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Ein Jahr atomstromfrei – eine Abrechnung

Ein Jahr nach dem Abschalten der letzten drei deutschen Atomkraftwerke liegen die Fakten auf dem Tisch.

Das Ende der Atomstromproduktion am 15. April 2023 hat Deutschland nicht nur sicherer gemacht, auch die Unkenrufe der Atomkraftfans haben sich nicht bewahrheitet: Die Lichter sind angeblieben. Die Erneuerbaren haben zudem einen ordentlichen Sprung nach vorn gemacht. Im Jahr 2023 lag ihr Anteil an der Nettostromerzeugung in Deutschland laut Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) bei 59,7 Prozent. Das ist ein Zuwachs von etwa 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Energiewende ist auf dem richtigen Weg und der Atomausstieg ist ein Teil davon. Dennoch halten sich einige Gerüchte zum AKW-Aus hartnäckig. Wir verabschieden die drei populärsten Falschbehauptungen der Atomstrom-Debatte des vergangenen Jahres.

1. „Das Abschalten der Atomkraftwerke hat den Strompreis in die Höhe getrieben“

Falsch. Tatsächlich ist der Strompreis seit dem Abschalten der deutschen Atomkraftwerke im vergangenen Jahr gefallen. Laut Angaben des Vergleichsportals Verivox ist der Strompreis pro Kilowattstunde im Vergleich zum April 2023 um etwa 23 Prozent gesunken. Der Preis bildet sich nach dem Merit-Order-Prinzip, wonach das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung des Strombedarfs gebraucht wird, den Preis vorgibt. Die Strommenge, die deutsche AKW zum Schluss produziert haben, war im Vergleich zur Strommenge auf dem europäischen Energiemarkt so gering, dass sie keine spürbaren Auswirkungen auf den Strompreis hatte. Ebenso hatte die Abschaltung keine Relevanz für die Preisbildung.

2. „Deutschland ist abhängig von Atomstrom aus Frankreich“

Falsch. Laut Agora Energiewende wurde 2023 2,3 Prozent des Netto-Stromverbrauchs in Deutschland durch Energie-Importe gedeckt. Das heißt, Deutschland hat etwa 2 Prozent weniger Strom exportiert als importiert. Die Importe stammen in erster Linie aus erneuerbaren Energiequellen aus skandinavischen Ländern. Von den rund zwei Prozent deutschen Netto-Stromimporten stammen 25 Prozent aus französischen Atomkraftwerken. Ausschlaggebend für die Import-/Export-Entscheidungen sind die Preise am Markt. Wird der Strom im Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt günstiger angeboten, als der im Inland produzierte, wird der Strom importiert. Dass Frankreich teuren Atomstrom günstig verkauft, ist nur möglich, weil der Atomsektor von Subventionen getragen wird. Von einer Abhängigkeit von französischem Atomstrom kann keine Rede sein. Der importierte Strom hätte genauso gut in Deutschland produziert werden können. Der Grund für den Einkauf von Atomstrom aus Frankreich war also kein physikalischer Notstand.

3. „Der Atomstrom wird mit dreckigem Kohlestrom ersetzt“

Falsch. Der Ausstieg aus der Atomstromproduktion hat nicht zu einem Anstieg der Kohlestromproduktion geführt. Laut ISE hat ein Plus von 32 Terawattstunden (TWh) bei den Erneuerbaren Energien den Wegfall von 29,5 TWh Atomstrom komplett kompensiert. Dieser Effekt ist auch darauf zurückzuführen, dass Strom aus erneuerbaren Energiequellen nicht mehr durch Atomstrom aus den Netzen verdrängt wird. Im vergangenen Jahr ist der Anteil von Braun- und Steinkohle an der Stromerzeugung in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr zusätzlich um etwa ein Drittel zurückgegangen. 2022 war insbesondere der Ausfall von zeitweise über 50 Prozent der französischen Atomstrom-Kapazitäten ursächlich für einen Anstieg der Kohlestromproduktion. Im Jahr 2023 war die Bruttostromerzeugung aus Braunkohle so niedrig wie seit 1963 nicht mehr. Bei der Steinkohle entspricht die Verstromung dem Niveau von 1955. Insgesamt ist der Stromverbrauch in Deutschland im vergangenen Jahr um etwa 10 TWh gesunken – von 468 auf 458 TWh. Strom aus Kohle wird teurer, während die Erzeugungskosten für Strom aus erneuerbaren Energiequellen kontinuierlich sinken. Sonne und Wind haben nicht nur die gefährliche Atomstromproduktion ersetzt, sie verdrängen auch zunehmend Kohlestrom vom Markt.

Quelle

Angela Wolff, Referentin Atomausstieg, Energiewende und Klima – IPPNW.de

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