Krönung des Verpackungsirrsinns
Deutsche Umwelthilfe kritisiert Nestlé für die Einführung eines neuen Aluminium-Kaffeekapselsystems.
Nestlé baut sein Negativimage als besonders umweltbelastender Lebensmittelkonzern aus – Deutsche Umwelthilfe fordert Verbraucher und Handel auf, unökologische Kapselsysteme zu boykottieren – Deutsche Umwelthilfe empfiehlt wiederbefüllbare Aufbrühsysteme ohne Filter, klassischen Maschinenkaffee oder wiederbefüllbare Mehrwegkapseln.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den Lebensmittelkonzern Nestlé für die gestrige Einführung des neuen Nespresso-Kaffeekapselsystems Vertuoline in Deutschland. Nachdem die besonders umweltschädlichen Aluminium-Kaffeekapselsysteme bisher vor allem für Espresso angeboten wurden, führt Nestlé diese nun auch für den klassischen Standardkaffee in großen Portionen ein. Nach Einschätzung der DUH dürfte der bisherige Abfallberg aus 3,1 Milliarden verbrauchten Kaffeekapseln pro Jahr durch die neuen Nespresso-Kapseln in Deutschland stark ansteigen. Die DUH fordert Handel und Verbraucher auf, das abfallintensive Nestlé-Produkt zu ignorieren und bei der Zubereitung von Kaffee auf vorhandene umweltfreundliche Alternativen zu setzen.
Das Vertuoline-System besteht aus Aluminiumkapseln in fünf verschiedenen Größen für Kaffeeportionen von 40 (Espresso) bis 414 Milliliter (Alto). Die DUH kritisiert, dass das Angebot noch mehr Verbraucher an die müllintensiven Aluminium-Kapseln heranführen soll. Allein die Aluminium-Kapseln für Espresso führen zu einem nie dagewesenen Ressourceneinsatz, weil das Verhältnis von Füllgut und Verpackung ganz besonders schlecht ist. Die DUH hat nachgerechnet: Für die Verpackung von nur einem Kilo Kaffee in den neuen Espresso-Kapseln fallen rund 270 Gramm Aluminium und 670 Gramm bedruckte Pappe als Umverpackung an. Zur Nutzung des Vertuoline-Angebots sind zudem neue Nespresso-Maschinen notwendig, was zum Austausch zigtausender Automaten führen und die Umwelt zusätzlich belasten wird.
„Der mit dem Schauspieler George Clooney beworbene Nestlé Alukapsel-Kaffee ist das Negativ-Symbol für eine ‚Nach mir die Sintflut’-Abfallstrategie eines verantwortungslos handelnden Lebensmittelkonzerns. Der Kapselwahnsinn nimmt immer abstrusere Formen an und wird mit dem neuen System von Nestlé auf die Spitze getrieben. Während die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten den Einwegabfall-Irrsinn und die Vermüllung der Umwelt beenden wollen, verschärft Nestlé das Problem indem es seine unökologischen Kapseln auf den klassischen Kaffee in großen Portionen ausweiten will. Wir brauchen ein Ende von Einweg und eine Rückbesinnung auf Abfallvermeidung und Mehrweg – auch beim Kaffeegenuss“, sagt die Stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Nach Auffassung der DUH sollten Verbraucher Kaffee-Einwegsysteme mit Kunststoff- oder gar Aluminiumkapseln grundsätzlich meiden. Es gibt zahlreiche bewährte Systeme, wie Kaffee ohne Einwegmüll zubereitet werden kann. Auch Kapselzubereitungen sind denkbar – sollten aber mit wiederbefüllbaren Mehrwegkapseln aus Edelstahl erfolgen. „Die Entwicklung und Anwendung vorhandener Mehrwegalternativen wird von den Herstellern von Einwegkapseln ignoriert, weil sie vor allem an den unverschämt hohen Preisen ihrer Wegwerfprodukte gut verdienen“, kritisiert Thomas Fischer DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft. Die DUH empfiehlt für einen abfallarmen Kaffeegenuss die Nutzung von Aufbrühsystemen ohne Filter oder klassischen Maschinenkaffee.
Entgegen der Darstellung der Hersteller bereitet das Recycling der Aluminium-Kapseln Probleme. Die Kapseln werden bei der Entsorgung häufig in den Restmüll geworfen und verbrannt. Dabei oxidiert das Aluminium und geht verloren. Aber auch die im Gelben Sack entsorgten Alukapseln werden immer wieder nicht korrekt sortiert und landen dann ebenfalls in der Verbrennung. Aufgrund vieler Verunreinigungen – u.a. Kaffeesatz, Lacke, Restinhalte, Fehlsortierungen, Verbundmaterialien – wird die Aluminiumfraktion üblicherweise mit einer Pyrolyse vorbehandelt. Dabei werden die organischen Anteile verbrannt, bzw. verschwelt und abgetrennt, da sie andernfalls beim nachfolgenden Schmelzprozess stören würden.
„Beim Recyclingvorgang von Aluminium können die Materialverluste durch die Verfahrensschritte der Pyrolyse und Schmelze ganz erheblich sein und schnell 20 Prozent oder mehr betragen. Besonders problematisch an Kaffeekapseln aus Aluminium ist zudem, dass sie derzeit aus neuem Aluminium hergestellt und aus alten Kapseln keine neuen werden. Der geschlossene und unendliche Recyclingkreislauf von Aluminiumkaffeekapseln ist ein Märchen“, kritisiert Fischer.
Hintergrund:
Nach aktuellen Berechnungen der DUH auf der Grundlage von Daten des Deutschen Kaffeeverbandes und Herstellerangaben wurden in Deutschland im Jahr 2016 rund 3,1 Milliarden Kaffeekapseln verbraucht. Das entspricht einem Müllberg von 8.000 Tonnen Verpackungen aus Aluminium und Kunststoff sowie zusätzlich 5.000 Tonnen Papier. Im Vergleich zu 2014 wurde in 2016 knapp 20 Prozent mehr Röstkaffee in Kaffeekapseln verbraucht. Nach Einschätzung der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation ist dies ein besorgniserregender Trend, der durch fragwürdige Aussagen zum Recycling von Aluminiumkapseln und zur vermeintlichen Nachhaltigkeit von biologisch abbaubaren Kapseln verstärkt wird.