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© Depositphotos | Dario Studios | Ein Schlüssel zur Energiewende: Ausbau der Windenergie

Sechs Vorschläge, damit Windkraft wieder durchstartet

Agora Energiewende legt „Sofortprogramm Windenergie an Land“ vor. Höhere Ausschreibungsmengen, mehr Flächen und ein verlässlicheres Genehmigungsrecht sollen dafür sorgen, dass Deutschland im Jahr 2030 genug klimaneutralen Strom produziert, um seine Energie- und Klimaziele zu erreichen.

Damit das Stromsystem, Haushalte, Verkehr und Industrie klimaneutral werden können, muss der Ausbau der Windenergie in den kommenden Jahren deutlich beschleunigt werden. Gemessen am aktuellen EEG-Entwurf werden in Summe bis zum Jahr 2028 etwa 12 Gigawatt Windenergieleistung zu wenig ausgeschrieben, um im Jahr 2030 auf einen Anteil Erneuerbarer Energien von 75 Prozent am Stromverbrauch zu kommen. Der Fehlbetrag entspricht mehr als dem Zehnfachen der Windkraftleistung, die im Jahr 2019 errichtet wurde. Das zeigt eine Analyse von Agora Energiewende auf deren Basis das Denk- und Politiklabor ein „Sofortprogramm Windenergie an Land“ vorschlägt.

Das Sofortprogramm setzt an sechs Punkten an. Diese zielen darauf ab, die Ausschreibungsvolumina für Windkraft deutlich zu erhöhen, kurzfristig mehr Flächen für sie bereitzustellen, das Genehmigungsrecht zu vereinfachen sowie Anlagen, die aus der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fallen, möglichst lange in Betrieb zu halten beziehungsweise vergleichsweise leicht gegen leistungsstärkere Ersatzanlagen zu ersetzen. Außerdem macht das Programm Vorschläge dafür, wie der Konflikt zwischen Windkraftausbau und Naturschutz entschärft und später dauerhaft gelöst werden kann.

„Ohne neue Windkraftanlagen gefährden wir den Standort Deutschland. Denn ohne deutlich mehr günstigen Windstrom werden die Börsenstrompreise in den nächsten Jahren deutlich steigen“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Deshalb ist unser Vorschlag nicht nur ein Beitrag dafür, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen kann, sondern auch für eine weiterhin wettbewerbsfähige Wirtschaft. Diesen Aspekt lässt der derzeit im Bundestag diskutierte Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes völlig außer Acht.“ 

Der Entwurf des EEG sieht für die kommenden Jahre sogar ein Abbremsen des Windenergie-Ausbaus vor. Demnach sollen nach 4.500 Megawatt Windenergieleistung im Jahr 2021 nur noch 2.900 Megawatt im Jahr 2022 ausgeschrieben werden. Auf etwa diesem Niveau soll der Ausbau laut EEG-Entwurf bis Mitte des Jahrzehntes verharren, um dann in der zweiten Hälfte der Dekade langsam auf 5.800 Megawatt anzusteigen. Für einen Erneuerbare-Energien-Anteil von 75 Prozent am Stromverbrauch im Jahr 2030 wäre Agora zufolge jedoch ein Ausschreibungsvolumen von konstant 5.500 Megawatt notwendig – und damit ein Ausbau auf dem Niveau, das 2017 bereits erreicht wurde.

„Bis 2030 müssen die Erneuerbaren Energien nicht nur die Kohle ersetzen, sondern auch den zusätzlichen Strombedarf für den Wechsel zur Elektromobilität und zu Wärmepumpen im Gebäudesektor decken. Der im EEG-Entwurf vorgesehene Ausbau geht deshalb an den Anforderungen des Landes vorbei“, sagt Graichen. „In unserem Papier zeigen wir auf, wie nicht nur das Erneuerbare-Energien-Gesetz, sondern beispielsweise auch das Baugesetzbuch, das Bundesimmissionsschutzgesetz und das das Naturschutzrecht geändert werden sollten, um den Ausbau der Windenergie wieder anzuschieben.“

Die Vorschläge des Sofortprogramms umfassen im Einzelnen:

1. Anhebung des Ausschreibungsvolumens für Windkraft auf 5,5 Gigawatt pro Jahr ab 2022

Die Ausschreibungsmenge für Windenergie an Land im EEG 2021 wird ab dem Jahr 2022 auf 5,5 Gigawatt jährlich angehoben, statt – wie bisher im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen – von 4,5 Gigawatt im Jahr 2021 auf 2,9 Gigawatt im Jahr 2022 gesenkt.

2. Öffnung geeigneter zusätzlicher Flächen für die Windenergie an Land vornehmlich durch Anpassungen im Baugesetzbuch

Der Entwurf des Artikelgesetzes zur Änderung des EEG und weiterer energierechtlicher Vorschriften wird um Regelungen im Baurecht ergänzt, durch die zusätzliche Flächen für die Windenergie verfügbar werden. Hier geht es unter anderem darum, Windkraft auf geeigneten Gewerbe- und sonstigen Sonderflächen zu ermöglichen, die Abstandsregelungen für Gewerbe- und Industriegebäude nicht länger auf Windkraftanlagen anzuwenden und in Bezug auf Wohngebiete das Kriterium der „optisch bedrängenden Wirkung“ in dem Sinne neu zu justieren, dass in der Regel von Windenergieanlagen keine Beeinträchtigungen öffentlicher Belange des Nachbarschutzes ausgehen, wenn sie einen Abstand des Zweifachen der Anlagenhöhe einhalten.

3. Absicherung lange genutzter Windstandorte durch Repowering oder Weiterbetrieb von Windkraftanlagen nach Auslaufen der EEG-Vergütung

Priorität soll das „große Repowering“ mit modernen, leistungsstarken Windenergieanlagen haben. Es wird überall dort ermöglicht, wo ein Mindestabstand in Höhe der zweifachen Anlagenhöhe zur Wohnbebauung eingehalten werden kann. Wo dies nicht möglich ist, wird ein „kleines Repowering“ ermöglicht, also die Errichtung von Neuanlagen vergleichbarer Nabenhöhe und Leistungsstärke am alten Standort. Um die ersatzlose Aufgabe von Windkraftstandorten mit hoher Akzeptanz zu vermeiden, wird auch der Weiterbetrieb von Altanlagen erleichtert und angereizt.

4. Mehr Rechtssicherheit durch eine vereinfachte Planungs- und Ausweisungsmethodik von Konzentrationszonen für Windenergie

Durch gesetzliche Präzisierungen der Ausweisungsmethodik von Konzentrationszonenplanungen kann mehr Rechtssicherheit hergestellt werden. Dazu werden die Sonderregelungen für Windenergie im Baugesetzbuch grundlegend überarbeitet oder in einem eigenen Paragrafen neu gefasst.

5. Genehmigungsverfahren straffen durch wirksame Fristsetzungen, erweiterte Befugnisse bei Verzug beteiligter Behörden und mehr Personal

Die Wirksamkeit des im November 2020 im Deutschen Bundestag beschlossenen Investitionsbeschleunigungsgesetzes ist in Bezug auf die Windenergie an Land zweifelhaft. Jenseits des Gesetzes können jedoch Bestimmungen, die in Genehmigungsverfahren regelmäßig Verzögerungen auslösen, durch stringentere Fristsetzungen ersetzt werden, die vor allem beteiligte Behörden – etwa Naturschutz- und Luftfahrtbehörden – in die Pflicht nehmen. Dies kann zum Beispiel über Änderungen im Bundesimmissionsschutzgesetz und im Luftverkehrsgesetz geregelt werden. Konkret geht es darum, die Stellungnahmefristen zu verkürzen und die Rolle der Genehmigungsbehörden zu stärken, indem sie bestimmte behördliche Zustimmungen ersetzen können. Dringend erforderlich bleibt eine ausreichende Personalausstattung der an der Genehmigung beteiligten Behörden.

© Agora Energiewende

6. Möglichkeiten zur Erweiterung artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen für die Windenergie an Land

Um die naturschutzfachlichen Blockaden bei der Genehmigung von Windenergie an Land zu lockern, werden kurzfristig die Ausnahmegründe vom individuellen Tötungsverbot im Naturschutzrecht konkretisiert oder erweitert. Diese regeln die Ausnahmen von den Vorschriften zum Schutz besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten gemäß Bundesnaturschutzgesetz. Zugleich soll in den nächsten Monaten ein neuer Rechtsrahmen unter anderem mit einem Artenschutzfonds Windenergie entwickelt werden, mit dem der Populationsschutz windenergiesensibler Arten gestärkt und gleichzeitig der Ausbau der Windkraft an Land beschleunigt werden soll.

Quelle

Agora Energiewende 2020

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