Forderungen für eine klimagerechte Zukunft
Ein Bündnis von über 60 Organisationen hat ein umfassendes Maßnahmenprogramm erarbeitet, mit denen Deutschland die Klimaziele für 2030 noch erreichen könnte. Leitend ist dabei die Forderung nach einer nachhaltigen und klimagerechten Zukunft.
Von Umwelt- und Tierschutzorganisationen wie dem BUND, NABU und WWF, über religiöse Vereine wie die Sternensinger und Islamic Relief, bis hin zu ökologischen Lebensmittelunternehmen wie Bioland und Naturland – mehr als 60 Organisationen beteiligten sich an diesem Forderungspapier, mit dem Titel: „Wann, wenn nicht jetzt jetzt!“ 11 Monate arbeiteten 47 AutorInnen an einem umfassenden Maßnahmenprogramm, mit denen die deutschen Klimaziele für 2030 noch erreicht werden können. Herausgekommen sind 11 Forderungen für eine nachhaltige und klimagerechte Zukunft, die sich in 5 Rubriken einordnen lassen:
1. Energiewende und Energieeffizienz
Konsequent, sozial gerecht und naturverträglich soll die Energiewende vorangetrieben werden. Nach Ansicht der AutorInnen des Papiers reiche der aktuelle Klimaschutzplan der Bundesregierung nicht aus, die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Bis dahin müsste der Anteil Erneuerbarer Energien in der Energiewirtschaft auf 75 Prozent steigen – vorgesehen sind bislang nur 65 Prozent. Damit einher geht auch ein forcierter Ausstieg aus den fossilen Energien. Dieser soll jedoch durch eine langfristige, sozialverträgliche Planung und staatliche Unterstützung der Kohleregionen geschehen, wie es aktuell auch in der Kohlekommission debattiert wird.
Damit es jedoch in Zukunft nicht zu Energieengpässen kommt, müssten Energieeinsparung und Energieeffizienz ebenfalls forciert werden. Der Energieverbrauch müsste bis 2050 halbiert werden. Eine politisch unabhängige Organisation könnte dabei die Maßnahmen im Rahmen einer sektorübergreifenden Effizienzstrategie koordinieren, schlagen die zivilgesellschaftlichen Organisationen vor. Insbesondere im Gebäudebereich seien große Einsparpotenziale vorhanden. Bei energetischen Sanierungen sollten jedoch soziale Schieflagen vermieden werden. Die öffentliche Hand müsste hier Mittel aufbringen, um auch sozial Schwachen die Möglichkeit zu geben in energetisch sanierten Häusern zu leben, ohne dass sich dies auf die Miete ausschlägt.
2. Nachhaltige Produktion und Landwirtschaft
Industrieprozesse müssten konsequent auf klimaschonende Verfahren umgestellt werden, so die AutorInnen des 57-seitigen Papiers. Auch die entstehenden Produkte sollten langlebig und recycelbar sein. Bislang bestehende Wettbewerbsnachteile für klimafreundliche Materialen und Produkte müssten beseitigt und in Wettbewerbsvorteile umgewandelt werden. Helfen könnten dabei eine konsequente Anwendung von Klimaschutzkriterien bei der öffentlichen Vergabe sowie die Ausgestaltung des entsprechenden Rechtsrahmens.
Auch in der Landwirtschaft müsste unter dem Motto „Klasse statt Masse“ nachhaltiger ökologischer Landbau konsequent ausgebaut werden. Eine zentrale Herausforderung liege aber auch in einer deutlichen Reduzierung der Tierbestände, erklärt Gerald Wehde von Bioland. „Dies wird nur gelingen, wenn der inländische Konsum, aber auch der Export tierischer Lebensmittel, erheblich reduziert werden“, so Wehde.
3. Umstrukturierung des Steuer- und Finanzwesens
Ausnahmeregelungen, wie die für energieintensive Betriebe bei der EEG-Umlage, müssten reformiert und stattdessen Produktion und Verbrauch fossiler Energien endlich vernünftig besteuert werden. Helfen könnten dabei ein CO2-Mindestpreis und eine weitere Reformierung des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS). Auch müssten die Subventionen des Staates in fossile Energieträger dringend abgeschafft werden. Aktuell jedoch subventioniert Deutschland fossile Energieträger mit mehr als 46 Milliarden Euro pro Jahr, wie Berechnungen von Greenpeace zeigen. Darunter fallen unter anderem Verkehrssubventionen für Diesel und Kerosin, sowie Produktion und Verstromung fossiler Energieträger wie die Braunkohle.
Doch nicht nur der Staat soll sein Geld aus fossilen Energien abziehen, auch das Finanzwesen gehört laut den Forderungen des Papiers in Verantwortung gezogen, um einen sozialverträglichen und klimagerechten Strukturwandel einzuleiten. So fordern Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie urgewald, zu Divestment auf – Unternehmen sollen ihre Investitionen in Kohleunternehmen beenden. Zuletzt hatte einer der größte Rückversicherer der Welt, Munich RE, auf Druck einen Rückzug aus entsprechenden Investitionen angekündigt.
4. Verkehrswende
Klimaschädliche Subventionen gelte es auch im Verkehrsbereich abzubauen, erklärt Gerd Lottsiepen vom ökologischen Verkehrsclub VCD, die ebenfalls an dem Maßnahmenprogramm mitwirkten. „Die Bundesregierung muss sich international für ambitionierte CO2-Grenzwerte einsetzen und konsequent ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag – wie Verdoppelung der Fahrgastzahlen bei der Bahn bis 2030 – umsetzen. Zu-Fuß-Gehen, Fahrradfahren, Busse und Bahnen müssen gefördert werden“, so Lottsiepen. Insbesondere in Städten könnten die Maßnahmen zu einer verbesserten Luftqualität, weniger Lärmbelästigungen und mehr Sicherheit führen – die Lebensqualität in den Städten würde rasant steigen. Städte wie Kopenhagen machen es
5. Sozial- und geschlechtergerechte Klimapolitik und Bildung
Frauen sind vom Klimawandel stärker betroffen – zwar vor allem in den ländlichen Regionen des globalen Südens, aber auch hierzulande soll die Genderexpertise bei der Entwicklung klimapolitischer Maßnahmen einbezogen werden. Auch Einkommen, Bildung und Migrationshintergrund müssten mehr Beachtung finden, um die Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimagerechten Zukunft zu gestalten.
Bildung für nachhaltige Entwicklung soll dabei in allen Bildungsbereichen strukturell und finanziell überzeugend verankert werden. Konkret könnte die Beteiligung Jugendlicher zum Beispiel in internationalen Klimaverhandlungsprozessen gestärkt werden. Auch nationale und internationale Bildungsprozesse unter Jugendlichen müssten höhere Unterstützung erfahren. Einkommen, Bildung und Migrationshintergrund dürften dabei kein Hindernis für eine Teilnahme sein.
Zur regemäßigen Überprüfung all dieser Maßnahmen ist einer der Kernforderungen an die aktuelle Bundesregierung: die Einführung eines verbindlichen Klimaschutzgesetzes. So müsste die Politik in regelmäßigen Abständen ein Monitoring über Maßnahmen und Ziele abhalten und bei Bedarf entsprechend nachsteuern.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht
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Heft 25 / Herbst 2018 | „Baustelle Energiewende – Was jetzt zu tun
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