Getreide im Klima der Zukunft: Hitzetod oder Zusatzdüngung?
Weltweit erstmals Feldstudien zur Wechselwirkung von Hitzeperioden und CO2-reicherer Atmosphäre bei Weizen. Globale und regionale Klimamodelle stimmen darin überein, dass es im Zuge des Klimawandels nicht nur durchschnittlich wärmer wird, sondern dass auch die Anzahl heißer Tage während der Vegetationszeit deutlich zunimmt. Heiße Tage sind definitionsgemäß die Tage, an denen die Nachmittagstemperaturen oberhalb von 30°C liegen.
Extremtemperaturen wirken sich stark auf das reproduktive Wachstum bzw. die geschlechtliche Vermehrung von Kulturpflanzen aus. Aus Laborversuchen und aus einigen Feldbeobachtungen ist bekannt, dass Getreidepflanzen wie Weizen oder Reis besonders während der Blüte sehr temperaturempfindlich sind und auf Werte über 30°C mit einem drastischen Ertragsabfall reagieren.
Andererseits hat eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen positiven Effekt auf die Photosynthese und führt häufig zu höheren Erträgen. Zusätzlich transpirieren die Pflanzen aber weniger Wasser über ihre Spaltöffnungen in den Blättern – als Folge schwächt sich die „Verdunstungs-Kühlung“ ab und die Pflanzen werden wärmer.
Zurzeit ist es kaum möglich, diese verschiedenen, teils gegenläufigen Effekte des künftigen Klimas auf die Pflanzenproduktion mithilfe von Modellen realistisch abzuschätzen. Das liegt vor allem daran, dass es kaum relevante Daten aus Praxisversuchen gibt, die zur Weiterentwicklung neuer bzw. Überprüfung gängiger Pflanzenwachstumsmodelle geeignet sind.
Das Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig will dieser Frage für die wichtigste einheimische Getreidepflanze, den Weizen, nachgehen. „In den nächsten drei Jahren führen wir Versuchsreihen unter landwirtschaftlichen Praxisbedingungen durch, bei denen wir den Weizenbestand während der Blüte bei entsprechender Witterung mithilfe einer dafür entwickelten ‚Freiland-Erwärmungsanlage‘ kurzzeitig Hitzeperioden aussetzen“, erläutert Institutsleiter Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel den Versuchsaufbau.
Diese Hitzebehandlungen mit Infrarotstrahlern erfolgen sowohl unter der heutigen CO2-Konzentration (395 parts per million; ppm) als auch weltweit erstmalig unter der CO2-Konzentration, die die Atmosphäre voraussichtlich in 40 Jahren aufweisen wird (550 ppm). Dazu werden die auf kleiner Fläche durchgeführten Hitzestressbehandlungen in eine großflächige Freiland-CO2-Anreicherungsanlage integriert, die das Thünen-Institut seit einigen Jahren auf den Braunschweiger Versuchsflächen betreibt.
In dieser Anlage wird in einem Feld auf Kreisflächen von 20 Metern Durchmesser computergesteuert so viel Kohlendioxid mit Gasdüsen in die Kreisflächen geblasen, dass die Luft im Bereich der Pflanzen die entsprechend höhere CO2-Konzentration aufweist – und zwar die ganze Vegetationsperiode über.
Untersucht werden im Detail die Kornentwicklung, der Kornertrag und die Kornqualität des Weizens. Die Versuche sind Teil eines Verbundprojektes mit den Universitäten Halle, Kiel und Bonn, wobei diese Projektpartner eigene Projekte zur Modellierung der Klimaeffekte auf der Einzelblatt-, Bestandes- und Landschaftsebene durchführen.
Die in Braunschweig erzeugten Daten werden unmittelbar in diese Modellierungsaktivitäten eingespeist. Der Projektverbund insgesamt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell gefördert.
Quelle
Thünen-Institut für Biodiversität 2012