Autobahnbetreiber soll Solarbetreiber werden
Photovoltaik-Anlagen sollen künftig auch an Bundesstraßen gebaut werden. Der Bund hat ein großes Potenzial ermittelt. Seine Autobahn GmbH prüft nun, wo sie Solaranlagen selbst bauen und betreiben kann.
Solarstrom soll eine tragende Säule der künftigen Elektrizitätsversorgung werden. Derzeit sind auf Hausdächern und Freiflächen rund 90.000 Megawatt installiert, 2030 aber sollen es bereits 200.000 Megawatt sein.
Fast die Hälfte der neuen Anlagen könnte im Umfeld von Autobahnen und Bundesstraßen gebaut werden, zum Beispiel auf Straßenrändern und an Lärmschutzwällen. Das zeigt eine vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Untersuchung.
Verkehrsminister Volker Wissing (damals FDP, jetzt parteilos) hatte 2023 in der damaligen Ampel-Bundesregierung Ausbaupläne für die Bundesfernstraßen durchgesetzt, die nicht nur bei Umweltverbänden auf heftige Kritik stießen.
Als „grüne Beigabe“ beschloss die damalige Ampel-Regierung per Beschleunigungsgesetz, einen schnelleren Ausbau von Solaranlagen an Autobahnen und Bundesstraßen sowie an Schienenwegen zu ermöglichen. Dort gilt jetzt das „überragende öffentliche Interesse“ am Ausbau der Energieversorgung.
Potenzial von zigtausend Fernstraßenkilometern
Das Bundesamt für Straßenwesen (BASt) ermittelte nun das Potenzial dafür und kam dabei auf 250.000 geeignete Areale. Am meisten geben die „Straßenbegleitflächen“ neben den rund 50.000 Kilometern Fernstraßen her. Dort ist laut Studie Platz für Solaranlagen mit einer Kapazität von 24.000 bis 48.000 Megawatt.
An Lärmschutzwänden und -wällen können weitere 4.800 Megawatt, an Parkplätzen bis zu 1.200 Megawatt entstehen. Ein kleineres Potenzial von 140 Megawatt haben Dachflächen auf Autobahngebäuden und überdachten Straßen, auf denen Solarmodule installiert werden könnten. Günstigstenfalls kommen damit also gut 54.000 Megawatt zusammen.
Die Autobahn GmbH des Bundes soll im nächsten Schritt ein bundesweites Kataster mit nutzbaren Flächen erstellen, die sich in ihrem Eigentum befinden. Dann soll sie überprüfen, wo sie die Solaranlagen selbst errichten und betreiben kann.
Wo das nicht der Fall ist, kann sie laut Verkehrsministerium anderen Interessenten das Nutzungsrecht an den entsprechenden Flächen übertragen, etwa Kommunen, Anliegern oder freien Investoren. Um die Erschließung möglichst kostengünstig zu gestalten, wurden geeignete Flächen zusammengefasst, die dann an einen gemeinsamen Stromnetz-Anschlusspunkt angeschlossen werden können.
Vom Straßenrand in die Autobatterie
BASt-Präsident Markus Oeser hob die Vorteile des Konzepts im Zusammenhang mit der Umstellung von Pkw und Lkw auf E‑Antrieb hervor. „Elektromobilität leistet vor allem dann einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen, wenn die benötigte Energie regenerativ erzeugt wird“, sagte er.
Es sei dabei ein großer Vorteil, dass der Solarstrom auf den anvisierten Flächen „abnehmernah und somit netzentlastend“ produziert wird, also zum Beispiel kurze Wege zu Schnelllade-Säulen an den Autobahnen entstehen. Derzeit arbeite sein Amt daran, die Ermittlung der Potenziale durch KI‑Einsatz noch weiter zu verfeinern.
Fachleute erwarten, dass das Interesse von Investoren am Bau von Anlagen entlang von Autobahnen groß sein wird, wenn die entsprechenden Areale ausgewiesen werden.
Im vergangenen Frühjahr war eine von der Bundesnetzagentur organisierte Ausschreibung für Solarprojekte an Randstreifen von Autobahnen oder Schienenwegen sowie auf Acker- und Grünlandflächen deutlich überzeichnet. Bei der Agentur gingen 569 Gebote für insgesamt 4.100 Megawatt ein, einen Zuschlag erhielten 326 Gebote mit einem Umfang von 2,2.000 Megawatt.
Die durchschnittliche Vergütung betrug dabei 5,11 Cent je Kilowattstunde Strom. Diesen Preis erhalten die späteren Solarbetreiber für die eingespeiste Elektrizität. Nach den Regeln der Netzagentur bekommen bei den Ausschreibungen die Gebote mit den geringsten Stromkosten den Zuschlag.
Energiewirtschaft warnt vor ungesteuerter Solareinspeisung
Im vorigen Jahr hatte der Zuwachs bei der Solarkapazität mit rund 15.300 Megawatt bundesweit einen neuen Rekord seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 erreicht. Für 2024 erwartet der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) eine weitere Steigerung auf 17.500 Megawatt.
„Die kontinuierliche Steigerung des Photovoltaik-Ausbaus in Deutschland ist ein erfreuliches Zeichen für den Fortschritt der Energiewende“, sagte dazu die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae. Sie wies aber auch auf Probleme hin, die dadurch entstehen können.
Rund die Hälfte der neuen Solaranlagen speise gemäß heutiger Rechtslage den Strom ungesteuert ins Netz ein, weil diese Anlagen unter der Leistungsschwelle von 100 Kilowatt liegen. An sonnigen Sonntagen mit geringerem Strombedarf könne die gesamte Solareinspeisung den Verbrauch dann schon im kommenden Frühling und Sommer überschreiten.
Andreae forderte deshalb noch vor den Neuwahlen im Bund einen Bundestagsbeschluss über die geplante Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes. Diese sieht unter anderem vor, dass neue Solaranlagen künftig bereits ab zwei Kilowatt Nennleistung bei drohender Netzüberlastung vom Netzbetreiber heruntergeregelt werden können, was auch die üblichen Anlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern beträfe.
Wenn die Neuregelungen zur besseren Steuerbarkeit der Photovoltaik nicht rechtzeitig kämen, könne „die neue Bundesregierung Chaos erben“, warnte Andreae. Dann drohe auch „ein Eingriff bei Bestandsanlagen“.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! (Bild: Falk Heller/Kohlhauer)