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© pixabay.com | FunkyFocus | Angst ist berechtigt und von Nutzen.

Faszination Weltuntergang

An dieser Stelle ist es sicherlich nicht mehr notwendig, über die möglichen Auswirkungen eines vom Menschen verursachten beschleunigten Klimawandels zu schreiben. Was aber durchaus ein Thema ist: Mit welchen Gefühlen und Instinkten wir auf die nahende Katastrophe reagieren und wie diese unser Handeln bestimmen. Von Matthias Hüttmann

© Rowohlt Verlag

German Angst
Jay Shetty hat in dem Buch „Das Think Like A Monk-Prinzip“ interessante Sätze formuliert1). So etwa, dass uns Angst und Sorge von unserem Können abspalten, da uns, direkt oder indirekt beigebracht wurde, dass diese beiden Gefühle etwas Negatives seien. Gleichzeitig wissen wir aber durchaus, dass es ein Leben ganz ohne Angst und Sorge nicht geben kann, da unser wirtschaftliches, gesellschaftliches und politisches Klima nie vollkommen frei von Konflikten und Ungewissheiten sein wird. Ganz zu schweigen von den tagtäglichen zwischenmenschlichen Herausforderungen.

So ist Angst an sich nichts Schlimmes, sondern vielmehr ein wichtiges Warnsignal des Verstands. Es geht also lediglich darum, wie man mit diesem Warnsignal umgeht. Auf die drohende Klimakatastrophe heruntergebrochen bedeutet das: Wir können unsere Angst dazu nutzen, uns für die Suche nach Lösungen zu motivieren. Ansonsten würde sie uns überwältigen und uns die Hoffnung rauben, was uns letzten Endes lähmen würde. Das wäre natürlich der falsche Weg, schließlich soll uns Angst vor Gefahren schützen. Wenn wir das berücksichtigen, kann sie auch wieder verschwinden.

Würden wir im Gegensatz dazu zu lange an Ängsten festhalten, könnten die in uns gären und schließlich zu einem Gift werden. Im Angelsächsischen gibt es im Übrigen den Begriff der „German Angst“. Hier sind vor allem die typisch deutsche Zögerlichkeit oder auch eine generalisierte Angststörung, eine unbegründete diffuse Furcht, gemeint. 

Whataboutism
Das Kaninchen, das vor der Schlange erstarrt ist eine gern gewählte Metapher. Sie steht sinnbildlich für die Angst, die lähmt. Meist sind wir jedoch gar nicht handlungsunfähig, sondern eben nur einfach zu bequem und bisweilen auch schlichtweg faul. Um unsere Passivität zu entschuldigen sind wir durchaus kreativ. Wir begründen unsere Untätigkeit gerne auch damit, dass die Aufgabe einfach zu groß und folglich nicht zu bewältigen sei. Diese Argumentation hört man von Seiten der Politik auch immer wieder. Was nutzt es, so die Platitude, wenn Deutschland den Klimaschutz ernst nähme, schließlich seien es ja nur wenige Prozent an Treibhausgasen, die wir als Land ausstoßen.

© Richard Maerlein

Dieses rhetorische Ablenkungsmanöver nennt man im Übrigen „Whataboutism“. Dabei wird vom eigentlichen Thema gekonnt abgelenkt, um kritischen oder unangenehmen Diskursen auszuweichen. Anstatt sich auf Kritik einzulassen und sich seine eigenen Fehler einzugestehen, sucht man bei anderen anzusetzen und deren Fehler hervorzuheben. Auch wenn wir als Land, nicht nur was die Emissionen von Klimagasen angeht, schon lange weit über unsere Verhältnisse leben und deshalb wenig Argumente haben auf andere zu zeigen, wird schnell mal argumentiert, dass erst mal die anderen damit beginnen sollten und nur eines nach dem anderen – etwa erst die Kohlekraftwerke, dann der Verkehr – passieren könnte.

Gerne wird auch ein angeblich geforderter Perfektionismus ins Lächerliche gezogen (Sollen wir jetzt alle nur noch vegan Fahrrad fahren und keinen Spaß mehr am Leben haben?). Vielmehr sollte doch jedem klar sein, dass man in einer nicht nachhaltigen Welt nicht perfekt nachhaltig leben kann. Wenngleich man natürlich, wo es die eigenen Mittel erlauben, sein Bestes tun kann. Und schon gar nichts spricht dagegen, seine eigene Stimme zu nutzen und politisch aktiv zu werden, um auf größerer Ebene etwas zu bewirken.

Doomism
Auch wenn Angst ein nützlicher Instinkt ist, ist das Schüren von Angst kein probates Mittel, um Veränderungen im Handeln zu aktivieren. Denn diese, dann meist übertriebene Angst, lässt einen schnell in Richtung Weltuntergangsstimmung abgleiten. Überzogene Vorhersagen sind daher weder seriös noch hilfreich. Auch wenn es eigentlich gar nicht nötig ist, die aktuellen Entwicklungen sind verheerend genug, haben in vielen Medien die Untergangspropheten Hochkonjunktur. Ihre dystopischen Mutmaßungen sind aber meist genauso weltfremd wie die der Verharmloser oder Technologiegläubigen. Die Theorie, dass es erst ganz schlimm kommen muss, damit was passiert, lässt sich in dem Zusammenhang auch leider nicht ausrotten. Das ist verheerend, da sie Futter für alle Katastrophenjunkies ist, die die Faszination Weltuntergang am liebsten live und in Farbe erleben wollen, nur um dann zu sagen, dass sie es ja vorausgesagt hatten.

SONNENENERGIE 03/2021
© SONNENENERGIE 03/2021

Es muss nicht schlimmer kommen
Jüngste Beispiele zeigen, dass einzelne kleine Unglücke immer wieder zu dem Reflex führen, sie als singuläre Ereignisse zu betrachten. Erst jüngst hat ein ambitionierter Bundeskanzlerkandidat gesagt, dass man wegen eines solchen Ereignisses ja nicht seine Politik ändern würde. Ebenso beliebt ist auch die Beweisumkehr: Ist es nicht möglich, das Extremwetterereignis kausal auf den Klimawandel zurückzuführen, verblasst seine Wirkung recht schnell. Ein anderer, seines Zeichens ambitionierter Bierdeckelpopulist, hat es wie folgt auf den Punkt gebracht: „Auch bei Übernahme aller Fridays-for-Future-Pläne wird es weiter Hochwasser geben“. Das ist so einfach und dreist wie dumm. Es macht deutlich, wie fahrlässig es wäre darauf zu warten, dass wir die Extremwetterereignisse nicht mehr voneinander unterscheiden können. Es wäre ein Handeln wider besseres Wissen.

Fazit: Unsere Angst ist berechtigt und von Nutzen.

Quelle

Der Bericht wurde von der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Mattias Hüttmann) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 03/2021Das Inhaltsverzeichnis zum Download!

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