Reduzierung des Bevölkerungswachstums als Klimaschutz
Gerne wird für die armen Länder mit hoher Geburtenrate Empfängnisverhütung vorgeschlagen, um die Diskussion über eine Veränderung der Wirtschaft oder der Bekämpfung der Armut zu umgehen.
Die Weltbevölkerung wird nach Schätzungen bis 2100 um 3 Milliarden Menschen von jetzt über 7,7 Milliarden auf dann 10,9 Milliarden zunehmen. 2050 werden es bereits 9,8 Milliarden sein. Schon jetzt leben die Menschen, vor allem die der reichen Staaten, weit über die Verhältnisse, was die Nutzung der natürlichen Ressourcen betrifft. Wenn die ärmeren Länder mit einer hohen Fertilität sich weiter entwickeln, werden auch hier die CO2-Emissionen pro Kopf steigen. Zu der hemmungslosen Ausbeutung im Zeitalter des Anthropozäns und dem Massenaussterben der Arten kommt, dass die Klimaerwärmung durch menschliche Aktivitäten zu unwirtlichen Bedingungen auf Teilen des Planeten führen wird. Bei allen Versuchen, diese Entwicklung zu bremsen und eine nachhaltigere Wirtschafts- und Lebensweise zu entwickeln, ist klar, dass das weitere Bevölkerungswachstum ein Faktor ist, der die Situation verschlimmern kann.
Drei Milliarden mehr Menschen auf der Erde werden trotz aller Anstrengungen, die auch nur mäßig mit Klimapäckchen, wenn überhaupt vorankommen, die Umweltbelastung drastisch verstärken. Sie brauchen mehr Raum, verbrauchen mehr Ressourcen und machen Einsparungen zunichte. Allerdings ist die Diskussion oft schief, wenn es einerseits heißt, dass in den Ländern mit der höchsten Fertilität für Verhütung geworben werden soll, um neuerdings das Klima und die Umwelt zu schützen, obgleich ebenso bekannt ist, dass eine hohe Fertilität zwar auch mit der Kultur, vor allem aber mit Armut zusammenhängt.
Man müsste auch schon deswegen die Ökonomie verändern, die Armut schafft und erhält, aber auch die Natur ausbeutet, weil sie nichts kostet, und auf permanentes Wachstum angelegt ist, ein Krebs also, der zerstörerisch ist. Dazu kommt, dass eine Beschränkung des Bevölkerungswachstums eigentlich nur die Länder betrifft, die arm und unterentwickelt sind, also deren Pro-Kopf-Emissionen auch entsprechend niedrig sind, während die reichen Länder, in denen die Lebenserwartung viel höher ist, „vergreisen“, mitunter auch schrumpfen, und neben Zuwanderung auf mehr Geburten setzen, um die Wirtschaft und die sozialen Systeme aufrechtzuerhalten. Zwar hört man gerne in Bezug auf Entwicklungsländer die Forderung nach Reduktopn des Bevölkerungswachstums, aber kaum etwas über Konzepte, durch aktive Schrumpfung der Bevölkerung und Einschränkung der Familienförderung Ressourcen zu schonen und Klimaschutz zu betreiben.
Ideologie der Bevölkerungswissenschaftler
Im britischen Fachmagazin BMJ haben nun Regine Sitruk-Ware und John Bongaarts vom Population Council in New York einen Meinungsartikel veröffentlichen können, der auf die typische Weise das Thema der wachsenden Weltbevölkerung mit der Klimaveränderung verbindet. Man habe sich in der Klimapolitik bislang eher auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz kapriziert, kritisieren sie, aber die Dringlichkeit des Problems mache andere Veränderungen notwendig. Da Bevölkerungswachstum eine der Ursachen der Klimaerwärmung sei, müsse man auch hier einsetzen, die Reduzierung des Bevölkerungswachstums würde die CO2-Emissionen schließlich drastisch reduzieren, um bis zu 40 Prozent sagen sie.
Die Lösung soll in einer weiteren Verbreitung von Schwangerschaftsverhütungsmitteln bestehen. Die seien oft nicht zugänglich oder zu teuer. Weltweit würde es fast 100 Millionen nicht gewünschte Schwangerschaften jährlich geben, das ist fast die Hälfte aller Schwangerschaften. Mehr als die Hälfte der unerwünschten Schwangerschaften würden abgetrieben. Aber damit kämen jährlich fast 50 Millionen eigentlich unerwünschte Kinder auf die Welt, die auch wieder Kinder kriegen können usw. Viele verheiratete Frauen würden riskieren, schwanger zu werden, weil sie keine Verhütungsmittel nehmen. Das Problem sei nicht nur Geld, sondern Probleme würden auch auch Mythen über die Wirkung von Hormonen, soziale Normen, Abneigung der Ehemänner und Unzufriedenheit mit den verfügbaren Methoden darstellen. Es würde zwar an neuen und besseren Verhütungstechniken gearbeitet, auch für Männer durch hormonelle Verhütungsmittel, die etwa die Spermienbildung verhindern, aber den „männlichen Habitus“ wahren
Armut in der Argumentation scheint keine Rolle zu spielen, man will nichts gesellschaftlich verändern, Bildung soll alles verbessern. Das kennt man von Neoliberalen, die suggerieren, dass im Prinzip alles gut ist und alle Menschen am Wohlstand durch bessere Bildung teilhaben würden, eine andere Version des Trickle-Down-Versprechens. Jetzt geht es um das Überleben der Menschheit, das durch weniger Kinder gesichert werden soll. Statt wirtschafts- und gesellschaftsverändernde Maßnahmen müsse man „kulturell abgestimmte Medienkampagnen, Investitionen in die Bildung von Männern und Frauen, Jobmöglichkeiten und politische Befreiung“ fördern, um die Rolle der Frauen zu verändern und deren Möglichkeit zu stärken, über Kinderkriegen zu entscheiden. Das ist wohl wahr, aber zu kurz gegriffen, wie auch die Anregung, die Verbreitung und Anwendung von Verhütungsmitteln durch Familienprogramme zu fördern: „Das wiederum hat einen großen positiven Einfluss auf das menschliche Wohlergehen, das Klima und die Umwelt.“ Und den Vorteil, dass davon nur die Anderen im armen Süden betroffen sind.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion „TELEPOLIS“ (Florian Rötzer)
2019 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung von Florian Rötzer 2019 weiterverbreitet
werden! Bild: Frank Götmark/CC-BY-SA-4.0