Planetare Grenzen auf Länder heruntergebrochen
Eine neue Studie mit MCC-Beteiligung setzt Ressourcennutzung und menschliches Wohlergehen in Beziehung. Ein grundlegender Wandel ist nötig.
Kein Land der Welt schafft es derzeit, die Grundbedürfnisse seiner Bürger zu erfüllen und dabei den Ressourcenverbrauch auf einem nachhaltigen Niveau zu halten. Das ist das Ergebnis neuester Forschungen unter Beteiligung des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die von der University of Leeds geleitete Studie „A good life for all within planetary boundaries“ hat die nationale Ressourcennutzung in insgesamt 151 Ländern bestimmt und wurde nun im renommierten Fachmagazin Nature Sustainability veröffentlicht.
„Fast alles, was wir tun, vom Abendessen bis zum Surfen im Internet, verbraucht Ressourcen in irgendeiner Weise. Allerdings sind die Verbindungen zwischen Ressourcennutzung und menschlichem Wohlergehen für uns nicht immer sichtbar“, sagt der Leitautor der Studie, Dr. Daniel O’Neill vom Sustainability Research Institute in Leeds. „Wir haben die Beziehungen zwischen der Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung und der Erreichung sozialer Ziele international untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass Grundbedürfnisse wie Ernährung, Sanitärversorgung und die Beseitigung extremer Armut höchstwahrscheinlich in allen Ländern erreicht werden können, ohne globale Umweltgrenzen zu überschreiten.“
Dies gilt jedoch nicht für andere soziale Ziele, die über die Grundversorgung hinausgehen – etwa Sekundarschulbildung und hohe Lebenszufriedenheit. Um diese Ziele in allen Ländern zu erreichen, könnte ein Ressourcenverbrauch erforderlich sein, der dem zwei- bis sechsfachen des nachhaltigen Niveaus entspricht.
„Im Allgemeinen gilt: Je höher der soziale Standard eines Landes ist, desto mehr planetare Grenzen überschreitet es und umgekehrt“, sagt William Lamb von der Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung am MCC. „Obwohl reiche Länder wie die USA, Großbritannien und Deutschland die Grundbedürfnisse ihrer Bürger befriedigen, tun sie dies auf einem Niveau der Ressourcennutzung, das weit über das hinausgeht, was global nachhaltig ist. Im Gegensatz dazu erfüllen Länder, die Ressourcen auf einem nachhaltigen Niveau verwenden, wie etwa Sri Lanka, nicht die Grundbedürfnisse ihrer Bürger.“
Die Studie stützt sich auf eine Untersuchung des Stockholmer Resilience Center, in der neun Umweltprozesse identifiziert wurden, die den Planeten regulieren. Darauf aufbauend haben die Forscher in der neuen Studie „planetare Grenzen“ für jedes Land ermittelt, die – wenn sie dauerhaft überschritten werden – zu katastrophalen Umweltveränderungen führen könnten. Diese planetaren Grenzen nehmen zum Beispiel die Bereiche Klimawandel, Landnutzungsänderungen und Süßwassernutzung in den Blick.
Anhand ihres Anteils an der Weltbevölkerung haben die Autoren insgesamt sieben planetare Grenzen auf jedes Land verteilt. Diese haben sie anschließend – nach Abzug der Effekte des internationalen Handels – mit dem jeweiligen nationalen Ressourcenverbrauch verglichen. Darüber hinaus wurden Länder anhand von elf sozialen Zielen bewertet, die bereits in früheren Untersuchungen festgelegt wurden. Zu den Zielen zählen unter anderem eine hohe Lebenserwartung, der Zugang zu Energie sowie demokratische Mitbestimmung.
Die Studie hat die jeweilige Ressourcennutzung der Länder – verglichen mit den planetaren Grenzen –dann in einer Karte mit den sozialen Indikatoren in Beziehung gesetzt. Die Kartierung zeigt, dass kein Land der Welt es schafft, gleichzeitig bei nachhaltiger Ressourcennutzung und sozialen Errungenschaften gut abzuschneiden. Auf einer Website haben die beteiligten Forscher die Daten zum jeweiligen Ressourcenverbrauch der Länder sowie zu Fortschritten beim menschlichen Wohlergehen zur Verfügung gestellt.
O’Neills Instituts-Kollege Dr. Andrew Fanning ergänzt: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass einige der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, etwa die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen, durch die Verfolgung anderer Ziele unterlaufen werden könnten – vor allem durch solche, die auf Wachstum oder hohes menschliches Wohlbefinden ausgerichtet sind.“
„Radikale Veränderungen sind nötig, wenn alle Menschen innerhalb der Grenzen unseres Planeten gut leben sollen“, betont Dr. Julia Steinberger von der School of Earth and Environment in Leeds. „Dazu gehört, dass wohlhabende Länder nicht mehr nur einzig das Streben nach wirtschaftlichem Wachstum im Blick haben, dass wir die Energieversorgung schnell von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare umstellen und die Ungleichheit deutlich verringern. Versorgungssysteme – wie beispielsweise unsere physische Infrastruktur – müssen grundlegend umgebaut werden, damit die Grundbedürfnisse der Menschen auf einem viel niedrigeren Niveau der Ressourcennutzung erfüllt werden können.“
Quelle
Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) 2018