Klimawandel verschärft Nahrungsmittel-Importabhängigkeit
Über 200 Millionen Menschen sind weltweit von Krisen durch Importeinbrüche bei Grundnahrungsmitteln bedroht, viele Länder sind von einem einzigen Exportland abhängig. Ernteausfälle infolge von Wetterextremen werden dann zur existenziellen Bedrohung.
Viele Entwicklungsländer produzieren nicht genügend Grundnahrungsmittel – dazu zählen Weizen, Reis und Mais – für den eigenen Bedarf. Die Forscher des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin haben nun in einer neuen Studie die Auswirkungen für den Fall berechnet, wenn wichtige Exporteure ihre Ausfuhr drosseln oder sogar stoppen würden, was beispielsweise nach einer extremen Hitzewelle mit Folge von Wassermangel und Dürre in Folge des Klimawandels zunehmend vorkommen kann. Das würde die importabhängigen Länder mit einem hohen Armutsanteil in der Bevölkerung und vor allem einige westafrikanische Länder, die auf Reisimporte angewiesen sind, besonders hart treffen und wäre für Millionen von Menschen existenzbedrohend.
„Würde Thailand als größter Reislieferant weltweit seine Ausfuhr stoppen, bekämen das von Mauretanien bis Nigeria 136 Millionen Menschen zu spüren, die nach Definition der Weltbank als arm gelten“, berichtet Christopher Bren d‘Amour, der Leitautor der MCC-Studie. Bereits fünf Prozent weniger Reis auf dem Markt eines Entwicklungslands könnten den Preis dort bis zu 17 Prozent in die Höhe treiben. „Das ist dramatisch, wenn man weniger als zwei US-Dollar am Tag zum Leben hat“, warnt der Forscher. Bei einem Lieferstopp bzw. einer Lieferbeschränkung der USA, die als Marktführer beim Maisexport gelten, wären bspw. bereits 21 Millionen Menschen betroffen, der Großteil in Mittelamerika und der Karibik, so die Studie. Beim Weizen würde es etliche Länder Nordafrikas und den Mittlere Osten betreffen.
Es handle sich keineswegs um unrealistische Szenarien, so Bren d‘Amour. Wichtige Exportnationen würden durchaus zu einer restriktiven Ausfuhrpolitik neigen, um in schlechten Zeiten ihre inländischen Märkte zu stützen. Die zunehmenden Wetterextreme drücken heute schon auf die Erträge, Tendenz steigend. Die Wissenschaftler sind alarmiert: Denn würde laut ihren Analysen der Export von Reis, Mais und Weizen weltweit nur um zehn Prozent zurückgehen, wären 55 Millionen Arme in 58 Ländern bereits existenziell bedroht. So verstärke das Unwetterrisiko in einer Weltregion das Armutsrisiko einer anderen Weltregion, kommentiert Felix Creutzig, Mitautor der Studie, die Entwicklung.
Das Problem würde nicht in der extremen Form bestehen, wären nicht viele Entwicklungsländer politisch gewollt abhängig von Importen gemacht worden – der Klimawandel verschärft nun die Lage der Länder. Die Autoren der Studie empfehlen denn auch als sinnvolle Maßnahme eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft und eine Ausweitung der Nahrungsmittelpalette – zumal Mais ohnehin nicht zu den gehaltvollen Nahrungsmitteln zählt. „Bewässerung und mehrere Ernten im Jahr durch den Anbau unterschiedlicher Pflanzen auf der gleichen Fläche könnten gerade in tropischen und subtropischen Gegenden höhere und vielfältigere Erträge ermöglichen“, so die Forscher.
All das hätte man schon vor Jahrzehnten tun können und müssen; stattdessen wurden Hilfsbedürftige noch mehr in die Abhängigkeit getrieben; währenddessen die Bewirtschaftung von rieseigen Monokulturen in den Industrieländern mit dem Einsatz von klimaschädlichen Düngern den Klimawandel weiter vorangetrieben hat. Und den bekommen nun wieder vor allem die Menschen in den Ländern zu spüren, die daran gar nicht beteiligt waren.