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Hydra Marine Sciences GmbH

© Hydra Marine Sciences GmbH | Ein Forschender des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie bei der Probennahme in Seegraswiesen im Mittelmeer. Das Messgerät bestimmt den Sauerstoffgehalt im Meeresboden.

Ein na­tür­li­cher CO2-Spei­cher dank sym­bio­ti­scher Bak­te­ri­en

Ganz ähn­lich wie vie­le Land­pflan­zen le­ben See­grä­ser in Sym­bio­se mit stick­stoff­fi­xie­ren­den Bak­te­ri­en.

Seegraswiesen bedecken große Küstenbereiche unseres Planeten und bieten dort einen vielseitigen Lebensraum. Außerdem nehmen sie große Mengen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und speichern ihn im Ökosystem. Um so gut zu gedeihen, brauchen die Seegräser Nährstoffe, hauptsächlich Stickstoff. Bisher glaubte man, dass die Pflanzen den Stickstoff vorwiegend aus dem umgebenden Wasser und Sediment aufnehmen. Diese sind allerdings extrem nährstoffarm. Nun zeigt eine im Fachmagazin Na­tu­re veröffentlichte Studie von Forschenden des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, dass Seegras im Mittelmeer in seinen Wurzeln eine Symbiose mit einem Bakterium unterhält, welches den für das Wachstum notwendigen Stickstoff liefert. Solche Symbiosen waren bisher nur von Landpflanzen bekannt.

See­grä­ser sind weit ver­brei­tet in den fla­chen Küs­ten­re­gio­nen ge­mä­ßig­ter und tro­pi­scher Mee­re. Sie be­de­cken bis zu 600.000 Qua­drat­ki­lo­me­ter welt­weit, was etwa der Flä­che von Frank­reich ent­spricht. Sie bil­den die Grund­la­ge für das ge­sam­te Öko­sys­tem, das zahl­rei­chen Tie­ren, dar­un­ter auch be­droh­te Ar­ten, wie Mee­res­schild­krö­ten, See­pferd­chen und See­kü­he, ein Zu­hau­se ist und vie­len Fisch­ar­ten eine si­che­re Kin­der­stu­be bie­tet. Au­ßer­dem schüt­zen See­grä­ser die da­hin­ter­lie­gen­den Küs­ten vor Ab­tra­gung durch Sturm­flu­ten und neh­men je­des Jahr Mil­lio­nen von Ton­nen an Koh­len­di­oxid auf, das für lan­ge Zei­ten im Öko­sys­tem als so­ge­nann­ter „blau­er Koh­len­stoff“ ge­spei­chert wird.

Üppiges Leben trotz Nährstoffarmut

Der Le­bens­raum vie­ler See­grä­ser ist für ei­nen Groß­teil des Jah­res arm an Nähr­stof­fen, wie bei­spiels­wei­se Stick­stoff. Der Stick­stoff ist zwar in sei­ner ele­men­ta­ren Form (N2) reich­lich im Meer vor­han­den, doch in die­ser Form kön­nen ihn die See­grä­ser nicht auf­neh­men. Dass die Pflan­zen den­noch üp­pig ge­dei­hen, liegt an ih­ren jetzt ent­deck­ten klei­nen Hel­fern: bak­te­ri­el­le Sym­bi­on­ten, die N2 in­ner­halb der Wur­zeln fi­xie­ren und den Pflan­zen in nutz­ba­rer Form zur Ver­fü­gung stel­len. Wieb­ke Mohr und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men, Hy­dra Ma­ri­ne Sci­en­ces in Bühl und dem Schwei­zer Was­ser­for­schungs­in­sti­tut Ea­wag be­schrei­ben nun in ih­rer Stu­die, wie die­se in­ni­ge Be­zie­hung zwi­schen See­gras und Bak­te­ri­um or­ga­ni­siert ist.

Harmonie in den Wurzeln

„Bis­lang ver­mu­te­te man, dass der so­ge­nann­te fi­xier­te Stick­stoff für die See­grä­ser von Bak­te­ri­en stammt, die rund um die Wur­zeln der Pflan­zen im Mee­res­bo­den le­ben“, er­klärt Mohr. „Wir zei­gen nun, dass die Be­zie­hung viel en­ger ist: Die Bak­te­ri­en le­ben in den Wur­zeln der See­grä­ser. Das ist das ers­te Mal, dass so eine im wahrs­ten Sinn des Wor­tes in­ni­ge Sym­bio­se bei See­grä­sern ge­zeigt wird. Bis­her war sie nur von Land­pflan­zen be­kannt, ins­be­son­de­re bei land­wirt­schaft­lich wich­ti­gen Ar­ten, wie den Hül­sen­frücht­lern, Wei­zen oder auch Zu­cker­rohr.“ Auch die­se las­sen sich den Luft­stick­stoff von Bak­te­ri­en auf­be­rei­ten, de­nen sie im Ge­gen­zug Koh­len­hy­dra­te und an­de­re Nähr­stof­fe lie­fern. Ei­nen sehr ähn­li­chen Aus­tausch von Stoff­wech­sel­pro­duk­ten gibt es auch zwi­schen dem See­gras und sei­nem Sym­bi­on­ten.

© Wiebke Mohr / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie | Ein Teil der Bucht von Fetovaia, wo die meisten Proben dieser Studie gesammelt wurden.

Die Bak­te­ri­en, die in den Pflan­zen­wur­zeln le­ben, sind eine Neu­ent­de­ckung. Mohr und ihr Team ga­ben ih­nen den Na­men Celerinatantimonas neptuna, nach ih­rem Gast­ge­ber, dem Nep­tung­ras (Posidonia). Ver­wand­te von C. neptuna wur­den bis­her auch bei Al­gen im Meer ge­fun­den, etwa beim See­tang. „Als die See­grä­ser vor etwa 100 Mil­lio­nen Jah­ren vom Land ins Meer ge­zo­gen sind, ha­ben sie wohl die Bak­te­ri­en von den gro­ßen Al­gen über­nom­men“, ver­mu­tet Mohr. „Sie ha­ben das an Land höchst er­folg­rei­che Sys­tem so­zu­sa­gen ko­piert und sich dann, um im nähr­stoff­ar­men Meer­was­ser über­le­ben zu kön­nen, ei­nen ma­ri­nen Sym­bi­on­ten er­wor­ben.“ Die ak­tu­el­le Stu­die be­schäf­tig­te sich mit See­gras der Gat­tung Posidonia im Mit­tel­meer. Mög­li­cher­wei­se be­währt sich das Kon­zept aber auch an­dern­orts. „Gen­ana­ly­sen deu­ten dar­auf hin, dass es auch an tro­pi­schen See­grä­sern und in Salz­wie­sen sol­che Sym­bio­sen gibt“, sagt Mohr. „So schaf­fen es die­se Blü­ten­pflan­zen, ver­schie­dens­te, au­gen­schein­lich nähr­stoff­ar­me Le­bens­räu­me zu be­sie­deln, im Was­ser eben­so wie an Land.“

Symbiose im Wandel der Jahreszeiten

Je nach Jah­res­zeit sind in den Küs­ten­ge­wäs­sern un­ter­schied­lich vie­le Nähr­stof­fe vor­han­den. Im Win­ter und Früh­jahr rei­chen die im Was­ser und Se­di­ment vor­han­de­nen Nähr­stof­fe den See­grä­sern aus. „Die Sym­bi­on­ten sind dann zwar ver­ein­zelt in den Wur­zeln der Pflan­zen vor­han­den, sind aber wahr­schein­lich nicht sehr ak­tiv“, so Mohr. Im Som­mer, wenn das Son­nen­licht zu­nimmt und im­mer mehr Al­gen wach­sen und die we­ni­gen vor­han­de­nen Nähr­stof­fen auf­zeh­ren, wird der Stick­stoff schnell knapp. Dann über­neh­men die Sym­bi­on­ten. Sie lie­fern den See­grä­sern di­rekt den Stick­stoff, den sie brau­chen. So ist es mög­lich, dass die See­grä­ser im Som­mer, wenn ei­gent­lich kar­ge Zei­ten an­bre­chen, ihr größ­tes Wachs­tum auf­wei­sen.

© Daniela Tienken/Soeren Ahmerkamp/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie | Die Symbiose unter dem Mikroskop: Links ein Querschnitt durch eine Seegraswurzel, rechts eine Fluoreszenzaufnahme der Bakterien (in pink) im Inneren der Seegraswurzel.

Viele Methoden ergeben ein klares Bild

Die nun vor­lie­gen­de Stu­die schlägt eine Brü­cke über das ge­sam­te Öko­sys­tem, von der Pro­duk­ti­vi­tät des See­gra­ses bis hin zu den da­für ver­ant­wort­li­chen Sym­bi­on­ten im Wur­zel­werk. Um das zu er­mög­li­chen nutz­ten die For­schen­den eine Viel­zahl ver­schie­de­ner Me­tho­den und ka­men der Sym­bio­se so de­tail­liert wie mög­lich auf die Spur: Sau­er­stoff­mes­sun­gen un­mit­tel­bar vor Ort ver­rie­ten die Pro­duk­ti­vi­tät der See­gras­wie­se. Mi­kro­sko­pie­tech­ni­ken, bei de­nen ein­zel­ne Bak­te­ri­en­ar­ten farb­lich mar­kiert wer­den kön­nen (das so­ge­nann­te FISH) hal­fen da­bei, die Bak­te­ri­en in und zwi­schen den Wur­zel­zel­len der See­grä­ser zu lo­ka­li­sie­ren. Im Na­no­SIMS, ei­nem hoch­mo­der­nen Mas­sen­spek­tro­me­ter, zeig­ten sie die Ak­ti­vi­tät der ein­zel­nen Bak­te­ri­en. So­ge­nann­te ge­no­mi­sche und tran­skrip­to­mi­sche Ana­ly­sen er­ga­ben, wel­che Gene für die In­ter­ak­ti­on ver­mut­lich be­son­ders wich­tig sind und dass die­se stark ge­nutzt wer­den. So ge­lang den For­schen­den eine fun­dier­te und de­tail­lier­te Be­schrei­bung die­ser er­staun­li­chen Zu­sam­men­ar­beit. „Als nächs­tes wol­len wir nun die­se neu­en Bak­te­ri­en ge­nau­er un­ter­su­chen“, sagt Mohr. „Wir wol­len sie im La­bor iso­lie­ren um ge­nau­er zu un­ter­su­chen, wie die Sym­bio­se funk­tio­niert und ent­stan­den ist. Span­nend wird si­cher auch die Su­che nach ver­gleich­ba­ren Sys­te­men in an­de­ren Re­gio­nen und Le­bens­räu­men.“  

Wieb­ke Mohr, Na­di­ne Leh­nen, Soe­ren Ah­mer­kamp, Han­nah K. Mar­chant, Jon S. Graf, Bern­hard Tschitsch­ko, Pe­lin Yil­maz, Sten Litt­mann, Ha­rald Gru­ber-Vo­di­cka, Ni­ko­laus Leisch, Mi­ri­am We­ber, Chris­ti­an Lott, Cars­ten J. Schu­bert, Jana Mi­lucka, Mar­cel M. M. Kuy­pers (2021): Ter­restri­al-type ni­tro­gen-fi­xing sym­bio­sis bet­ween se­agrass and a ma­ri­ne bac­te­ri­um. Na­tu­re (2021)

Quelle

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie 2021

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