Erhöhung des Meeresspiegels durch Schmelzwasser
Grönlands wachsende Eisschichten verstärken den Schmelzwasserabfluss und sorgen für eine Erhöhung des Meeresspiegels
Immer mehr Meter dicke, wasserundurchlässige Schichten aus Eis bilden sich im Innern von Grönlands Eisschild aus. Und zwar dort, wo sich eigentlich poröser Firn befindet. Dieser poröse Firn fungiert normalerweise als Schmelzwasserspeicher. Die neu entstehenden Eisschichten verhindern jedoch das Eindringen des Wassers und folglich fließt das aufkommende Schmelzwasser ins umliegende Meer – und trägt so zu einem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels bei, berichtet ein internationales Forschungsteam in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature.
Zentimeter zusätzlichen Meeresspiegelanstieg bedeuten – je nach verwendeter Klimaprognose, schlussfolgert Mike MacFerrin von der Uni Boulder in Colorado, USA, Erstautor der Studie, an der auch Forschende vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), der LMU München und dem SLF Davos beteiligt sind. Im Jahr 2000 war die Abflusszone rund um Grönland etwa so groß wie das Land Polen. Zwischen 2001 und 2013 wuchs dieser Bereich um rund 65.000 Quadratkilometer zusätzlich an, rein aufgrund der wachsenden Ausbreitung von Eisschichten. Dies entspricht ungefähr einem durchschnittlichen Anstieg von zwei Fußballfeldern pro Minute.
Eine weitere Erwärmung des Klimas würde dabei die Schmelzwasserrückwirkungen verstärken und die Eisschichten weiterwachsen lassen, schlussfolgern die Studienautoren in der Pressemitteilung der Uni Boulder. Es handle sich dabei um einen Schneeballeffekt, der bei weiterem Schmelzen mehr Eisschichten erzeugt, die dann wieder ein weiteres Schmelzen begünstigen.
Dabei treten solche Schmelzereignisse in Grönland immer häufiger auf, zuletzt auch in Rekorddimensionen: Im Juli 2012 schmolzen oberflächlich 97 Prozent des gesamten grönländischen Eisschildes. Und diesen Sommer gab es erneute Rekordschmelzen: Zwischen Ende Juli und Anfang August wurden die Abflussmengen zeitweise auf zehn bis zwölf Milliarden Tonnen pro Tag geschätzt – damit reichen die Werte ziemlich nah an das Rekordjahr 2012 heran.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass die diesjährige Rekordschmelze einen starken Beitrag zur weiteren Ausdehnung dieser wasserundurchdringlichen Eisschichten geleistet hat“, prognostiziert Achim Heilig, früherer AWI-Gastwissenschaftler von der LMU und einer der beteiligten Autoren.
Dieser Prozess verändert die gegenwärtige und zukünftige Hydrologie des Eisschildes grundlegend. Solche arktischen Rückkopplungen sind kritisch zu verstehen, denn sie zeigen, wie sehr und wie schnell ein sich erwärmendes Klima die am stärksten gefährdeten Regionen der Erde verändern kann.
„Das Alfred-Wegener-Institut ist seit mehreren Jahren zusammen mit der LMU München und dem SLF Davos an diesen Arbeiten beteiligt. Die neuen Ergebnisse sind wichtig, um zukünftigen Auswirkungen der Klimaerwärmung besser abschätzen zu können. Um Änderungen in den großen Flächen der Eisschilde Grönlands und der Antarktis zu erfassen, ist die Satellitenfernerkundung eines unserer bedeutendsten Werkzeuge. Für Vorhersagen in die Zukunft werden verschiedene Modelle verwendet“, erläutert Prof. Dr. Olaf Eisen, AWI Glaziologie. „Wie diese Studie klar zeigt, ist es darüber hinaus aber auch weiterhin wichtig, die Prozesse im Kleinen vor Ort zu beobachten, um das Gesamtsystem zu verstehen. Das ist nur durch Feldstudien möglich, wie sie das AWI beispielsweise in Nord-Ost-Grönland seit Jahren regelmäßig durchführt.“
Zum aktuellen Zustand der Kryosphäre, dem gefrorenen Teil unserer Welt, wird der Weltklimarat IPCC am 25. September seinen Sonderbericht „Ozeane und Kryosphäre im Klimawandel (SROCC)“ vorstellen.