Malta – ganz nah zu (Nord-)Afrika
Nach einem Besuch auf Malta und dem Rettungsschiff PHOENIX. Von Rupert Neudeck
Malta ist keinesfalls der geringste unter den kleinen EU-Mitgliedsstaaten, denn es liegt mit klarer Bestimmung als Brücke am nächsten zur (nord-)afrikanischen Küste. 200 Seemeilen ist die lybische Küste entfernt und wenn man sich klarmacht, dass der Festlandssockel 12 Meilen beträgt, dann sind das genau 176 Seemeilen in internationalen Gewässern bis zur lybischen Küste. Malta ist dem Afrika-Kontinent am nächsten, nicht nur geographisch. Die Insel hat Europäische Geschichte in großer Dichte aufgesogen und inhaliert. Dass man sich bei einem Gang durch die Hauptstadt gehörig neu-gebildet und neu-informiert fühlt. Napoleon Bonaparte befand sich hier, als er noch der heimliche Präsident des damaligen Europa war, im Jahre 1799 ganze sieben Tage und Nächte in der Hauptstadt Valetta. Er war auf der Durchreise, um von Malta seinen denkwürdigen Afrikabesuch in Alexandrien und dann in Gaza zu machen. Während wir uns den Palast ansehen, in dem es auch das „chambre a coucher“, also das Schlafzimmer des Napoleon gibt, rätseln wir, ob das nun ein Fortschritt ist, wenn die ganz Großen unserer Welt eine Nacht in einer anderen Hauptstadt verbringen und das schon für ein Werk der Übergebühr halten.
Man erfährt, dass die Dankbarkeit gegenüber dem britischen Kriegspremier Sir Winston Churchill so groß ist, weil er es schaffte, die Nazi-Kriegsmaschinerie zu besiegen, die auch schon 1941 und 1942 auf Malta verheerend durch Bombenangriffe der Deutschen und italienischen Luftwaffe gewütet hatte, bevor sich in Nordafrika das Afrika-Corps unter Feldmarschall Rommel bildete.
Nun aber 2015 konzentriert sich alles hier auf die Frage: Wie wird Europa mit dem Jahrhundertproblem der aus ihrem Land zu Millionen fliehenden Syrer und denen fertig, die ebenfalls in Millionenzahlen als junge afrikanische Migranten aus ihren Ländern herauswollen, um in diesem Verheißungskontinent eine berufliche Ausbildung und vielleicht Zukunft zu bekommen. Die jungen Afrikaner begeben sich in heller Verzweiflung und meist nach traumatischen Erfahrungen bei der Reise durch mehrere Grenzen und Länder in Afrika bis nach Nordafrika auf das Mittelmeer in völlig unzureichend ausgerüstete Schlauchboote, um Europa oder die Schengen Küste zu erreichen.
Das Ehepaar Christopher und Regina Catrambone – die auch gleichzeitig eine Firma auf Malta leiten – hatte in der Nähe von Lampedusa auf ihrer Jacht ein erschütterndes Erlebnis. Man sammelte ein afrikanisches buntes Kleid ein, der Frau Regina musste man aber sagen, dass der Inhaber dieses Kleides wahrscheinlich wie 23.000 andere auf dem Mittelmeer elendiglich ertrunken ist. Das Ehepaar kaufte ein kleines, aber sehr robustes Schiff von 40 Meter Länge und gründete dafür die Stiftung MOAS, Migrant Offshore Aid Station.
Dieses Schiff ist technisch und kommunikationsmäßig in ausgezeichneter Weise ausgerüstet. Es hat einen direkten Draht zu einem Refugee Kontrollzentrum in Rom, das mit dem Schiff PHOENIX (Belize – Flagge) ständig in Verbindung ist. Dazu hat man noch zwei Drohnen (Camcopter der Firma Schiebel, die eigentlich zwei ferngesteuerte Flugzeuge bilden; Preis je Drone: 1 Mio Euro) angeschafft, die das Meer gleichsam als unbemannte Helikopter abfliegen, um Informationen über gesichtete SOS-Fluchtboote an das Schiff zu senden. Daneben gibt es zwei Luftboote, Hartrumpf Schlauchboote, mit denen eine Crew vollgepackte Fluchtboote erreichen und ihnen schon einmal Wasser und Rettungsjacken zuwerfen kann.
Das Ziel von MOAS/MS PHOENIX ist angenehm bescheiden formuliert: Einziges Ziel sei es, die Zahl der Toten im Meer zu reduzieren. Man will nicht nur retten, sondern auch durch eine vorzügliche Kommunikation nebenbei fahrende Rettungsschiffe oder Militär und Küstenwachschiffe über vorbeifahrende und in Gefahr des Versinkens befindliche Boote informieren. Damit will man den Radius des Rettens oder eben des Reduzierens der Zahl der Ertrinkenden erweitern.
Dennoch hat Moas-Phoenix bis heute 6921 Menschen, Flüchtlinge retten können. Das Schiff ist gegenwärtig wieder unterwegs.
Die Politik hat währenddessen alles dazu getan, um 2014 die größte Menschenrettungsaktion aller Zeiten zu stoppen, nämlich die Operation der italienischen Marine „Mare Nostrum“. Diese Operation war wahrscheinlich das schönste Ergebnis einer realisierten biblischen Verheißung: „Schwerter zu Pflugscharen“ oder ‚Marineschiffe und Fregatten zu Rettungsbooten‘. Christopher und Regina Catrambone, Besitzer einer Firma auf Malta waren damals schon entschlossen, beim Ende von Mare Nostrum, ein Schiff zu einem Rettungsboot aufzurüsten. Es kann allerdings nur 300 Flüchtlinge aufnehmen, bei 400 aufgenommenen SOS_People in distress wird es schon sehr eng. Es gibt eben nur zwei richtige und eine halbe Plattform, um die Menschen unterzubringen. Das Schiff hat eine hervorragend ausgebaute Ambulanz. Zwei Krankenschwestern und ein Arzt von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) begleiten die nächste Rettungsfahrt, die am 26. Juni abends losgeht.
In Köln hatte der Kardinal und Erzbischof Rainer Maria Woelki und der Superintendent der Evangelischen Kirche im Rheinland Pistorius den Startschuss für eine Spendenkampagne gegeben, die dazu führen soll, dass Phoenix von Moas einen weiteren oder auch weitere Monate unterwegs zur Menschenrettung sein soll. Vielleicht kann auch mal ein deutscher Helfer oder auch Journalist eine der Rettungs-Fahrten der PHOENIX (der registrierte Name des Schiffes) begleiten. Das Schiff ist auf Grund seiner Kommunikationstechnologie teurer, als es Cap Anamur war. Es hat unmittelbare Satelliten-Kommunikation auf dem Meer, es hat die zwei Drohnen und eine gute Navigiertechnik. Die Monatsrate beträgt 500.000 Euro.
Am 24. Juni, dem Fest des heiligen Johannes, gab es eine wunderbare Gebets-Zeremonie vor der Kirche (wie in Köln) „Our Lady of Ta‘ Liesse“ mit den Vertretern aller in Malta betenden Religionen, dem katholischen Pfarrer, dem anglikanischen Geistlichen, dem Imam der Moscheegemeinde von Valetta. Es wurde das schöne Gleichnis aus dem Lukas Evangelium 16, 19-31 vorgetragen und danach fuhr ein staatliches Patrouillenboot uns heraus auf das Meer, wo wir noch mal im Gedenken an die bisher 23.000 Toten Blumen als Zeichen unserer Trauer und Bedrückung auf das Wasser streuten.
Am Schluss beteten die Flüchtlinge, Asylbewerber, Bürger Maltas, der Priester, der Imam, Vertreter von MOAS aus Malta und Deutschland: Allmerciful God, call our leaders to justice, generosity and compassion.“ „Allbarmherziger Gott, rufe unsere politischen Führer auf zu Gerechtigkeit, Großzügigkeit und Mitleiden. Helfe Ihnen, damit sie Gesetze schaffen und ausführen, die fair und gerecht sind und die die Flüchtlinge mit Würde und Sorge behandeln.“
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