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Atomkraftwerke als Zielscheiben von Terrorangriffen?

Mit den aktuellen Terroranschlägen ist die Gefährdung von Atomkraftwerken wieder in die Schlagzeilen gekommen. Sind Atomkraftwerke gegen Terrorismus gesichert oder stellen Terroristen eine erhebliche Gefahr dar? Es zeigt sich, dass die Möglichkeiten für einen Anschlag auf ein Atomkraftwerk vielfältig sind.

Atomkraftwerke sind gegen terroristische Angriffe adäquat geschützt. Zu diesem Schluss kommt zumindest das World Institute for Nuclear Security (WINS) in seinem Jahresbericht von 2014[1,2]:

„[The] general opinion on the part of the community of nuclear power experts and many others worldwide is that the current schemes used to achieve the desired security regime seem adequate in the area of protecting nuclear facilities, everywhere around the world”.

(Aus Nuclear power: Status report and future prospects. Robert J. Budnitz in Energy Policy, 2016)

WINS ist eine Organisation, die 2008 in Wien gebildet wurde. Ihr Ziel ist nach eigener Aussage, die führende Position in nuklearem Sicherheitsmanagement zu übernehmen. Finanzielle Unterstützung erhält WINS unter anderem von mehreren Außenministerien von Atomkraftstaaten. Ebenso beteiligt ist auch das Department of Energy der Vereinigten Staaten, das nicht nur direkt, sondern auch indirekt über die Finanzierung verschiedener Forschungsorgane des WINS die Forschung zugunsten der Atomlobby unterstützt.[4]

Es erscheint selbstverständlich, dass sich Atomkraftstaaten auch mit der Sicherheitsfrage der Atomenergie auseinander setzen. Firmen die an der Atomindustrie verdienen, sind allerdings fragwürdige Geldgeber für diese Aufgabe: Firmen wie Bruce Power, ein kanadischer Energiekonzern und AKW-Betreiber, sowie Urenco, eine britische Firma die mit der Anreicherung von Uran und der Herstellung von Zentrifugen zur Anreicherung von Uran Geld verdient.

Außerdem erwähnenswert ist die Beteiligung der japanischen Atomenergieagentur (JAEA). Diese ist fest in der Hand des Nuclear Village, der mächtigen japanischen Atomlobby. Sie hat durch Korruption, Vertuschung und laxe Sicherheitsstandards maßgeblich zum GAU von Fukushima und zu den Atomunfällen in Tokai-Mura beigetragen und ist derzeit vor allem mit deren Vertuschung beschäftigt.[3]

Die fragwürdigen Affiliationen die hinter WINS und somit auch hinter der Aussage stehen, atomare Einrichtungen seien sicher, lassen daran zweifeln, dass diese wirklich zutrifft. Gibt es außerdem noch andere Belege dafür, dass Reaktoren und Lagerstätten von angereichertem Uran oder radioaktivem Müll Ziel von terroristischen Angriffen sein könnten und nicht ausreichend vor diesen geschützt sind?

Der früheste Vorfall dieser Art ereignete sich 1982 in Südafrika. Damals schafften es Angehörige des African National Congress (ANC) mithilfe eines Mitarbeiters des damals noch im Bau befindlichen Atomkraftwerks Koeberg, 4 Haftminen zu platzieren. Diese explodierten zwischen dem 18. und 19. Dezember 1982 an den 2 Reaktorköpfen, sowie an strategischen Orten unterhalb der Kontrollräume des Kraftwerks. Ein Austritt radioaktiven Materials wurde von der Regierung damals jedoch verneint. Trotzdem zeigt dieser Vorfall, dass ein Angriff auf ein Atomkraftwerk mithilfe eines „Insiders“ möglich ist.[5]

„Insiderjobs“ sind eine befürchtete Art von Angriffen auf AKWs. Außerdem sind die Anlagen aber auch für Angriffe von außen vulnerabel. Eine immer wieder genannte Gefahr ist der Angriff auf Atomkraftwerke mittels Flugzeugen, zum Beispiel entführte Linienflugzeuge. Ein Jahr nach den terroristischen Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon vom 11. September 2001 wurde auf dem Nachrichtensender Al Jazeera ein Interview ausgestrahlt, demzufolge ursprünglich ein AKW als einer der Angriffspunkte ausgewählt worden sei. Wie ein Bericht des US-Kongress zeigt, wurden als Reaktion auf die Anschläge die Sicherheitsbestimmungen für Atomkraftwerke in den USA verschärft. Die Architektur der AKWs sei auf Extremsituationen wie Wirbelstürme und Erdbeben ausgerichtet, nicht aber auf einen Angriff mit einem betankten Passagierflugzeug.[6]

Der jüngste Fall von Terrorgefahr für ein Atomkraftwerk wird gerade in Belgien und europaweit in den Medien diskutiert.[7-11] Berichten zu Folge  sollen zwei der Attentäter, die die Selbstmordanschläge auf den Brüsseler Flughafen und die Metro verübten, das private Haus eines belgischen Kernforschers mit einer versteckten Kamera gefilmt haben – zu welchem Zweck ist noch unklar. Außerdem sei ein belgisches AKW ursprüngliches Ziel des Angriffs gewesen, und man sei nur deshalb vom Plan abgewichen, weil der Druck durch die laufenden Ermittlungen der Polizei ein näherliegendes Ziel erforderlich gemacht hätte.

Unabhängig davon, wie vertrauenswürdig einem die Medienberichte erscheinen mögen, gibt es doch eine große Anzahl an Menschen und Organisationen, die davon überzeugt ist, dass das aktuelle Sicherheitsniveau für Atomkraftwerke und -anlagen nicht ausreichend vor terroristischen Anschlägen schützt.[13-15] Hinzu kommt der bisher nicht angesprochene „Cyberterrorismus“ – Die Möglichkeit eines Anschlags auf ein Atomkraftwerk ohne bewaffneten Überfall, Flugzeugentführung oder das Einschleusen von „Maulwürfen“. [8-15]

Die Möglichkeiten für einen Anschlag auf ein Atomkraftwerk sind also vielfältig. Die Umsetzung ist laut einigen Expertenmeinungen relativ leicht möglich. Und die vielen Attacken und Versuche, die bisher erfolgt sind (1970-1999 insgesamt 167) [13] belegen eindrücklich, dass auch der Wille auf vielen Seiten vorhanden ist. Es gehört sicherlich viel Glück dazu, dass bisher keiner der Anschläge ein verheerendes Ausmaß angenommen hat. Das Glück wird aber nicht ewig anhalten.

Quellen

1 WINS, 2014. Hitting the Target, Annual Report for 2014, World Institute for Nuclear Security, Vienna
2 Budnitz, R.J., Nuclear power: Status report and future prospects. Energy Policy (2016), dx.doi.org/10.1016/j.enpol.2016.03.011
3 www.ippnw.de/atomwaffen/humanitaere-folgen/artikel/de/yin-und-yang-weshalb-japan-sich.html
4 WINS, 2015. Hitting the Target, Annual Report for 2015, World Institute for Nuclear Security, Vienna.
5 J. van Wyk, “Nuclear terrorism in Africa: The ANC´s Operation Mac and the attack on the Koeberg Nuclear Power Station in South Africa”, Historia 60, 2, November 2015, pp 51-67. dx.doi.org/10.17159/2309-8392/2015/v60n2a3
6 C. Behrens, M. Holt, Nuclear Power Plants: Vulnerability to Terrorist Attack. CRS Report for Congress, 9th of August 2005
7 www.independent.ie/world-news/europe/attackers-switched-target-from-nuke-plant-at-last-minute-says-paper-34571591.html
8 www.sueddeutsche.de/politik/atomkraftwerke-als-terrorziele-jedes-sicherheitskonzept-hat-luecken-und-grenzen-1.2923786
9 www.zeit.de/wirtschaft/2016-03/terrorismus-kernkraftwerke-bruessel-schutz-anschlaege
10 www.taz.de/!5289584/
12 www.greenpeace.org/international/en/campaigns/nuclear/safety/nuclear-terrorism
13 www.bund-rvso.de/akw-terror.html
14 www.taz.de/!5161254/
15 www.deutschlandfunk.de/akws-als-ziele-von-hackern-die-gefahr-ist-leider-sehr.684.de.html

Quelle

Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) | Elisa Wittmack 2016

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