Putins Politik des Aushungerns trifft die Ärmsten weltweit
FAO-Sonderrat zur weltweiten Ernährungssituation angesichts des Krieges in der Ukraine
Bei einer Sondersitzung der Internationalen Organisation für Landwirtschaft und Ernährung der Vereinten Nationen (FAO) am Freitag, 8. April in Rom wurden die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Welternährung besprochen.
Dazu erklärt der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir: „Putin benutzt die Verknappung von Getreide als Waffe. Er will, dass bei uns die Preise steigen und anderswo, in den ärmsten Ländern der Welt, der Hunger zunimmt. Mit dieser perfiden Strategie nimmt er weltweit Menschen als Geiseln. Als Vereinte Nationen müssen wir die russischen Aggressionen klar benennen und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine mit Blick auf die Ernährungssicherung analysieren.“
Nach einer ersten Prognose der FAO zur Auswirkung auf die globale Ernährungssicherung könnte der Krieg zu einem Anstieg der Zahl der Hungernden um 8 bis 13 Millionen Menschen führen – zusätzlich zu den von der FAO im Welternährungsbericht für 2020 geschätzten 720 bis 811 Millionen Menschen, die weltweit Hunger leiden. Die Region Asien/Pazifik (vor allem Bangladesch) und Afrika wären in etwa gleich betroffen. Die FAO ist sich einig, dass diese Länder Unterstützung benötigen. Daher soll sichergestellt werden, dass das World Food Programme (WFP) finanziell gestärkt wird.
Das WFP bezieht 50 Prozent seines Weizens aus der Ukraine und erwartet für die Sicherstellung ihrer diesbezüglichen Hilfslieferungen durch die Preissteigerungen Mehrkosten von 71 Millionen US-Dollar pro Monat. Dies ist ein Anstieg um 44 Prozent und könnte bei fehlender internationaler Unterstützung dazu führen, dass das WFP die Rationen für Nahrungsmittellieferungen kürzen muss. Preissteigerungen könnten diesen negativen Effekt weiter verstärken.
Özdemir weiter: „Meldungen, wonach Russland Exporte von Lebensmitteln zurückhält, sind weiterer Beleg dafür, dass Putin gezielt Hunger als geostrategisches Manöver nutzt. Dieses Vorgehen ist unverantwortlich. Umso mehr gilt es für die internationale Staatengemeinschaft, die Märkte offenzuhalten. Alles andere erhöht die Preisvolatilität und Marktunsicherheiten. Wichtig ist, dass wir wachsam bleiben.“
Vergleichbare Marktentwicklungen gab es bereits im Jahr 2008. Die allgemeine Versorgungslage mit Nahrungsmitteln ist heute jedoch besser als 2008 und aktuell besser, als die Preise vermuten lassen. Auch ist die Vermarktung der letzten Ernte in der nördlichen Hemisphäre trotz des Krieges größtenteils erfolgt. Die Weizenvorräte der großen Exporteure sind jedoch begrenzt, was die Preise auf einem sehr hohen Niveau hält und eine kritische Bedrohung für die importabhängigen Länder darstellt.
Özdemir: Ostafrika droht schlimmste Hungersnot seit 40 Jahren
Cem Özdemir: „Wir müssen den Hunger und die Klima- und Artenkrise gemeinsam bekämpfen. Der Hunger ist dort am größten, wo die Klimakrise heute schon Existenzen bedroht. In Ostafrika beispielsweise droht die schlimmste Hungersnot seit 40 Jahren. Länder, die bereits von Kriegen, der Klimakrise und damit einhergehenden Dürren und Überschwemmungen betroffen sind, sind importabhängig. Wir erwarten dort immense Auswirkungen auf die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Nachhaltige, klimagerechte Landwirtschaft muss sowohl vor Ort, als auch vor unserer eigenen Haustür, in Europa, gestärkt werden. Nur so sichern wir das Recht auf Nahrung.“
Özdemir forderte den Welternährungsausschuss der Vereinten Nationen (CFS) auf, eine zentrale Rolle zu übernehmen, um sich über grundsätzlich strukturelle Fragen hinsichtlich der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik weltweit auszutauschen. Zudem lobte er die enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in Deutschland sowie die Arbeit der BMEL-Koordinierungsstelle für Lebensmittelhilfen in die Ukraine.
„Die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine haben ein Ausmaß erreicht, das die internationale Gemeinschaft in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Dieser Krieg löst unendliches menschliches Leid aus! Wir tun deshalb alles, was in unser Macht steht, die Menschen in der Ukraine zu unterstützen. Die Bundesregierung stockt die humanitäre Hilfe von 64 Millionen auf insgesamt 370 Millionen Euro auf. So können wir unter anderem die Arbeit des World Food Programme massiv ausweiten. Zudem werden wir in Deutschland insgesamt nun 430 Millionen Euro für die globale Ernährungssicherung bereitstellen“, so Özdemir weiter.
Quelle
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2022