Lichtblick fordert bundesweite Solarpflicht für Neubauten
I. Darum geht’s
Auch wenn es nicht alle glauben: Deutschland ist ein Sonnenland. Gebietsweise scheint sie über 1.000 Stunden im Jahr. Das merken wir auch bei der Stromerzeugung. Die 2 Millionen Fotovoltaikan-lagen (PV) lieferten im letzten Jahr gut 50 Milliarden Kilowattstunden Strom. Doch es könnten weit mehr sein. Allein auf unseren Dächern wäre Platz für fünfmal mehr Solarstromerzeugung.
Doch davon sind wir weit entfernt. Nimmt man alle Gebäudeflächen zusammen, werden in Deutsch-land gerade einmal 2,5 % des Potenzials für die Solarenergieerzeugung genutzt. Und auch beim Neubau sieht es nicht gut aus. So zeigt der LichtBlick-SolarCheck 2020 – ein Vergleich der 14 größten deutschen Städte – eine geringe PV-Nutzung neuer Dachflächen: Nürnberg und Hannover führen die Liste mit jeweils 49,1 % und 46,8 % an, Düsseldorf und Hamburg stehen am Ende mit jeweils nur 8,2 % und 7,2 %. – trotz der in Deutschland angebotenen Förderung, etwa über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Wenn Förderung allein nicht hilft, liegt der Gedanke nahe, die Nutzung der Solarenergie bei Neubau-ten zur Pflicht zu machen. Das hessische Vellmar ging bereits vor 20 Jahren voran, später folgten Waiblingen und Tübingen. Vor kurzem haben auch erste Bundesländer eine Solarpflicht beschlossen, etwa Hamburg, Baden-Württemberg und Bremen. In Berlin hat der Senat ein entsprechendes Gesetz inzwischen verabschiedet, in Schleswig-Holstein und Bayern wird darüber diskutiert. Es entsteht also gerade ein Flickenteppich aus länderspezifischen Vorgaben zur Solarnutzung. Das könnte sich nach der nächsten Bundestagswahl ändern. Denn die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Rege-lung der Solarpflicht wird immer lauter.
II. Die wichtigsten Fakten
Solarpotenzial auf Dächern
Solarenergie kommt in den meisten Fällen vom Dach, doch nicht jedes ist geeignet. Auf mache scheint die Sonne zu wenig, auf anderen ist die Installation zu teuer. Doch das Potenzial ist dennoch gigantisch: 1.600 Quadratkilometer Dachflächen standen 2015 für die Solarenergienutzung bereit – das entspricht der Fläche von 225.000 Fußballfeldern. Rund 250 Milliarden Kilowattstunden Solarstrom könnten dort erzeugt werden – knapp die Hälfte des gesamten deutschen Stromverbrauchs. Unter Einbeziehung heute verfügbarer neuer Technologien (z. B. PV-Dachziegel und -folien) sowie geeigneter Fassaden verdreifacht sich das Solarpotenzial der Gebäude sogar. Für die Solarnutzung geeignete Gebäudeflächen sind also in Hülle und Fülle vorhanden.
Ist die Pflicht rechtlich zulässig?
Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes hat verschiedene Ausgestaltungsoptionen für eine bundesweite Photovoltaik-Pflicht bei Neubauten oder Dachsanierungen verglichen. Das Fazit: Um rechtliche Zweifel auszuräumen sollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Solarnutzung für Hausbesitzende wirtschaftlich zumutbar ist. Die Autor*innen schlagen deshalb eine Nutzungs- und Katasterpflicht vor. Die Verpflichteten könnten sich so entscheiden, eine PV-Anlage selbst zu installieren oder ihre Dachfläche in ein Verpachtungskataster einzutragen, damit die Fläche für den Bau und Betrieb einer PV-Anlage von Dritten gepachtet werden kann. Damit wäre eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit ausgeschlossen. Außerdem gelte es, Überschneidungen mit Landesgesetzen, etwa dem EE-Wärme-Gesetz des Landes Baden-Württemberg, zu vermeiden.
Vorreiter in allen politischen Lagern
Erfahrungsberichte aus Waiblingen und Tübingen zeigen, dass die Solarpflicht den Ausbau der Photovoltaik in beiden Städten fördert. Im Rahmen der Gesetzgebung in den Bundesländern wurden zudem einige wichtige Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich können sowohl Wohn- als auch Nicht-Wohngebäude in die Pflicht einbezogen werden. In einem ersten Schritt werden jedoch überall nur Neubauten berücksichtigt, die Ausweitung auf Dachsanierungen ist aber teils schon angelegt (Bremen). In den deutschen Vorreiterländern wird durchweg auch der Betrieb einer Solarwärme-Anlage als Erfüllung der PV-Pflicht gewertet, in Baden-Württemberg zudem heute schon die Verpachtung an Dritte, die eine Anlage errichten. Nordrhein-Westfalen hat eine Sonderform der PV-Pflicht erlassen. Sie gilt nur für große Parkplätze. Auffällig ist jedoch, dass das Thema offenbar parteiübergreifend konsensfähig ist, egal ob die Landesregierung SPD-, Grün- oder CSU- bzw. CDU-geführt ist.
Das kostet Solarstrom
PV-Anlagen werden immer preiswerter. Die Installationskosten belaufen sich für haushaltstypische Größen von etwa 7.500 Euro (bei 4 kWp )) bis rund 22.000 Euro (16 kWp). Für dreimal mehr Geld erhält man in diesem Beispiel die vierfache Leistung. Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt daher: „Wenn Sie finanziellen Spielraum haben, sollten Sie deshalb die Dachfläche Ihres Hauses ruhig voll ausnutzen“. Denn Einspeisevergütung oder auch Eigenverbrauch schlagen positiv zu Buche. Bereits bei Anlagen ab rund 5 kWp ist über 20 Jahre mit einem Plus zu rechnen.
III. Unser Standpunkt
Der Ausbau der Solarenergie muss sich in Deutschland gegenüber dem heutigen Niveau mindestens verdoppeln. Eine bundesweite Solarnutzungspflicht für alle Neubauten würde dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Sie ließe zudem – gerade im Zusammenspiel mit einem Solarkataster – einen dynamischen Markt für Dienstleister entstehen, die Komplettlösungen für den vollständigen Umstieg auf klimaneutralen Strom inklusive eigener PV-Anlagen anbieten. Die Marktdurchdringung von Solarsystemen könnte so erheblich gestärkt und der Förderbedarf verringert werden.
Wir sprechen uns vor diesem Hintergrund dafür aus, in der nächsten Wahlperiode zügig
- eine bundesweite Nutzungspflicht für Solarstrom für alle Neubauten einzuführen, perspektivisch auch für umfassende Dachsanierungen,
- dies in Kombination mit einem Solarkataster umzusetzen, um die Akzeptanz der Pflicht zu erhöhen und das Entstehen eines dynamischen Dienstleistungsmarktes zu fördern.