Die Atomkraft – ein Irrweg im Kampf gegen die Klimakrise
Laut Weltklimarat könnte Atomkraft einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten. Dankbar greifen dies Befürworter nuklearer Energie auf. Eine neue Studie zeigt jedoch: Atomkraft kann fossile Energie nicht schnell genug ersetzen. Das sind die Gründe.
Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, beinhalten fast alle Szenarien des Weltklimarates IPCC eine Erhöhung der Atomenergie am weltweiten Strombedarf. Je nach Pfad müsse bis 2030 die Steigerung gegenüber 2010 zwischen 59 Prozent und 106 Prozent liegen. Aktuell liegt sie bei 10,15 Prozent. Die Veröffentlichung dieser Zahlen im letzten Jahr gab vor allem den Befürwortern der Atomkraft Auftrieb. Unter der „Nuclear Pride“ Bewegung formieren sich Menschen, die nach eigener Aussage unabhängig von Energiekonzernen agiert. Ihr wichtigstes Argument: Über den gesamten Lebenszyklus hinweg, sei Kernenergie genauso CO2-arm wie Windkraft und emittiere nur ein Viertel so viel CO2 wie Photovoltaik.
Eine neue Studie führt jedoch zwei gewichtige Argumente gegen die Atomkraft und für den Ausbau von Wind- und Solarenergie ins Feld. Und dabei geht es nicht um Sicherheitsrisiken der Atomkraftwerke und die Frage nach der Endlagerung radioaktiver Abfälle. Der World Nuclear Industry Status Report zeigt: Der Bau neuer Atomkraftwerke ist zu teuer und braucht zu lange, um fossile Energieträger schnell genug zu ersetzen. Da die Kosten für Wind- und Solarenergie weltweit sinken, seien diese viel effektiver die Klimakrise wirksam und schnell anzugehen. Erstellt wurde der Report von führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet.
„Die relevanteste Publikation“, um die Zukunft der Atomenergie zu beantworten
Auch der IPCC und seine Co-Vorsitzende Diana Ürge-Vorsatz erkennen in Folge des Reports an, dass die Atomindustrie Schwierigkeiten haben wird, neuen Strom kosteneffizient und zeitnah bereitzustellen. „Dieser Report ist möglicherweise die relevanteste Publikation, um diese berechtigte Frage zu beantworten“, so Ürge-Vorsatz. Das machen die Zahlen deutlich:
Während im letzten Jahrzehnt die Kosten für den Bau von Solaranlagen um 88 Prozent fielen und die für Windanlagen um 23 Prozent, stiegen die Kosten für den Bau neuer Atomkraftwerke um 23 Prozent. Auch brauchen neue Atomreaktoren, mit deren Bau 2018 begonnen wurde, im Schnitt 10,9 Jahre bis zu ihrer Fertigstellung.
Darüber hinaus zeigt die Analyse: Sogar verlängerte Laufzeiten existierender Reaktoren sind für das Klima nicht effektiv, da die laufenden Kosten für den Betrieb, die konkurrierender Maßnahmen für mehr Energieeffizienz und regenerative Optionen übersteigen. Damit wird deutlich, dass der Betrieb laufender Atomkraftwerke den Bau Erneuerbarer Energien Anlagen blockiert.
Ein weltweiter Trend ist da
Dass der Bau neuer Atomkraftwerke unrentabel ist, scheinen Teile der Wirtschaft immer stärker zu begreifen. Während Windkraft 2018 weltweit um 29 Prozent wuchs und Solarenergie um 13 Prozent, konnte die Atomenergie gerade ein Mal einen Zuwachs von 2,4 Prozent verzeichnen. 2018 war Baustart für fünf neue Atomkraftwerke, 2010 waren es noch 15. Doch noch immer sind weltweit 431 Reaktoren im Betrieb, weiter 49 im Bau.
Vor allem Frankreich baut nach wie vor auf die Atomkraft. 75 Prozent des Strommix stammt aus nuklearen Reaktoren. Die Atomlobby ist eng verbandelt mit der französischen Regierung. Erst 2035 soll der Atomanteil auf 50 Prozent reduziert werden. Der Ausbau Erneuerbarer Energien wird damit stark verzögert. Das könnte Frankreich teuer zu stehen kommen.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht
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Heft 26 / Herbst 2019 | „Nachhaltige Lebensstile“ | Jetzt lesen | Download