AgriPV und Großspeicher schlagen Atomkraft
Wie eine dezentrale Energiezukunft Landwirtschaft und Klimaschutz verbindet. Ein Beitrag für das AgriPV Jahrbuch 2025 von Dr. Erich Merkle.
Der neue Energiekonflikt
Noch immer steht Atomkraft in vielen Ländern als vermeintlich klimafreundliche Option im Raum. Doch während sich Atomprojekte verzögern, verteuern und zentralistische Netze belasten, wächst in der Fläche eine ganz andere Energiewelt heran: dezentral, erneuerbar und landwirtschaftlich verwurzelt. Agri-Photovoltaik (AgriPV) in Kombination mit leistungsfähigen Großspeichern stellt heute bereits die effizientere, günstigere und demokratischere Alternative zur atomaren Renaissance dar.
AgriPV in Kombination mit Batteriespeichern entwickelt sich zur tragenden Säule einer dezentralen, flexiblen und klimapositiven Energiezukunft – schneller, günstiger und nachhaltiger als jedes neue Atomkraftwerk.
Atomkraft: teuer, langsam, zentralistisch
Der Bau eines neuen Atomkraftwerks dauert durchschnittlich über fünfzehn Jahre und kostet meist zwischen zehn und zwanzig Milliarden Euro. Trotz hoher Grundlastfähigkeit bleibt die Technologie unflexibel, zentralistisch und risikobehaftet. Die CO₂-Bilanz ist zwar im Betrieb niedrig, doch die Kosten pro Kilowattstunde liegen mit zwölf bis sechzehn Cent – deutlich über dem Niveau moderner Solarstromerzeugung mit Speichern. Hinzu kommen ungelöste und noch sehr viel höhere Auzfwendungen durch nicht eingepreiste Kosten wie die Atommülllagerung, Sicherheitsbedenken und die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz in vielen Ländern.
AgriPV + Speicher: schnell, kostengünstig, dezentral

Ein AgriPV-System mit einer installierten Leistung von einem Megawatt lässt sich innerhalb von ca. 3 Monaten realisieren. Kombiniert mit einem großen 5-10 MWh-Speicher entsteht ein regionaler Energie-Hub, der Strom für den Hof, für Kühltechnik, für Elektromobilität und für das öffentliche Netz bereitstellt – auch nachts und bei geringer Sonneneinstrahlung. Die Stromgestehungskosten liegen dabei deutlich unter denen der Atomkraft: ca. vier Cent pro Kilowattstunde für die AgriPV-Anlage, plus zwei bis vier Cent für die Speicherung. Die Gesamtkosten bleiben also deutlich unter zehn Cent – bei gleichzeitiger Weiterführung der landwirtschaftlichen Nutzung. Das bedeutet: Strom und Ernte kommen von derselben Fläche.
Ein neues systemisches Geschäftsmodell für die Landwirtschaft
Durch die Kombination von AgriPV Anlagen und Speicher als Co-Location ist ein wirtschaftlich sehr interessantes neues Geschäftsmodell mit vielfältigen Erlösströmen entstanden: Einspeisevergütung oder PPA-Verträge, Erlöse am Regelenergiemarkt, Arbitragegewinne im Intraday-Handel. Durch das neue Solarpaket und gezielte Speicherförderung entstehen zusätzliche Chancen – vor allem dann, wenn Strom und Landwirtschaft systemisch gedacht werden. Dies bedeutet, dass beide Bereiche nicht getrennt voneinander, sondern als miteinander verflochtene Bestandteile eines ganzheitlichen Betriebsmodells verstanden und gestaltet werden. Es geht darum, die Energieerzeugung nicht als externen Zusatz zur Landwirtschaft zu behandeln, sondern als integralen Bestandteil eines zukunftsfähigen, resilienzorientierten Agrarsystems.
Der Energielandwirt – ein Leitbild für die Zukunft
In der Praxis zeigt sich das etwa in der Agri-Photovoltaik: Der Strom, der auf landwirtschaftlichen Flächen erzeugt wird, dient nicht nur der Einspeisung ins öffentliche Netz, sondern direkt der Versorgung betrieblicher Prozesse – von der Bewässerung über die Kühlung bis hin zur elektrifizierten Mobilität. Die erzeugte Energie wird dort genutzt, wo sie entsteht, und in vielen Fällen auch gespeichert, um sie zeitversetzt einsetzen zu können.
Gleichzeitig bleibt die Fläche landwirtschaftlich nutzbar. Es entstehen Mehrwerte durch die Doppelnutzung: Lebensmittel und Strom werden auf ein und derselben Fläche produziert. Damit wird aus dem Landwirt gleichzeitig ein Energiewirt – nicht durch zusätzliche Technik, sondern durch intelligente Integration. Wirtschaftlich gesehen bedeutet das neue Erlösquellen, niedrigere Betriebskosten und eine höhere Unabhängigkeit von volatilen Märkten. Ökologisch betrachtet trägt diese Verbindung zur Klimaanpassung bei, durch die positiven mikroklimatischen Effekte der Solarmodule und durch eine effizientere Flächennutzung.
Systemisch zu denken heißt also, Strom und Landwirtschaft nicht als getrennte Sektoren zu behandeln, sondern als sich gegenseitig ergänzende Elemente einer multifunktionalen, regenerativen Betriebsweise. Es ist ein Paradigmenwechsel: weg von linearer Produktion hin zu einem vernetzten, flexiblen und resilienten System, das Ernährung, Energie und Klimaschutz als Einheit betrachtet.
Landwirt und Energieproduzent – Beispiele aus der Praxis
Ein Bauernhof in Baden-Württemberg installiert derzeit eine hofnahe AgriPV-Tracker-Anlage mit 998 kWp Leistung und plant dazu einen 5 MWh-Speicher zu installieren. Der gesamte Betrieb inklusive Kühlung und E-Fahrzeugen kann autark versorgt warden, alternativ wird der gesamte PV Strom eingespeist und nach EEG vergütet oder direkt vermarktet. Der Speicher erzielt zusätzlich hohe Einnahmen aus Arbitragegeschäft (Stromeinspeicherung zu günstigen Preise und Ausspeicherung zu hohen Preisen) sowie der Bereitstellung von Regelenergie.
Ein Erdbeerhof in Nordrhein-Westfalen nutzt eine hoch aufgeständerte Megawatt-AgriPV-Anlage über einem Erdbeerfeld. Neben dem Transformator steht ein 2 MWh Batteriespeicher. Der Strom deckt die Versorgung von E-Traktoren, Maschinen, Heizsystemen und Trocknungsanlagen. Ein vertraglich fester Anteil wird für Regelenergie bereit gehalten und und bei Netzbedarf abgerufen. Ein wirtschaftlich hochattraktives Geschäftsmodell.
Systemische Vorteile: Resilienz, Akzeptanz und Innovation

Die Kombination aus AgriPV und Speicher entlastet Stromnetze, erhöht die Versorgungssicherheit und reduziert Emissionen. Gleichzeitig eröffnen sich neue Chancen für die Digitalisierung der Landwirtschaft und die Integration klimafreundlicher Technik wie E-Mobilität oder Präzisionslandwirtschaft (Landwirtschaft 4.0 und 5.0). Die gesellschaftliche Akzeptanz ist hoch, denn die Vorteile sind sichtbar und unmittelbar vor Ort nutzbar. Strom wird lokal erzeugt, gespeichert und verbraucht – der Ertrag bleibt in der Hand der Landwirte.
Politischer Handlungsbedarf damit die Zukunft auf dem Feld liegt
Damit das volle Potenzial genutzt werden kann, müssen Förderinstrumente wie das EEG oder das Solarpaket gezielt auf die Kombination von AgriPV und Speicher abgestimmt werden. Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht, Flächenpotenziale gesichert und technische Standards weiterentwickelt werden. Auch die Integration in Agrarförderungen (GAP) sollten künftig auch energetische Leistungen honorieren. Denn wer mit seinem Acker nicht nur ernährt, sondern auch das Stromnetz stabilisiert, leistet mehr als klassische Landwirtschaft. Er betreibt Systemrelevanz – dezentral, nachhaltig und wirtschaftlich. Der Energielandwirt könnte ein Leitbild der Zukunft sein.
AgriPV und Großspeicher bieten eine zukunftsfähige, kosteneffiziente und sozial verträgliche Antwort auf die Energiefragen unserer Zeit. Während Atomkraft weiterhin hohe Risiken, lange Bauzeiten und enorme Kosten mit sich bringt, entstehen in der Fläche echte Energiehöfe: produktiv, klimafreundlich und unabhängig. Nicht Atomkraft ist das Rückgrat der Energiewende – sondern die Landwirtschaft.
Gesellschaftlich wirkt das Modell als Brücke. Die Menschen vor Ort profitieren direkt: als Stromnutzer, als Beteiligte, als Beobachter einer echten Energiewende. Wo Felder doppelt genutzt werden, wo der Landwirt zum Energiewirt wird, wächst Akzeptanz. Die Energiewende bekommt ein Gesicht – regional, regenerativ und realistisch.
Politisch braucht es dafür verlässliche Rahmenbedingungen. Die Kopplung von EEG-Förderung mit Speicheranreizen ist ein erster Schritt. Auch die Integration in die Agrarförderung – etwa durch die GAP – sollte geprüft werden.
Nicht Atomkraftwerke sichern unsere Energiezukunft
Die zentrale Aussage dieses Beitrags lautet: Nicht Atomkraftwerke sichern unsere Energiezukunft, sondern Felder, auf denen Strom und Nahrung gemeinsam wachsen. Wird dieser Strom gespeichert und bedarfsgerecht eingespeist, kann ein Großteil der sogenannten Grundlast abgedeckt werden – bei gleichzeitig deutlich geringeren Kosten, kürzerer Bauzeit und zusätzlichem landwirtschaftlichen Nutzen. Dabei entstehen neben der Stromproduktion auch regionale Wertschöpfung, landwirtschaftliche Resilienz und gesellschaftliche Akzeptanz. Während ein Atomkraftwerk zentralisiert und hochkomplex ist, steht Agri-PV für eine verteilte, modulare Energiewelt, die sich flexibel anpassen und schnell realisieren lässt.

Agri-PV mit Speicher ersetzt Atomkraft nicht durch einzelne Großanlagen, sondern durch eine neue Struktur des Energiesystems – verteilt über viele Höfe, Felder und Regionen. Diese Dezentralität ist kein Nachteil, sondern der entscheidende Vorteil für eine resiliente und sozial integrierte Energiewende.
Agri-PV mit Speicher ist keine Vision, sondern Realität. Sie wächst heute schon – Tag für Tag – bei den Landwirten die sich trauen.
Die Zukunft liegt nicht im Reaktor. Sie liegt auf dem Feld.