Deutsche wollen mehr in die Zukunft Europas investieren
Neun von zehn Deutschen wollen laut einer Umfrage mehr in Europa investieren, wenn es um konkrete Politikfelder und Aufgaben geht. Rund 61 Prozent der Befragten sehen sich nicht als „Zahlmeister Europas“.
Eine heute in Berlin vorgestellte Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Progressiven Zentrums stellt auf Grundlage einer Umfrage fest, dass neun von zehn Deutschen mehr in Europa investieren wollen, wenn es um konkrete und zukunftsrelevante Politikfelder wie Klima und Umweltschutz, Bildung, Forschung und Innovation oder Verteidigung und Sicherheit geht. Den Nutzen der EU sehen die Deutschen laut der Studie „Vom Zahlmeister zum Zukunftsmeister – Ein neues Selbstverständnis Deutschlands in der EU“ in erster Linie politisch und in zweiter Linie wirtschaftlich: 76,6% sind der Meinung, dass Deutschland seine politischen Ziele eher mit als ohne die EU erreichen kann. 66% glauben, dass Deutschland unterm Strich wirtschaftlich mehr Vor- als Nachteile von der EU hat.
Eine Mehrheit von 60,7% hält den finanziellen Beitrag Deutschlands zum EU-Budget nicht für zu hoch. Davon meinen 51,1%, dass der Beitrag angemessen ist und 9,6% halten ihn für zu niedrig. Eine klare Mehrheit der Deutschen von jeweils über 75% wünscht sich zudem künftig ein kooperativeres und aktiveres Auftreten Deutschlands in der EU. Nur 22,6% präferieren ein dominantes Auftreten gegenüber den anderen EU-Ländern und 19,8% ein weniger aktives Verhalten.
Die Autor/innen der Studie Johannes Hillje und Dr. Christine Pütz fassen die Ergebnisse der Studie wie folgt zusammen: „Die Mehrheit der Deutschen fühlt sich nicht als Zahlmeister Europas, will aber das Deutschland zum Zukunftsmeister Europas wird. Die Deutschen reflektieren mehrheitlich die EU-Mitgliedschaft weit über den wirtschaftlichen Nutzen hinaus und wünschen sich mehr politisches und finanzielles Engagement von Deutschland und den EU-Partnern. Zukunftsrelevante Themen wie Klimaschutz, Forschung und Sicherheit stehen oben auf der Agenda der Bürger. Die Zeit ist reif für ein neues, zukunftsorientiertes und über rein ökonomische Parameter hinausgehendes Selbstverständnis von Deutschlands Rolle in Europa.“
Dr. Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte: „Der deutsche Europadiskurs ist bis heute auch von der These geprägt, Deutschland sei „Zahlmeister Europas“ und tue bereits mehr als genug für die EU – das ist ein Mythos, der nicht stimmt. Pro Kopf zahlen die Bundesbürger/innen nicht mehr als andere in den EU-Haushalt. Zudem profitiert Deutschland als Exportnation überdurchschnittlich vom Binnenmarkt. Unsere Erhebung zeigt, dass die EU-Mitgliedschaft der deutschen Bevölkerung durchaus viel wert ist. Die Mehrheit wünscht sich eine aktivere und kooperativere deutsche Europapolitik und ist bereit, mehr in die Zukunft Europas und damit in die eigene Zukunft zu investieren, wenn es denn um konkrete gemeinschaftliche Politikfelder geht. Die Ergebnisse sind ein klarer Appell, Zurückhaltung und Stillstand in der deutschen Europapolitik der letzten Jahre nicht länger auf die Wähler/innen zu schieben.
Die deutsche Europapolitik muss vielmehr mit konkreten Strategien in den zukunftsbestimmenden Politikfeldern die Glaubwürdigkeit des europäischen Versprechens von Frieden, Freiheit und Wohlstand wiederherstellen. Das ist die zentrale Herausforderung künftiger Europapolitik, gerade auch in Deutschland. Diese Herausforderung ist nur zu meistern, wenn Deutschland seiner Verantwortung für Europa aktiv gerecht wird.“
Für die Studie „Vom Zahlmeister zum Zukunftsmeister – Ein neues Selbstverständnis Deutschlands in der EU“ hat das Meinungsforschungsunternehmen Civey zwischen dem 23. und 25.01.2019 online 5.000 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Zudem wurden drei 90-minütige Fokusgruppen von pollytix research durchgeführt.