Erneuerbare Energien: Erdwärme und Wellen 3/3
In der Tiefe liegt die Kraft: Wärme aus dem Innern der Erde und Strom aus den Gezeiten sind endlos verfügbar – man muss sie nur nutzen. HÖRZU-Autor Franz Alt weist Wege aus der aktuellen Energiekrise.
Erdwärme – In der Tiefe liegt die Kraft!
Der Bürgermeister von Landau sagte mir 1997: „In 20 Jahren gibt es in meiner Stadt keine einzige Ölheizung mehr. Wir können alle Energie aus Erdwärme gewinnen.“
Es dauert vielleicht ein paar Jahre länger, so meint man heute in Landau, aber grundsätzlich ist die Energieversorgung ganzer Städte wie Landau mit 60.000 Einwohnern durch Energie von ganz unten möglich.
Die Energie aus dem Bauch der warmen Erde wird bislang ähnlich unterschätzt wie noch vor einigen Jahren die Biomasse-Energie. Doch in der Tiefe liegt viel Kraft.
99 Prozent der Erdmasse sind mindestens 1000 Grad Celsius heiß. Unter der Erde ist viel Wärme gespeichert. Je tiefer, desto mehr. In Island werden schon heute 85 Prozent der Wärmeversorgung über Erdwärme gewonnen. Öl und Gas zum Heizen sind dort praktisch verschwunden.
In Paris werden seit 25 Jahren etwa 250.000 Wohnungen mit Wärme aus der Tiefe versorgt. San Francisco erzeugt seinen Strom komplett über Erdwärme. In Gegenden vulkanischen Ursprungs wird über Erdwärmekraftwerke der gesamte Stromverbrauch organisiert: zum Beispiel auf den Azoren, in Nicaragua und in El Salvador. Auf den Philippinen liefert Erdwärme bereits 23 Prozent des gesamten Energieverbrauchs, in Neuseeland 10 % des Stromverbrauchs.
Im Elsass fressen sich Bohrer bereits 5.000 Meter tief in die Erde. In einigen Jahren soll in Soultz-sous-Forêts das Europäische Geothermie-Projekt 20 Megawatt elektrische Leistung erzeugen. Das ist Strom für eine Stadt mit 50.000 Einwohnern.
Schon seit Jahren setzen viele Bürgermeister auf beiden Seiten des Rheins ihre Energiehoffnungen auf dieses Projekt. Badische und elsässische Kommunen wollen künftig Heizenergie aus Erdwärme gewinnen.
Gelingt in Soultz die Stromgewinnung, kommen wir der Erschließung einer nahezu unerschöpflichen Energiequelle ein gutes Stück näher. Die Geothermische Vereinigung schätzt, dass mit Erdwärme ein Viertel des deutschen Strombedarfs gedeckt werden könnte – mehrere tausend Jahre lang. (Mehr Informationen dazu unter www.soultz.net)
Auch in Deutschlands Erdkruste schlummern enorme Potentiale für geothermischen Strom. Das jedenfalls ist das wesentliche Fazit einer Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) des Deutschen Bundestages.
Die Kernaussagen sind eindeutig: Die bis in sieben Kilometern Tiefe unter unseren Füßen vorhandene Erdwärme würde theoretisch ausreichen, mehr als das Sechshundertfache des deutschen Jahresstrombedarfs zu decken. Bei einer Nutzung der Abwärme könnte dies noch einmal um das Dreihundertfünzigfache und unter Einsatz von Großwärmepumpen sogar um das Sechshundertfache unseres jährlichen Wärmebedarfs gesteigert werden. Theoretisch natürlich!
In einem künftigen erneuerbaren Energiemix stellt aber auch praktisch die Geothermie als Grundlast-Energieträger die ideale Ergänzung zu Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse dar. Geothermische Kraftwerke lassen sich wie herkömmliche gas-, öl- oder kohlebefeuerte Anlagen ohne großen regelungstechnischen Aufwand in das Stromverbundnetz eingliedern. Dafür notwendige Technologien stehen zur Verfügung oder befinden sich unmittelbar vor der Einsatzreife.
In Unterhaching am Stadtrand München liegt an einem Frühlingstag 2007 ein Hauch von Energiewende in der Luft. Hier entsteht das ehrgeizigste Geothermiekraftwerk Deutschlands. Bürgermeister Erwin Knapek, Physiker von Beruf, hofft auf viele Nachahmer. Vor allem im Süden der Republik könnte es künftig viele Unterhachings geben. Strom- und Wärmegewinnung aus dem heißen Untergrund ist generell an vielen Orten möglich. Der Landkreis Konstanz will bis 2030 zu 100 % auf Erneuerbare Energien umsteigen. Etwa 30 % sollen aus der Tiefe kommen. Das ist freilich nur an besonders günstigen Standorten möglich.
Doch an vielen Orten, wo es vor einigen Jahren noch eine regelrechte Geothermie-Euphorie gab, herrscht jetzt Ernüchterung. Denn erstens dauert alles länger als ursprünglich erhofft und zweitens gab es unvorhergesehene Probleme wie weniger heißes Wasser im Gestein oder mit Bohrern nur schwer zu durchdringendes Gestein oder auch Unfälle wie bei einem Geothermie-Projekt im Frühjahr 2007 in Basel, wo wegen technischer Fehler ein Erdbeben ausgelöst wurde.
Das Interesse an der Urkraft aus der Tiefe wächst in ganz Deutschland. Die Bürgermeister von Karlsruhe und Bruchsal, von Offenburg und Freiburg und vielen anderen Orten am Oberrhein blicken auf Unterhaching. Die Fachleute der Umweltbewegung „Eurosolar“ schätzen, dass bis zum Jahr 2020 etwa 5 % der Energie in Deutschland über die Wärme-Kraft aus der Erdrinde gewonnen werden können.
Wellenenergie – Ein Titan erwacht!
Auch im Meer schlummert unendlich viel Energie: theoretisch etwa 76-mal mehr als die heute 6,6 Milliarden Menschen insgesamt verbrauchen.
In allen Zeiten wurden die Kraft des Meeres und die Macht der Wellen, der Gezeiten und Meeresströmungen als eine der stärksten Kräfte auf unserem Globus geschätzt und gefürchtet. Das Energiepotential der Meere ist ähnlich unerschöpflich wie Sonnen- und Windenergie oder auch Erdwärme.
Mehr als 75 % der Erdoberfläche werden durch Wasserflächen bedeckt, das meiste davon ist Meer.
Bei der herkömmlichen Wasserkraftnutzung sind die meisten Ressourcen – zumindest bei großen Kraftwerken – weltweit erschlossen, während Energiequellen in den Weltmeeren in gigantischem Ausmaß noch brach liegen.
Eine Meeresfläche von der Größe Spaniens würde theoretisch ausreichen, um den gesamten Weltenergiebedarf zu decken – Wellenenergiefachleute haben ausgerechnet, dass eine Meeresfläche von zwei Quadratkilometern Größe bereits ein Atomkraftwerk ersetzen kann.
Nach Berechnungen des portugiesischen Wave Energy Centre können einzelne Länder wie Irland ihren Strombedarf zu 100 % über Wellenkraft zu erzeugen. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags geht davon aus, dass in der Praxis 15 % des gesamten Weltstrombedarfs über Wellenkraftwerke gewonnen werden können.
Die Natur stellt uns insgesamt theoretisch vieltausendfach mehr Energie zur Verfügung als heute alle Menschen verbrauchen: Allein die Wasserkraft bietet uns theoretisch die Hälfte unseres derzeitigen Verbrauchs, die Bioenergie 15 mal mehr als wir derzeit weltweit verbrauchen, die Strömungs- und Wellenenergie der Ozeane 76 mal mehr, die Windenergie 308 mal mehr und die Sonne 15.000 mal mehr. Das heißt: Auch in der Praxis haben wir für alle Zeit, was alle Menschen verbrauchen, ohne unlösbare Probleme. Es gibt also gar kein Energieproblem – es gibt nur falsches Energieverhalten. Aber das können wir ändern – so wie es frühere Generationen beim Umstieg von Holz auf Kohle oder von Kohle auf Öl auch taten.
Das Zusammenspiel von Sonne und Mond
Die Kraft aus dem Meer kann durch das natürliche Zusammenspiel von Sonne und Mond genutzt werden. Die Sonne bewirkt Verdunstung, Regen und Temperaturunterschiede, welche die Winde verursachen – der Mond organisiert durch Gravitation die Gezeiten im Zusammenspiel mit der Erddrehung.
Deshalb können wir die Meeresenergie nutzen über:
- Gezeitenkraftwerke wie zum Beispiel schon lange in der Bretagne in Frankreich
- Wellenkraftwerke wie sie in England und USA entwickelt und erprobt werden und
- Strömungskraftwerke.
Die portugiesische Regierung hat als erste Regierung Europas in ihrem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Wellenenergie bereits berücksichtigt. Deutschland will es noch 2008 auch tun.
An den Küsten Irlands, Islands, Norwegens, Spaniens, Portugals, bei Gibraltar und am Nordkap, aber auch an der deutschen Nordseeküste kann künftig über die Kraft der Wellen ein Teil unserer Stromversorgung organisiert werden. Nach ersten Versuchen sind Wissenschaftler davon überzeugt, dass Wellenstrom für 10 Cent pro Kilowattstunde erzeugt werden kann. Dieser Preis ist heute zwar noch nicht konkurrenzfähig gegenüber den alten Energiequellen, aber in 10 Jahren sehr wahrscheinlich.
In England wird Strom aus Wellen bereits mit 15 Cent pro KWh vergütet.
In Deutschland, das auch in der Meeresenergieforschung zusammen mit England weltweit führend ist, ist die staatliche Förderung zurzeit praktisch gleich null. „Seaflow“, eine Unterwasserwindmühle vor der britischen Westküste, ist das einzige Meeresenergieprojekt, das die Europäische Union zurzeit fördert. Aber immerhin will der Stromkonzern EnBW mehrere Wellenkraftwerke – beinahe unsichtbar – an der niedersächsischen Nordseeküste bauen lassen. Nicht nur Wind, Sonne, Wald und Acker, sondern auch der Meeresboden könnte künftig eine gigantische „Steckdose“ für die Menschheit werden – erneuerbar, preiswert und für alle Zeit nutzbar.
Die oben genannten Zahlen der Energiepotentiale von Sonne, Wasser, Wind, Bioenergie und Wellenkraft machen deutlich, dass mit entsprechendem politischen Willen und vorhandener Lernbereitschaft der Energieverbraucher die hundertprozentige Energiewende in wenigen Jahrzehnten möglich ist. Wenn wir gut und lernfähig sind: bis zum Jahr 2040!
Energiereserven im Meer
Für die fernere Zukunft haben Wissenschaftler die Energievisionen: automatische, schwimmende Windmaschinen, die das Strömungsgefälle an der Meeresoberfläche zur Energiegewinnung ausnutzen können. Die erste schwimmende Kombination von Wind- und Wasserkraft gibt es als Prototyp vor Englands Küste.
Eine zweite Vision
Energie aus dem Wärmegefälle der Meere. Riesige Plattformen schwimmen auf dem Meer und senken Rohre in die Tiefe. Sie pumpen nur Wasser und fördern dennoch gewaltige Mengen an Energie. Die hochtourig laufenden Turbinen erzeugen Elektrizität, mit der Meerwasser zersetzt wird, um die wartenden Schiffe mit wertvollem Wasserstoff in flüssiger Form zu versorgen.
Heute haben wir mit den erneuerbaren Energien erstmals die Möglichkeit, die Energiefrage für alle Zeit zu lösen. Jetzt kann wahr werden, was die Naturvölker schon immer wussten:
„Wir haben diesen Planeten nicht von unseren Eltern geerbt – wir haben ihn von unseren Kindern geliehen.“
Nur mit Erneuerbaren Energien können wir tun, was wohl der Sinn unseres Hierseins ist: Mithelfen an der Bewahrung der Schöpfung.
Quelle
Franz Alt 2008 | Erstveröffentlichung HÖRZU 26|2008