Klimaschutz auf Kurs bringen
Die Bepreisung von Kohlendioxid (CO2), das beim Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas freigesetzt wird, ist für den Klimaschutz unverzichtbar und lässt sich sozial ausgewogen umsetzen.
Eine gemeinsame Studie von Agora Verkehrswende und Agora Energiewende sowie dem Öko-Institut und der Freien Universität Berlin zeigt, wie ein CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne zum Fundament des Klimaschutzes werden kann. Für die soziale Ausgewogenheit sorgt die Rückerstattung der gesamten Einnahmen an die Bürger. Einkommensschwache Haushalte werden per Saldo sogar entlastet.
Die Bepreisung von Kohlendioxid (CO2), das beim Verbrauch von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas freigesetzt wird, ist für den Klimaschutz unverzichtbar und lässt sich sozial ausgewogen umsetzen. Das geht aus einer Studie hervor, die die beiden Thinktanks Agora Energiewende und Agora Verkehrswende gemeinsam mit dem Öko-Institut und der Freien Universität Berlin angefertigt haben.
Laut der Expertise gehören Bezieher unterer und mittlerer Einkommen sowie Haushalte mit Kindern im Durchschnitt zu den Gewinnern der CO2-Bepreisung, während einkommensstarke und Ein-Personen-Haushalte durchschnittlich eine sehr moderate Zusatzbelastung erfahren. Entgegen landläufiger Meinung werden auch Pendlerhaushalte und Haushalte in ländlichen Räumen durch einen CO2-orientierten Aufschlag auf die Energiesteuer nicht in substanziellem Ausmaß belastet, heißt es in der Studie.
„Befürchtungen, ein CO2-Preis müsste zwangsläufig zu einer sozialen Schieflage führen, sind unbegründet“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Ärmere Bürger profitieren sogar, kluges Handeln der Politik vorausgesetzt. Deshalb gibt es keine Ausrede mehr, jetzt ist die Regierung am Zug, den Einstieg in die CO2-Bepreisung zügig zu beschließen und so die Weichen für wirksamen Klimaschutz zu stellen.“
Rückverteilung der zusätzlichen Steuereinnahmen
In der Studie wird für das Jahr 2020 ein CO2-Preis in Höhe von 50 Euro pro Tonne CO2 zugrunde gelegt. Gemeinsam mit einem ersten Schritt zur Angleichung der Diesel- an die Benzinbesteuerung steigt dadurch die Steuer auf Diesel um 16,3 Cent und die Steuer auf Benzin um 11,8 Cent, jeweils pro Liter; die Heizölsteuer steigt um 13,2 Cent je Liter und die Steuer auf Erdgas erhöht sich um 1 Cent je Kilowattstunde. Auf diese Weise entsteht durch Zahlungen privater Haushalte ein Steueraufkommen von mehr als elf Milliarden Euro, inklusive Mehrwertsteuer.
Diese Summe verbleibt nach dem Agora-Modell allerdings nicht beim Fiskus, sondern wird vollständig an die privaten Haushalte zurückverteilt: Das Gros fließt als „Klimaprämie“ in Höhe von 100 Euro pro Kopf an die Bürger zurück, gut ein Viertel dient dazu, die Stromsteuer von derzeit 2,05 Cent auf den europarechtlichen Mindeststeuersatz von 0,1 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Schließlich speisen 300 Millionen Euro einen Ausgleichsfonds, aus dem Kompensationszahlungen für besonders betroffene Haushalte finanziert werden.
Entlastungen wirken positiv auf Privathaushalte
Um Pendler mit geringem und mittlerem Einkommen besser zu stellen, werden diese Rückverteilungsmechanismen um eine aufkommensneutrale Reform der Entfernungspauschale („Pendlerpauschale“) ergänzt. Bisher reduziert die Pauschale in Höhe von 30 Cent je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte das zu versteuernde Einkommen, dadurch werden einkommensstarke Haushalte mit hohem Steuersatz mehr entlastet als Haushalte mit niedrigem Einkommen. In Zukunft, so das Agora-Modell, wird die Entfernungspauschale durch ein „Mobilitätsgeld“ in Höhe von 10 Cent ersetzt; anders als die bisherige Pauschale wird das „Mobilitätsgeld“ direkt von der Steuerschuld abgezogen – dies wirkt zugunsten einkommensschwacher Haushalte.
„Die Auswertung der Verteilungswirkungen zeigt, dass mehr als die Hälfte aller Haushalte (56 Prozent) von dem Reformmodell aus CO2-Preis und Rückverteilung profitieren“, erläutert Ruth Blanck, Verkehrsexpertin am Öko-Institut die Auswirkungen. „Zu einer Belastung von mehr als einem Prozent des verfügbaren Einkommens kommt es bei rund sechs Prozent der Haushalte; Zusatzkosten in Höhe von mehr als drei Prozent treten bei weniger als einem halben Prozent der Haushalte auf.“ Zahlungen aus dem Ausgleichsfonds sind hierbei allerdings noch nicht berücksichtigt.
CO2-Preis als Fundament für die Klimapolitik
Durch den Ausgleichsfonds lässt sich die Zahl bzw. das Ausmaß negativ betroffener Haushalte stark verringern. Mit der aus dem CO2-Preis gespeisten finanziellen Ausstattung des Fonds können alle Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen so entlastet werden, dass die Netto-Minderung ihres verfügbaren Einkommens auf ein Prozent begrenzt wird. Damit reduziert sich der Anteil der Haushalte mit einer Belastung von mehr als einem Prozent des verfügbaren Einkommens auf ein Prozent aller Haushalte, die allesamt nicht im niedrigen und mittleren Einkommenssegment liegen.
„Ein CO2-Preis ist das Fundament einer wirksamen und kosteneffizienten Klimapolitik, weil klimaschonendes Verhalten billiger wird, klimaschädliches Verhalten hingegen teurer“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Bisher existiert ein solcher Preis nur für die vom Europäischen Emissionshandel erfassten Treibhausgas-Quellen aus der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie, nicht jedoch für die erheblichen CO2-Mengen aus dem Verkehrs- und Wärmesektor.
Laut Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung müssen beide Sektoren ihre Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2018 um gut 40 Prozent vermindern. „Mit den bisher geplanten Maßnahmen werden diese Ziele weit verfehlt“, so Graichen. „Ohne den CO2-Preis bleibt nicht nur der Klimaschutz auf der Strecke, obendrein kommen dann wegen europarechtlicher Vorgaben auf den Steuerzahler Kosten in Höhe von 30 bis 60 Milliarden Euro zu.“