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SolarWorld | Frank Asbeck: Wir brauchen eine Solarindustrie

© SolarWorld | Frank Asbeck: Wir brauchen eine Solarindustrie

Frank Asbeck: Wir brauchen eine Solarindustrie

Solarthemen-Redakteur Guido Bröer führte das Interview mit Frank Asbeck.

Frank Asbeck ist Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der SolarWorld Industries GmbH, die im August des Kerngeschäft der insolventen SolarWorld AG übernommen hat. Asbeck ist seit 1995 im Solargeschäft, brachte 1999 die von ihm gegründete SolarWorld AG an die Börse und baute sie zum profitablen PV-Konzern aus. Seit 2011 bis zum Insolvenzantrag im Mai 2017 schrieb das Unternehmen Verluste. 

Solarthemen: Was motiviert Sie persönlich zu diesem Neuanfang mit SolarWorld?

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Deutschland eine Solarindustrie brauchen.

Und Sie glauben offenbar auch an sich selbst – als Retter in der Not.

Ja, ich glaube auch an mich selbst, denn ich habe jetzt seit über 25 Jahren die Solarindustrie vorangetrieben – übrigens genauso lange wie die Garantiezeit unserer Module. Wenn sie mal schauen, dass 80 Prozent der Patente, die heute in der Solarindustrie eingesetzt werden, aus Europa oder den USA kommen und dass jede Entwicklung, die in China einige Jahre später nachvollzogen wur­de, aus Europa kam, dann ist klar, dass wir hier immer noch einen Schatz haben. Und SolarWorld als Europas größter Hersteller und Partner aller wichtigen Forschungsinstitute und Maschinenbauer ist das Kernstück.

Bei der SolarWorld AG waren Sie schon lange kein Mehrheitsaktionär mehr. Und ich nehme an, dass neben den Aktionären zuletzt auch die Gläubiger arg mitregiert haben. Jetzt sind Sie mit 51 Prozent an der neuen SolarWorld Industries GmbH wieder Herr im eigenen Haus. Wie fühlt sich das an?

Es hat sich eine ganze Zeit lang verdammt mies angefühlt. Eine Insolvenz ist etwas, das ich niemandem gönne. So viele Mitarbeiter verabschieden zu müssen, tut weh. Und die Produktionsstätten standen drei Wochen vor dem Ende des vorläufigen Insolvenzverfahrens vor dem Aus. In der Situation habe ich mich mit meinen Geschäftspartnern in Katar besprochen und wir haben entschieden, diese Firma, diese Produktion in Europa nicht aufzugeben.
Jetzt ist das Gefühl allerdings deutlich besser, denn wir haben wieder ein zukunftsfähiges Unternehmen. Und anders als früher sind wir jetzt wieder flexibler Mittelständler.

Sie haben eine Kapazität von 700 MW übernommen und das Ziel ausgegeben, in absehbarer Zeit ein Gigawatt zu produzieren. Wie wollen Sie das mit nur einem Drittel der früheren Mitarbeiterzahl schaffen? War die Produktion bisher total ineffizient?

Wir bleiben integrierter Zell- und Modulhersteller, aber wir führen die Ingot- und die Waferproduktion nicht weiter. Außerdem starten wir nicht mit allen Linien. Am Anfang kommt die Firma darum mit deutlich weniger Personal aus.

Geben Sie eine Standortgarantie für Freiberg und Arnstadt?

Arnstadt ist die beste Zellproduktion der Welt und Freiberg die beste Modulproduktion. Ich glaube, es erklärt sich von selbst, dass ich nicht auf die Idee komme, das dort ab- und woanders wieder aufzubauen.

Wobei es heißt, dass die deutschen Fabriken als Blaupause für eine neue Produktion in Katar dienen sollen.

Unser Mitgesellschafter Qatar Solar Technologies hat nach der Errichtung einer eigenen Solarsiliziumproduktion Pläne für den Aufbau weiterer Produktionsstufen im eigenen Land. Natürlich bietet es sich an, Europas modernste Solarfertigung als Vorbild zu nehmen.

Einige europäische Hersteller – etwa Q-Cells oder REC – haben seinerzeit Standorte in Fernost aufgebaut. Zunächst hieß es, zur Kapazitätsausweitung, um dann aber doch recht bald ihre hiesigen Fabriken zu schließen.

Das ist ein Missverständnis. Wir machen ja keinen Standort in Asien oder anderswo auf. Sondern wir haben unsere beiden Standorte in Deutschland. Die wollen wir jetzt wieder erfolgreich betreiben und gerne beizeiten auch weiter ausbauen.

Für den Forschungsbereich haben Sie angekündigt, sich neu sortieren und mit anderen zusammenarbeiten zu wollen. Das Wort „offene Plattform“ ist gefallen. Wollen Sie den Konkurrenten Ihre Forschungslabore öffnen?

Wir haben in Freiberg die größte Forschungseinheit der Solarbranche hierzulande. Aber wir müssen als Branche in Deutschland und Europa deutlich mehr tun, damit wir den technologischen Vorsprung aufrecht erhalten können. Das können wir aber nur, wenn alle Akteure enger zusammenrücken. Deshalb sollen die Forschungsaktivitäten in eine gemeinnützige GmbH ausgegliedert und mit verlässlichen Partnern intensiviert wer­den.

Alles redet von Systemeinbindung der Photovoltaik. Sie haben allerdings betont, dass SolarWorld sich jetzt als reiner Zell- und Modulhersteller versteht und mit Systemen nichts mehr zu tun haben will. Haben Sie das wirklich so gemeint?

Wir haben ja in der SolarWorld AG die meisten dieser Systeme selbst erfunden und als erste auf den Markt gebracht – das erste Batteriesystem, den ersten Carport, die erste solarbetriebene Ladestation. Trotzdem kann man sowas als Hersteller allenfalls als Ergänzung mit anbieten. Und so werden wir das auch weiter machen. Ich halte aber nicht viel davon, die deutsche Industrie auf ein Nischendasein herunterzureden, die sich nur behaupten könne, indem sie viele asiatische Komponenten zusammenbastelt. Das jedenfalls ist nicht mein Ziel.

Welche Verbindung besteht zwischen Ihrer neuen SolarWorld Industries GmbH und der SolarWord Americas, die ja nicht von der Insolvenz betroffen war?

Die SolarWorld Industries GmbH hat ausschließlich einen großen Teil der deutschen Fabriken plus Vertriebsgesellschaften in Europa, Asien und Afrika von der weiterhin insolventen SolarWorld AG übernommen. SolarWorld Americas ist ein eigenständiges Partnerunternehmen, das zum Beispiel auf Ressourcen der SolarWorld-Forschung zurückgreift.

Der Siliziumhersteller Hemlock hat jüngst in Amerika einen Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe gegen die alte SolarWorld AG rechtskräftig zugesprochen bekommen. Ist die neue SolarWorld Industries davon irgendwie betroffen?

Nein.

Ihre Anti-Dumping-Aktivitäten haben in den letzten Jahren die europäische PV-Branche gespalten. Werden Sie auf diesem Gebiet weiterkämpfen?

Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften ist fairer Wettbewerb. Wenn man den nicht hat, kann man sich als Unternehmer auf nichts verlassen. Das hat die gesamte Solarindustrie – übrigens nicht nur in Europa, sondern überall – schmerzhaft spüren müssen. Wenn der chinesische Plan über- oder untererfüllt wird, hat das sofort Auswirkungen auf den Weltmarkt und wir erleben jetzt schon wieder seit Monaten Preise unter den Herstellungskosten. Also muss man auch weiter dagegen vorgehen. Deswegen unterstützen wir weiterhin die Initiative EU ProSun zusammen mit etwa 30 anderen europäischen Solarherstellern.

Muss man sich im Umkehrschluss erns­­te Sorgen um die neue SolarWorld machen, falls die Anti-Dumping-Maßnahmen nicht verlängert würden?

Die Anti-Dumping-Maßnahmen sind ja nie wirklich effektiv umgesetzt worden. Der Mindestpreis, über den so viel von Projektierern und Fonds gejammert wird, ist seit seiner Einführung von diesen selbst nie eingehalten worden. Trotzdem setzen wir uns für den Fortbestand der Maßnahmen ein, weil sie zumindest einen gewissen stabilisierenden Effekt hatten. Notwendig wäre aber eine effektive Umsetzung und außerdem eine klare Industriepolitik, bei der Wert auf Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards gelegt wird.

Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Ist der Businessplan Ihrer neu­en Firma zum Scheitern verurteilt, wenn die EU die Anti-Dumping-Maßnahmen stoppt?

Die SolarWorld konzentriert sich seit Jahren auf besonders leistungsstarke und hochwertige Produkte. Die neue SolarWorld verstärkt das nochmal. Von uns bekommen Sie nur noch Mono-PERC-Produkte und in zunehmendem Maße bifaciale Glas-Glas-Module, mit denen wir uns dauerhaft vom chinesischen Wettbewerb abheben können. Trotzdem setzen wir uns weiter für fairen Wettbewerb ein. Denn dass wir hier die Technologie vorantreiben, muss auch fair honoriert werden.

Wird sich mit dem Neuanfang für SolarWorld auch im Leben des Frank Asbeck etwas ändern?

Das Leben des Frank Asbeck ändert sich permanent. Im Moment macht es mir wieder viel Spaß, weil ich gestalten kann und wenigstens einen Teil der Technologie und der Arbeitsplätze in Deutschland erhalten konnte.

Quelle

Solarthemen | Guido Bröer 2017 | Erstveröffentlichung im Fachinformationsdienst Solarthemen.

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