Artenverlust betrifft Lebensgrundlagen des Menschen
Der aktuelle Artenverlust wirkt sich direkt auf das Leben der Menschen aus, was unter anderem Ernährung, Wasserversorgung, Baustoffe und Energieträger betrifft.
Dies belegt das Jena Experiment, eines der größten Experimente zur Biodiversität, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mitgewirkt haben. In der Zeitschrift Nature Ecology & Evolution legt das Jena Konsortium nun dar, dass sich Ökosystemfunktionen nicht allein anhand der Eigenschaften der Pflanzen vorhersagen lassen, sondern dass vielmehr die gesamte Komplexität der biotischen und abiotischen Interaktionen zu berücksichtigen ist. (DOI: 10.1038/s41559-020-01316-9)
Die Biodiversität auf der Erde, zu der die Vielfalt der Arten, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme gehören, gewährleistet die Lebensgrundlagen aller Lebewesen und damit auch der Menschen. Denn von der Biodiversität hängen fundamentale Prozesse wie das Pflanzenwachstum und die Stabilität von Stoffkreisläufen ab. Die biologische Vielfalt nimmt aber weltweit kontinuierlich ab. Laut Forscherinnen und Forscher habe dieser Verlust mittlerweile ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Deshalb befassen sich zahlreiche wissenschaftliche Studien und Experimente mit der Bedeutung der Biodiversität für das Funktionieren von Ökosystemen und ihrem Nutzen für den Menschen.
Artenverlust hat direkte Konsequenzen für die Menschheit
Eines der größten und am längsten laufenden Projekte zur Biodiversität ist das Jena Experiment, von 2002 bis 2019 gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; Forschungsgruppen FOR 456 und FOR 1451) und koordiniert an der Universität Jena. In dem Experiment haben Forscherinnen und Forscher von verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen Effekte der Biodiversität im Grünland untersucht. Anhand einer umfassenden Quantifizierung von Zyklen wichtiger chemischer Elemente sowie der Untersuchung von über- und unterirdischen Prozessen haben sie die zugrunde liegenden Mechanismen aufgedeckt. Professor Wolfgang Wilcke, Leiter der Arbeitsgruppe Geomorphologie und Bodenkunde am Institut für Geographie und Geoökologie (IFGG) des KIT, und Dr. Sophia Leimer, Wissenschaftlerin in derselben Gruppe am IFGG, haben an dem Experiment mitgewirkt und den Zusammenhang zwischen pflanzlicher Diversität und dem Stickstoff- und Phosphor-Kreislauf erforscht.
„Die Arbeiten des Jena Experiments belegen, dass der aktuelle Artenverlust direkte Konsequenzen für die Menschheit hat“, sagt Wilcke. „Denn dadurch brechen scheinbar selbstverständliche Beiträge der Natur für uns Menschen weg.“ Als Beispiele nennt der Geoökologe die Produktion von Biomasse für Nahrungsmittel, Textilien, Baustoffe und Energieträger sowie die Wasser- und Nährstoffkreisläufe. Deren Veränderung habe schwerwiegende Folgen wie Hochwasser, Dürre oder Grundwasserkontamination. „Um diese Entwicklung aufzuhalten und die Artenvielfalt zu schützen, bedarf es weiterer Forschung sowie praktischer Maßnahmen auf allen Ebenen – vom einzelnen Konsumenten über nationale Regierungen bis hin zu internationalen Gremien“, so Wilcke.
Bedeutung der Biodiversität kann nur mit interdisziplinärer Forschung aufgeklärt werden
In einer Serie von drei Publikationen in der Zeitschrift Nature Ecology & Evolution hat das Jena Konsortium zwischen 2018 und 2020 wichtige Ergebnisse publiziert: Je mehr Ökosystemfunktionen, wie einen geschlossener Nährstoffkreislauf, und daraus resultierende Ökosystemleistungen (zum Beispiel Biomasseproduktion) erreicht werden sollen, desto mehr Pflanzenarten bräuchte man, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Gemeinsam mit dem BioDIV Experiment in den USA fand das Jena-Konsortium außerdem heraus, dass die Ergebnisse der künstlichen Experimente, in denen Pflanzenartenmischungen in der Regel zufällig zusammengesetzt wurden, beständig sind und sich auf die natürliche Welt übertragen lassen.
In der neuesten Publikation kommt das Jena Experiment zu dem Schluss, dass sich Ökosystemfunktionen und -leistungen nicht allein aus den Eigenschaften der Pflanzen vorhersagen lassen. Vielmehr ist die gesamte Komplexität der biotischen und abiotischen Interaktionen eines Ökosystems zu berücksichtigen, das heißt alle Wechselwirkungen in der belebten und der unbelebten Natur.
- Zur neuesten Publikation: https://www.nature.com/articles/s41559-020-01316-9
- Weitere Informationen zum Jena Experiment