst bauen wollten, haben sie dies zu ihrem Leitgedanken gemacht: Es sollten so wenig industrielle Materialien wie möglich zum Einsatz kommen – statt dessen Holz, Stroh und Lehm aus der Umgebung. Dabei hat auch die Baubiologie eine Rolle gespielt, die für sie eine hohe Priorität hatte.
Mit einem Strohballenhaus mit lehmverputzten Wänden sahen sie ihr Ziel erfüllt. Und damit sie auch bei der Energieversorgung lokale Ressourcen nutzen, kombinierten sie das ökologische Baukonzept mit dem Sonnenhaus-Heizkonzept. In ihrem Einfamilienhaus erzeugen 30 Quadratmeter Solarkollektoren den Großteil des Wärmebedarfs, im Winter heizt ein Stückholzofen zu.
Ressourcen- und klimaschonend: Heizen mit Sonne und Holz
Nicolas Louchet war lange Zeit als Patentprüfer für Solarkollektoren tätig. Mittlerweile prüft er Patentanträge für Wärmetauscher, das Interesse an der Solarwärmetechnologie hat er aber nie verloren. Deshalb war ihm auch das Sonnenhaus-Bau- und Heizkonzept schon länger bekannt. Bei Sonnenhäusern nach dem Konzept des Sonnenhaus-Instituts werden mindestens 50 Prozent des Wärmebedarfs solar erzeugt. Lange Zeit kamen hierfür in erster Linie Solarkollektoren für die Wärmeerzeugung zum Einsatz, mittlerweile bauen die Mitglieder auch häufiger Photovoltaikanlagen, die mit solarstromgeregelten Wärmepumpen kombiniert werden. Louchet wollte aber eine große Solarwärmeanlage, denn die Vorteile der Solarthermie sind für ihn unschlagbar.
Bei der Erzeugung von Solarwärme wird kein klimaschädliches Kohlendioxid produziert und die natürlichen Ressourcen Öl, Kohle und Gas werden geschont. Die Solarkollektoren haben einen hohen Wirkungsgrad: Sie wandeln Strahlungsenergie der Sonne direkt in nutzbare Wärme um. Außerdem wird die Wärme in dem umweltfreundlichen, lang erprobten Speichermedium Wasser gespeichert. „Viele gute Gründe, um große Solarwärmeanlagen zu bauen“, sagt Nicolas Louchet.
Für die Wintersonne optimierte Solarwärmeanlage
Für seine Familie und ihn plante die Firma Schuster Gebäudetechnik aus dem bayerischen Büchlberg die Sonnenhaus-Heiztechnik. Damit ein großer Teil des jährlichen Heizenergiebedarfs solar erzeugt werden kann, muss die Kollektorfläche für die Wintersonne optimiert werden. Im Winter steht die Sonne tief, deshalb müssen die Kollektoren möglichst steil sein. Eine derartige Neigungsfläche für Solarkollektoren war in dem Bebauungsplan zunächst nicht erlaubt. „Aber die Verantwortlichen haben die ökologische Idee dahinter verstanden und unterstützt“, sagt Anna Louchet und spricht der Gemeinde ein großes Lob aus.
So konnten auf der Südseite des Daches auf einer 60 Grad steilen Teilfläche 30 Quadratmeter Solarkollektoren installiert werden. Sie decken zwischen 60 und 70 Prozent des Wärmebedarfs des Einfamilienhauses, das eine beheizte Fläche von 186 Quadratmetern hat. Die Wärme wird in einem Speicher mit vier Kubikmeter Fassungsvermögen zwischengespeichert. Mit einem Durchmesser von etwa eineinhalb Metern einschließlich 25 Zentimeter Dämmung ist er sehr platzsparend. Der zentral platzierte, mit Lehm verputzte Speicher hat noch eine andere Funktion: Er ist ein Hingucker im Eingangsbereich. Um ihn herum schlängelt sich die Treppe in das Obergeschoss.
Für die restliche Heizenergie sorgt ein Naturzug-Holzvergaserheizkessel im Wohnzimmer. Die Wärme des wasserführenden Holzofens wird zu einem Teil in den Raum abgegeben, zum größeren Teil aber für die spätere Nutzung gespeichert. Über eine sanft temperierte Wandflächenheizung wird sie im Haus verteilt. An Weihnachten 2015 hatte der Solarwärmespeicher durch die viele Wintersonne noch über 85 Grad Celsius. Insgesamt brauchte die Familie nur rund ein Raummeter Holz zum Nachheizen in dem ersten Jahr, in dem sie ihrem Eigenheim lebte.
Strohballenhaus: Stroh als Dämmmaterial
Mit Blick auf die Solararchitektur ist das Haus der Louchets ein Sonnenhaus. Aber es ist auch ein Strohballenhaus. Strohballenhäuser sind in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Zwischen 400 und 500 solcher Häuser gibt es nach Schätzung des Fachverbandes Strohballenbau Deutschland (FASBA) hierzulande. Nicolas Louchet kannte die Bauweise aus seinem Heimatland, in dem Strohballenhäuser weiter verbreitet sind. „In Frankreich ist der Öko-Hausbau weniger industrialisiert, deshalb bauen die Leute mehr selbst“, erklärt er.
Für Strohballenhäuser gibt es zwei Bauweisen: die lasttragende Bauweise, bei der die Strohballen eine statische Funktion übernehmen, und Holzständer- bzw. Holzrahmenkonstruktionen mit Strohballen als Dämmmaterial. Für erstere gibt es in Deutschland keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung.
Es muss eine Zulassung im Einzelfall beantragt werden, bei der auch die Statik nachgewiesen werden muss. Als ausfüllendes Dammmaterial sind Strohballen allerdings zugelassen.
Mit Stroh gedämmt
Anna und Nicolas Louchet haben sich für die Holzbauweise entschieden. Mit der österreichischen Firma Spreitzer Planung fanden sie Experten für das Bauen und mit Stroh und Lehm. Die Fachleute planten das Strohballenhaus so, dass auch wichtige Kriterien des Sonnenhaus-Konzeptes erfüllt wurden: zum Beispiel große Fenster und Türöffnungen nach Süden, so dass die Solarenergie auch passiv genutzt wird. Für die gute Dämmung zur Reduktion des Wärmbedarfs sorgen die mit Stroh befüllten Holzriegel.
Die Holzrahmen aus heimischer Fichte wurden passgenau für die Größe der Strohballen angefertigt. Aus dem Befüllen der Holzrahmen mit Stroh haben die Bauherren ein Event gemacht. Zwei Wochenenden lang haben sie mit über 20 Freunden bei ihrem Zimmerer die 900 Strohballen eingestopft. „Die Zusammenarbeit hat viel Spaß gemacht“, erinnert sich Anna Louchet.
Die Außenwände bestehen aus mehreren Schichten. Auf der Außenseite befindet sich die hinterlüftete Holzfassade. Darauf sind wasserdichte Holzweichfaserplatten angebracht. Anschließend folgt – als mittlere Schicht – die mit Stroh gedämmte Holzständerkonstruktion. Für die Innen-Verschalung brachte der Zimmerer hierauf Holzbretter aus Fichte an. Da Lehm auf Holz nicht hält, musste noch Schilfrohr als Putzträger her. Dieses wurde im letzten Schritt mit Lehm aus der Region verputzt. Der natürliche Baustoff reguliert die Feuchtigkeit im Haus und sorgt für ein angenehmes Raumklima. Anna und Nicolas Louchet erinnert er auch an ihre Reisen durch die ganze Welt.
Lehmputz als gestalterisches Element
Üblicherweise gibt es beim Lehmputz drei Schichten. Die unterste Schicht ist der Grobputz, bei dem kleine Steine und gehäckseltes Stroh unter den Lehm gemischt werden. Die zweite Schicht ist der Feinputz. Er ist weniger grob und hat keine Steine, stattdessen wird ein bisschen Zellulose untergemischt. Die oberste Schicht ist der Edelputz, der am glattesten von allen ist.
Die beiden haben nicht überall die drei Schichten auftragen lassen, weil sie den Lehmputz auch gestalterisch nutzen wollten. Der Wärmespeicher beispielsweise wurde nur mit Grobputz versehen. Bei dem Edelputz, den man in vielen Zimmern sehen kann, haben sie unterschiedliche Zusätze untermischen lassen. Im Gäste-WC zum Beispiel ist Perlmutt untergemischt, in anderen Räumen Wildkräuter oder Glitzer. Wo Wandfarben verwendet wurden, sind es natürliche Lehm-Farben.
Die Wohngesundheit durch baubiologisch einwandfreie Materialien hatte eine sehr hohe Priorität für Anna und Nicolas Louchet. So sind der Wärmespeicher und der Boden mit Zellulose gedämmt. Bei dem hierfür verwendeten Altpapier haben sie darauf geachtet, dass es keine Druckerschwärze enthält. Ein anderes Beispiel: Die Elektroinstallationen sind durch eine Ummantelung aus Metall abgeschirmt, so dass sie keinen Elektrosmog ausstrahlen können.
Die Bodenziegel im Flur bestehen aus gebranntem Lehm und stammen von einem nur 40 Kilometer entfernten Handwerker, der sie immer noch manuell herstellt. Heimische Materialien wurden auch bei der Wahl des Holzes bevorzugt. Neben der Fichte in der Holzrahmenkonstruktion ist unbehandelte, einheimische Lärche aus den Alpen in der Fassade verarbeitet. Viele Schränke, Dielen und Türen sind aus Lärche, Zirbelkiefer und Esche geschreinert.
Bei ihrer Planung hatten sie noch einen anderen Aspekt im Kopf, der aber noch in weiter Ferne liegt. Dank der vielen natürlichen Materialien kann das Haus am Ende seiner Nutzungsdauer umweltverträglich rückgebaut und entsorgt werden.
Geringer Strombedarf
Auch bei der elektrischen Energie sind sie umsichtig. Eine Solarstromanlage haben sie nicht, aber dafür haben sie einen sehr niedrigen Strombedarf. Nur etwa 1.700 Kilowattstunden Strom hat die Familie im ersten Jahr verbraucht. Zum Vergleich: Üblicherweise werden etwa 4.200 Kilowattstunden Strom im Jahr für einen vierköpfigen Haushalt gerechnet.
Zu ihrem Stromverbrauch, der dem durchschnittlichen Bedarf eines Ein-Personen-Haushaltes entspricht, trägt zum einen die Haustechnik bei. Die Raumtemperatursteuerung läuft stromlos über flüssigkeitsgefüllte Thermostate. Die Solar- und Heizungstechnik wird mit hocheffizienten Umwälzpumpen betrieben. Weiterhin gibt es keine Lüftungsanlage. Und Anna und Nicolas Louchet verzichten auf gewisse Haushaltsgeräte. Einen Trockner, eine Gefriertruhe und einen Fernseher sucht man bei ihnen vergebens, sie wollen auch kein Handy.
„Vielleicht ändert sich das, wenn die Kinder älter sind“, sagt Nicolas Louchet. Vorerst aber freuen sie sich darüber, dass sie es geschafft haben, ein Haus nach ihren Vorstellungen zu bauen: bei dem für die Baumaterialien, den Bau und den laufenden Betrieb nur extrem wenig Energie benötigt wurde und wird. Gästen, die sie besuchen, fallen vor allem zwei Dinge auf: die ungewöhnliche Solarfläche – „aber sie verstehen die Idee dahinter, und das finden sie gut“, sagt Anna – und das Raumklima. „Irgendwie riecht es hier anders: natürlicher, frischer, heißt es oft“, sagt sie weiter. Das genießen sie und ihre Familie jeden Tag.
Quelle
Sonnenhaus-Institut e.V. 2016 | Fachverband
Strohballenbau Deutschland e.V. (FASBA) 2016