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Die Schattenseiten der IT-Branche

Fast jeder trägt heutzutage Silber, Gold und Platin – jedoch nicht am Finger oder Hals. Die kostbaren Edelmetalle liegen verborgen im Chip-Gehäuse unserer Mobilgeräte. Laut Angaben des Branchenverbandes BITKOM hat ein Bundesbürger im Durchschnitt 1,3 Handys in Gebrauch. Ungefähr 30 Metalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel, Zink, Gold, Platin oder Tantal finden sich in einem Gerät. Doch so allgegenwärtig Handys, Laptops & Co. in unserem Leben sind, so wenig bekannt sind die gesellschaftlichen Probleme, die sich hinter diesen Geräten verbergen.

Der enorme Boom der IT-Branche lässt die Nachfrage nach Metallrohstoffen in die Höhe schnellen. Viele der Ressourcen werden in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Indonesien, China oder verschiedenen afrikanischen Staaten abgebaut. Die Demokratische Republik (DR) Kongo ist ein wichtiger Rohstofflieferant für die Elektronikindustrie: Ungefähr die Hälfte des weltweit geförderten Kobalts stammt derzeit aus der DR Kongo sowie aus Sambia. Die Elektronikindustrie nutzt etwa ein Viertel der weltweiten Kobaltproduktion und trägt damit eine Mitverantwortung für die Situation in den Abbauregionen. Doch um sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden, müssen die Hersteller von Elektronikgeräten erkennen, was am Anfang ihrer Produktionskette geschieht. Mit Studien zu Kobalt, Zinn und Platinmetallen hat das europäische Projekt makeITfair die Hersteller von Elektronikgeräten über die Probleme informiert.

Kinderarbeit und Todesfälle

Die Arbeit im Rohstoffabbau ist gefährlich und wird schlecht bezahlt. Viele Arbeiter leiden an ernsthaften Erkrankungen der Lunge, da sie den Mineralstäuben in den Minen schutzlos ausgeliefert sind. Nicht selten endet die Arbeit sogar im Unfalltod. Oft setzen die Bergbaufirmen Leiharbeiter mit befristeten Verträgen und extrem niedrigen Löhnen ein. Auch Kinderarbeit ist ein Problem: In der DR Kongo schuften schätzungsweise 50.000 Kinder im Kobaltabbau – manche von ihnen sind erst sieben Jahre alt.

Gravierende Schädigung der Natur

Der Abbau von Kobalt hat in der Provinz Katanga bereits irreversible Zerstörungen der Natur ausgelöst. Abwässer und Abraum mit giftigen Substanzen wie Arsen, Kadmium oder Blei werden ungeklärt in umliegenden Gebieten und Flüssen entsorgt. Das uranhaltige Kobalterz verstrahlt zudem Arbeiter, Böden und Wasser radioaktiv. Für die Arbeiter in den Minen und die Menschen in der Region bedeutet dies nicht nur eine direkte Gefährdung ihrer Gesundheit, sondern auch die Vernichtung ihrer Einkommensquelle. Bauern, die bisher mit der Landwirtschaft ihr Einkommen sicherten, haben diese Lebensgrundlage aufgrund der radioaktiven Verseuchung verloren.

Reiche Rohstoffvorkommen heizen kriegerische Konflikte an

Die DR Kongo ist mit ihren Vorkommen an Coltan, Zinn, Kobalt, Diamant und Gold eines der rohstoffreichsten Länder der Welt. Der Abbau fördert jedoch weder allgemeinen Reichtum noch Entwicklung. Die DR Kongo rangiert im Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen auf einem der letzten Plätze. Die Erlöse aus dem Rohstoffabbau haben einen grausamen Bürgerkrieg zwischen Rebellengruppen und Regierungstruppen angeheizt.

Internationale Aufmerksamkeit hat lediglich die Gewinnung von Coltan erweckt. Coltan-Erz enthält das seltene und teure Metall Tantal, das zu 60 Prozent in der Computer- und Handyproduktion eingesetzt wird. Neben Coltan ist aber auch der Abbau von Zinn ein Problem. Zwar liefert die DR Kongo nur zwei bis drei Prozent des weltweit produzierten Zinns, aber Berichten zufolge fließen immer mehr Einnahmen daraus in die Taschen bewaffneter Rebellengruppen.

Darüber hinaus führt der Rohstoffabbau zu weiteren Menschenrechtsverletzungen. Insbesondere beim flächigen Abbau wie dem Goldtagebau wird die Bevölkerung häufig zwangsumgesiedelt und nicht angemessen entschädigt. In Krisenregionen schützen Bergbauunternehmen ihre Anlagen oft durch bewaffnete Sicherheitskräfte, die die Rechte der umliegenden Gemeinden mit Füßen treten.

Unternehmen der Elektronikindustrie die Augen öffnen

Da die Verbraucher im Gegensatz zu Kaffee oder Bananen die Minerale nicht im Geschäft kaufen, können sie nicht direkt Druck auf Rohstoffunternehmen ausüben. Deshalb stehen mit der IT-Industrie die verarbeitenden Unternehmen im Mittelpunkt von Projekten wie „makeITfair“. Die Unternehmen der Elektronikindustrie stritten ihre Verantwortung zwar zunächst ab. Über die Unternehmensverbände Electronic Industry Citizens Coalition (EICC) und Global e-Sustainability Initiative (GeSI) reagierten sie dann aber mit gemeinsamen Pilotprojekten, um die Mineralien bis zur Mine zurückzuverfolgen. Seit die USA im Juli 2010 den „Dodd-Frank-Act“ unterzeichnet haben, kam zusätzlich Bewegung in die Sache.

Das neue Gesetz verbietet es seit Ende 2011, in den USA Produkte einzuführen, in denen Rohstoffe aus Konfliktregionen verbaut sind. Die erste „konfliktfreie“ Metallhütte war bereits Ende 2010 ausgezeichnet. Wenn Unternehmen es sich aber nun ganz einfach machen und keine Rohstoffe mehr aus der DR Kongo kaufen, hätte dies für die Menschen, die vom Rohstoffabbau leben, ebenso folgenschwere Auswirkungen.

Über Transparenz von Zahlungsflüssen die Finanzierung von Rebellen zu verhindern, ist zudem nur ein Anfang. Langfristiges Ziel muss es sein, die Einhaltung der Menschenrechte sowie von Arbeits- und Umweltstandards beim Rohstoffabbau sicherzustellen. Solange es noch keine wirklich fairen IT-Geräte gibt, können Verbraucher vor allem durch eine längere Nutzung sowie das Recyceln von ausgedienten Elektronikgeräten dazu beitragen, die Auswirkungen von IT-Geräten auf Mensch und Umwelt so gering wie möglich zu halten.

Quelle

Cornelia Heydenreich und Christina Schelhove 2012Die Autorinnen arbeiten für Germanwatch. Die Non-Profit-Organisation koordiniert die deutschen Aktivitäten des europäischen Projektes makeITfair, das sich mit den menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der IT-Industrie befasst.Veröffentlichung in FORUM Nachhaltig Wirtschaften 2012

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