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Morgenstadt – Unser Leben in der Zukunft

Das Bild unserer Städte hat sich in der jüngeren Vergangenheit massiv gewandelt. Städte bedecken nur ein Prozent der Erde, verschlingen aber 75 Prozent der eingesetzten Energie und stoßen rund 80 Prozent aller klimaschädlichen Gase aus. Mehr als die Hälfte der Menschen wohnt bereits heute in Städten. Die bebaute Fläche von Lagos, der nach Dhaka am schnellsten wachsenden Stadt der Welt, hat sich in einem einzigen Jahrzehnt verdoppelt, und der Gouverneur der Region schätzt, dass etwa zwei Drittel der gesamten Fläche als Slums und Barackensiedlungen gelten müssen.

Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. 2050 wird 70 Prozent der Menschheit in den Metropolen der Welt leben, das sind dann etwa 4,5 Milliarden Menschen. „Über unser Klima entscheiden die Städte der Welt“, sagte der Vorstandsvorsitzende eines großen deutschen Konzerns bereits im November 2009.

Das Bundesforschungsministerium denkt deshalb in die Zukunft der Städte. Bundesministerin Annette Schavan hat die High-Tech Vision „Morgenstadt“ zusammen mit Fraunhofer-Präsident Hans-Jörg Bullinger in Auftrag gegeben. 19 deutsche Ingenieure und Techniktheoretiker durften darstellen, was heute bereits möglich ist, um ein lebenswertes Morgen entstehen zu lassen. Wir haben die Ergebnisse für Sie aufbereitet und möchten damit Morgenstadt vor Ihrem Auge entstehen lassen.

Die Emissionsuhr am Rathaus von Morgenstadt zeigt seit bald 30 Jahren an, welchen Ausstoß an Kohlendioxid jeder Einwohner im Jahr statistisch betrachtet zu verantworten hat. Auf ihrer Homepage zeichnet die Stadt seit mehr als einer Generation ihren ökologischen Fußabdruck detailgetreu nach. Längst hat die Uhr den Kilogrammmaßstab erreicht und wird von den jüngeren Bewohnern Morgenstadts kaum noch wahrgenommen, so selbstverständlich ist ihnen das kohlendioxidneutrale Leben geworden.

Für ihre Eltern und Großeltern ist die Uhr ein sichtbarer Zeuge dafür geblieben, mit wie viel Engagement die Stadtverwaltung schon seit Anfang des Jahrhunderts Morgenstadt zu einem Motor des Klimaschutzes gemacht hat. Sienutzte die vorhandenen Spielräume kommunaler Energiepolitik zielstrebig aus. So stieg sie in der Solarbundesliga beispielsweise bald auf den ersten Tabellenplatz in der Kategorie der Großstädte

Sie legte als erste einen ökologischen Mietspiegel vor, der Vermietern zusätzliche Anreize für die energetische Sanierung ihrer Häuser gab. In Neubaugebieten wurden früh verschärfte Baustandards verordnet und die Nahwärmeversorgung mit Kraftwärmekopplung und Solarenergie systematisch auf große Teile der Stadt ausgedehnt. Im Zusammenspiel und in der Auseinandersetzung mit den energiepolitischen Akteuren in Land, im Bund und in Europa erweiterten Bürgermeister und Magistrat der Stadt Zug um Zug ihren Spielraum und erwarben sich im Energiebereich Planungshoheit und Entscheidungsbefugnis in einst unbekanntem Maß. Gleichzeitig gelang es ihnen, ihre Bürger zum Mitmachen zu motivieren. Selbstverwaltung in Sachen Energie wurde zum Markenzeichen Morgenstadts.

Während die Beheizung und Warmwasserbereitung der Gebäude einer deutschen Großstadt 2010 noch fast die Hälfte von deren CO2- Emissionen verursachte, setzt die Wärmeversorgung der Gebäude von Morgenstadt kaum noch Kohlendioxid frei, weil sie von fossilen Brennstoffen unabhängig ist. Wenngleich der Klimawandel heißere Sommer mit sich bringt, können die klimaangepassten Gebäude Morgenstadts den dadurch gestiegenen Kühlbedarf fast ohne Zusatzemissionen abfangen. Die Neubauten der vergangenen Jahrzehnte sind Nullenergiehäuser, die nicht mehr Energie benötigen als sie erzeugen.

Die meisten ein- und zweistöckigen Neubauten produzieren sogar mehr Energie als sie verbrauchen, weil sie mit Solarzellen oder mit Sonnenwärmekollektoren ausgestattet sind. Die Altbauten der Stadt sind dank der konsequenten kommunalen Klimaschutzinitiativen energetisch vollständig saniert worden, was ihren Heizwärmebedarf drastisch reduziert hat, wenngleich nur etwa jedes fünfte Haus Passivhausniveau erreicht. Mit der erfolgreichen energetischen Modernisierung öffentlicher Gebäude für Schulen, Krankenhäuser oder Kindertagesstätten hatte die Stadtverwaltung in diesem Prozess frühzeitig Maßstäbe gesetzt und vorbildlich gewirkt, zumal sie die dadurch erzielten Einsparungen geschickt zu kommunizieren verstand. Die Außendämmungen von Gebäuden sind inzwischen so dünn, dass die

Formensprache des Städtebaus und der Architektur kaum mehr berührt werden. Dank der Wärmespeicherfähigkeit innovativer Außendämmungen sind Klimaanlagen die Ausnahme geblieben. Den Anforderungen des Denkmalschutzes kann auch in historischen Altstadtkernen weitgehend entsprochen werden, zumal die Möglichkeiten der Innendämmung weiterentwickelt und ihre ehemaligen Nachteile deutlich reduziert werden konnten.

Bürger werden „Prosumer“- Stromproduzenten und -verbraucher

Öl- oder Gasheizungen sind selten geworden und dort, wo es sie noch gibt, werden sie mit Bioöl und Biogas betrieben. Die Bewohner von Morgenstadt haben längst die Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu schätzen gelernt. Die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme wird über ein System von hocheffizienten Nah- und Fernwärmeleitungen, das in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich aufgebaut wurde, an Gebäude in verdichteten Gebieten verteilt. Wo die Bebauung nicht so dicht ist, werden vor allem Wärmepumpen und Solarwärmeanlagen zur Wärmebereitstellung eingesetzt.

Manche Hausbesitzer bevorzugen auch Mikro-KWK-Geräte, die Wärme- und Stromerzeugung im eigenen Keller miteinander kombinieren. Biomasse, bevorzugt aus Abwässern und Abfällen, ist die hauptsächliche Energiequelle für Heizkraftwerke geworden. In Form von Biogas kann sie auch über die vorhandene Erdgas- Infrastruktur verteilt werden. Auch in den kleinen Blockheizkraftwerken, die die Gebäude mancher Straße oder Siedlung mit Nahwärme und Strom versorgen, spielt Biomasse eine wichtige Rolle.

Auf Dauer braucht eine CO2-neutrale Stadt jedoch überwiegend strombasierte Versorgungssysteme. Stromautarkie auf dem eigenen Stadtgebiet können Großstädte dabei im Gegensatz zu kleineren Gemeinden nicht erreichen. Sie bleiben auf den Import von Strom angewiesen. Dieser Strom wird vorwiegend aus regenerativen Quellen gewonnen und nur teilweise noch aus Großkraftwerken, deren Kohlendioxidemissionen durch CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage)-Technologien abgeschieden und eingelagert werden können. Solaranlagen und Windkraftwerke spielen als regenerative Quellen die Hauptrolle in der deutschen Stromerzeugung.

Darüber hinaus wird Solarenergie in Großanlagen im Süden und Windenergie vor den Küsten im Westen und Norden Europas im großen Stil in Strom umgewandelt, der über ein stabil ausgebautes europäisches Verbundnetz verlustarm transportiert wird. Nach dem Motto „zuerst erzeugen, dann importieren“ produzieren zusätzlich dezentrale Solar- und Windenergieanlagen innerhalb der Stadt sauberen Strom, ergänzt durch kleine Wasserkraftwerke, die an den Flussläufen der Stadt installiert wurden. Viele Bewohner von Morgenstadt sind dadurch zu „Prosumern“ geworden, die Strom sowohl produzieren und bei Überschussproduktion ins Netz einspeisen als auch konsumieren.

Die Energieversorgungsunternehmen (EVUs) sind deshalb weniger Stromproduzenten als vielmehr hauptsächlich Energiedienstleister, die zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln und über ein Lastmanagement zwischen zentralen und dezentralen Netzen die Energieversorgung sicherstellen. Das gilt auch für die leistungsfähigen Stadtwerke von Morgenstadt, die maßgeblichen Anteil am Aufbau eines intelligenten Stromnetzes (Smart Grid), am Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und Nahwärmenutzung sowie an der Verwirklichung der hauptsächlich auf erneuerbaren Energien basierten Wärme- und Stromversorgung in Morgenstadt hatten.

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Lesen Sie diesen und weitere Artikel im Magazin „forum Nachhaltig Wirtschaften“ 4/2011 mit dem Schwerpunkt Stadt der Zukunft und dem Special Wald, Holz & Biodiversität.

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Quelle

FORUM Nachhaltig Wirtschaften 2011

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