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Solarstrom bringt Entwicklung in ein namibisches Dorf

Früher konnte sich das namibische Dorf Tsumkwe kaum seinen Strom leisten – der Preis für Rohöl war zu teuer. Dank einer Solarhybridanlage sieht das heute anders aus: Strom fließt jetzt rund um die Uhr und das zu günstigeren Konditionen als zuvor. Von Ricarda Schuller

Über sechshundert Kilometer teils schotterige Straßen und karge Steppenlandschaft trennen das namibische Dorf Tsumkwe von der Hauptstadt Windhoek, das nächstgelegene Stromnetz liegt mehr als 300 Kilometer entfernt. Tsumkwe, das Tor zum Khaudom Nationalpark, fühlt sich an wie das Ende der Welt. Und doch fließt in der 700-Seelen-Gemeinde Strom – 24 Stunden am Tag. Auch nachts sind die Straßen des kleinen Ortes beleuchtet, die Menschen in Tsumkwe fühlen sich hier sicher. Das war nicht immer so.

Vor über drei Jahren hatten die Menschen in Tsumkwe das letzte Mal rund um die Uhr Strom. Doch mit dem Anstieg der Rohölpreise konnte die Gemeinde sich das bald nicht mehr leisten. Denn die Gestehungskosten stiegen doppelt an: Zum einen durch die höheren Brennstoffkosten, zum anderen durch die somit gestiegenen Transportkosten. Schließlich lief der Stromgenerator nur noch morgens und abends. Dazwischen gab es keinen Strom. Vor allem die Krankenstation, die in der weiteren Umgebung die einzige ihrer Art ist, hatte unter der Situation zu leiden. Aber auch das Mobilfunknetz und der Radiosender konnten während der stromfreien Zeit nur mangelhaft betrieben werden.

Die Wende brachte die Sonnenkraft, im August 2011

Mitte des Monats stellte das deutsche Unternehmen juwi Solar GmbH, einer der führenden Projektentwickler im Bereich der Solarenergie, eine der größten netzfernen Solarstromanlagen in Afrika fertig. Bei der Anlage handelt es sich um eine so genannte Solar-Hybridanlage. Sie besteht aus einer Photovoltaik-Freiflächenanlage mit einer Leistung von rund 200 Kilowatt, welche die Gemeinde tagsüber vollständig mit Strom versorgt. Die 918 polykristallinen Module wurden von der Firma Sharp produziert. Dazu kommen mehreren Batterien mit einer Gesamtspeicherkapazität von einer Megawattstunde sowie drei Dieselgeneratoren mit einer Gesamtleistung von 630 KVA. Letztere werden nur abends für einige Stunden zugeschaltet. Oder wenn der Status der Batterien einmal zu niedrig sein sollte.

In den Übergangszeiten am Abend und am Morgen sorgen die Batterien der Firma Hoppecke dafür, dass in dem namibischen Dorf die Lichter nicht mehr ausgehen. Dabei wandeln 54 Wechselrichter des Herstellers SMA den Strom aus den Modulen und den Batterien in netzkonformen Wechselstrom um. Das Solar-Hybrid-System steuert intelligent das Verteilungsnetz im Dorf, denn der produzierte Strom wird in zwei Mininetze aufgeteilt. Durch zwei Transformatorstationen wird die Spannung von 11 Kilovolt angehoben und mittels Mittelspannungsmasten in Tsumkwe verteilt.

An dem einen Netz hängen vorwiegend die Haushalte, an dem anderen Netz dagegen besonders wichtige Verbraucher. Dazu gehören die Krankenstation, die kleine Polizeiwache, die Straßenbeleuchtung und das lokale Mobilfunknetz. Sollte der Strom einmal nicht ausreichen, werden die weniger wichtigen Verbraucher von der Versorgung abgetrennt.

Die Desert Research Foundation Namibia (DRFN) gab die Solar-Hybridanlage in Auftrag. An der Finanzierung des „Tsumkwe Energy Projekts“ waren jedoch mehrere Akteure beteiligt. So kamen die Mittel zur Finanzierung teils von der Gemeinde vor Ort, teils vom örtlichen Energieversorgungsunternehmen NamPower und teils von der Europäischen Union. Mit dem namibischen Partner Alensy CC hat die juwi Solar GmbH die Anlage innerhalb von nur sechs Wochen realisiert.

Fabian Jochem, verantwortlicher Projektmanager bei juwi, sagt: „Das Projekt in Tsumkwe zeigt welche großen Potentiale erneuerbare Energien gerade in Entwicklungsländern haben.“ Dabei ermöglichten erneuerbare Energien durch die Off-Grid-Technologie nicht nur eine zuverlässige Stromversorgung fernab von jeglichen Netzen. „Die Stromversorgung mit erneuerbaren Energien ist angesichts steigender Rohölpreise mittlerweile die günstigere Alternative“, so Jochem. So auch in der Gemeinde Tsumkwe mit ihren rund 100 Haushalten. Hier ist der Preis für Strom seit dem Einsatz der Solar-Hybridanlage fast um die Hälfte gefallen. Zahlten die Menschen für die Kilowattstunde Strom früher umgerechnet rund 60 europäische Cent, so sind es heute gerade einmal 35 Cent.

„In vielen Fällen ist die Stromproduktion mit erneuerbaren Energien gegenüber der Stromproduktion durch Dieselgeneratoren wirtschaftlicher und bringt den Charme mit sich, dass die Betreiber langfristig mit gleichbleibenden Gestehungskosten rechnen können“, sagt Jochem. Das sei auch schon dann der Fall wenn sich ein afrikanisches Dorf mehr als zehn Kilometer vom öffentlichen Stromnetz entfernt befände. „Ab dieser Entfernung ist eine dezentrale Energieversorgung auf Basis von Solarenergie günstiger als eine Anbindung an das allgemeine Stromnetz“, so Jochem.

Doch nicht nur die finanzielle Seite spricht für Off-Grid-Solaranlagen in Regionen ohne Netzanbindung; auch wird durch die Installation von Solaranlagen lokal neue Wertschöpfung generiert. Im Beispiel von Tsumkwe schulte juwi die örtlichen Betreiber der Anlage zu Themen wie Wartung, Fehlerbehebung und Notbetrieb der Anlage. Denn die eigentliche Herausforderung des Projektes liegt nicht in der technischen Installation der Anlage sondern in deren nachhaltigen Betrieb.

Das ist eine Tatsache, der in vielen afrikanischen Solarprojekten nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird. Denn erst nach Abzug der deutschen Ingenieure zeigt sich, ob ein Projekt in Afrika auch erfolgreich ist. Daher wurde auch ein großer Schwerpunkt darauf gelegt, die Dorfbewohner für das Thema Elektrizität zu sensibilisieren. Dies geschah zum Beispiel durch mehrere Seminare, die parallel zur Installation der Anlage stattfanden. Hier lernten die Menschen, wie sie Strom möglichst effizient nutzen können. Heute leuchten in Tsumkwe statt der alten, stromfressenden Glühbirnen Energiesparlampen, warmes Wasser bereitet die Bevölkerung inzwischen größtenteils mit Solarkollektoren auf.

„Energieeffizienz gehört untrennbar zu den erneuerbaren Energie und es war daher notwendig, den Energieverbrauch Tsumkwes zu reduzieren bevor die Energieerzeugung von einem Diesel-Generator auf das Solar-Hybridsystem umgestellt werden konnte“, sagt Abraham Hangula, Verantwortlicher für die technische Durchführung und Projektmanager von Tsumkwe Energy (DRFN).

Heute sind alle Stromverbraucher über moderne Energiezähler an das Netz angeschlossen. Die Energiezähler – sogenannte Prepaid Meters – müssen im Vorfeld aufgeladen werden, das funktioniert ähnlich wie bei Prepaid-Karten beim Mobiltelefon. So können Streitigkeiten und Vetternwirtschaft bei der Abrechnung der Stromgebühren verhindert werden. Gleichzeitig ermöglichen sie eine gerechte und einfache wirtschaftliche Kalkulation der Stromverteilung. Durch den Stromverkauf wird die Anlage rückfinanziert und der Betrieb gewährleistet. „Das Tsumkwe Energy Projekt hebt sich deutlich von den meisten anderen Solarprojekten in Afrika ab, da es in erster Linie nicht entwicklungspolitisch motiviert ist, sondern auf einer wirtschaftlich fundierten Kalkulation basiert. Ziel ist es mehr Strom zu günstigeren Konditionen an die Dorfbevölkerung zu verkaufen“, meint Robert Schulz, Programmleiter bei der DRFN für das Tsumkwe Energy Projekt.

Ganz nebenbei leisten die erneuerbare Energien so einen deutlichen Beitrag zur lokalen Entwicklung. Die Menschen in Tsumkwe haben nicht nur eine Stromversorgung rund um die Uhr erhalten, sie haben nun auch die Möglichkeit ihre Läden, Schulen und Betriebe nachhaltig zu betreiben. Privatwirtschaftliche Aktivitäten können sich nur dort ansiedeln, wo verlässlich Energie zur Verfügung steht. Und so gab es bereits zur Zeit der Inbetriebnahme im August Gespräche mit Einheimischen, die Ihre ersten Geschäftsideen vorstellten.

Man darf daher davon ausgehen, dass der Energiebedarf in den kommenden Jahren stark ansteigen wird. Doch auch dafür ist Tsumkwe bereits heute gerüstet, denn mit dem 200 kWp Solarsystem steht momentan tagsüber genug Leistung zur Verfügung, um noch weitere Verbraucher zu versorgen. Und auch der Ausbau des Systems ist kein Problem: Um den wachsenden Energiebedarf zu decken, kann die Anlage zukünftig mit weiteren Solarmodulen und Batterien ausgerüstet werden  Solarprojekte wie in Tsumkwe sind in Afrika noch eine Seltenheit.

In der Regel werden kleine sogenannte Solar Home Systeme installiert, die nicht zentral betrieben werden wie in Tsumkwe, sondern dezentral von jedem Haushalt. „Wir sind jedoch überzeugt, dass größere zentrale Mini-Grid-Systeme in Afrika weiter an Bedeutung gewinnen werden“, sagt Bernd Schappert, Geschäftsführer der juwi Solar GmbH. Eine Sonneneinstrahlung von 1.900 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, wie beispielsweise in Namibia, bietet auch ideale Voraussetzungen, um Inselsysteme wie in Tsumkwe wirtschaftlich zu betreiben. Dennoch wird die Größe von Inselsystemen sich auch in Zukunft von Solarparks unterscheiden, die direkt ins öffentliche Netz einspeisen.

„Die Projekte im Off-Grid-Bereich werden auch künftig immer kleiner bleiben als die großen Megawatt-Projekte, wie man sie aus dem On-Grid-Bereich kennt“, sagt Fabian Jochem.

Kleine Leistung, große Wirkung

Mit Inselsystemen kann der wachsende Energiebedarf in derzeit noch weniger entwickelten Ländern wie Namibia nachhaltig und umweltfreundlich gedeckt werden. Die Solarstrahlung liegt in den meisten Schwellenländern deutlich höher als in Deutschland und unterliegt aufgrund der Nähe zum Äquator nur geringen Schwankungen. Damit ist Solarenergie eine große Chance für diese Länder.

Denn nach Angaben der Internationalen Energieagentur liegt die Elektrifizierungsrate in ländlichen Gebieten südlich der Sahara bei gerade einmal acht Prozent. So bleibt die Infrastruktur in diesen Gebieten rudimentär, die Entwicklung stockt. Energie aus Sonne und Wind wird dezentral erzeugt und kann somit helfen, Armut vor Ort zu bekämpfen, ohne dass monatliche Zahlungen für Ölimporte die ländlichen Regionen verlassen. Die Wertschöpfung bleibt bei den Menschen vor Ort.

In dem kleinen Dorf Tsumkwe ist es seit der Installation der Solar-Hybrid-Anlage geschäftiger geworden. Abends laufen die Bewohner durch die beleuchteten Strassen, Kinder spielen in noch hellen Klassenzimmern und die Pumpen füllen verlässlich die Wassertanks der dörflichen Wasserversorgung. Wo früher mindestens drei Stunden am Abend der Dieselmotor laut ratterte, ist heute Stille eingekehrt. Das Tor zum Khaudom Nationalpark könnte ein Beispiel werden – für andere Regionen fernab vom öffentlichen Stromnetz.

Quelle

Ricarda Schuller 2011juwi Solar GmbH 2011

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